ausmacht, und dessen Mittelpunkt von dem der Pupille entgegengesetzten Punkte um (7/25) dieses Durchmessers entfernt ist, und ein wenig über die Mitte des Auges erhoben liegt. Der Sehnerve, sagt er, durfte nicht der Pupille gegen über eintreten, weil uns sonst alle Gegenstände in der Mitte durchlöchert erscheinen würden. So aber, wie er jetzt eintritt, verlieren wir nur einige auf der äußern Seite unter einem gewissen Winkel liegende Gegenstände aus dem Gesichte, oder vielmehr nur aus einem Auge, nie aus beyden zugleich. Und selbst, wenn wir ein Auge schließen, bemerken wir diesen Mangel nicht, wenn er nicht einen sehr hervorstechenden und ausgezeichneten Gegenstand betrift, weil sich die Aufmerksamkeit der Seele doch vorzüglich auf das lenkt, was in der Mitte erscheint, und die an der Seite entstehende Lücke von der Einbildungskraft ausgefüllt wird.
Mariotte sprach nun dieser Entdeckung wegen der ganzen Netzhaut die Empfindlichkeit gegen das Licht ab, zumal da er diese Haut auch durchsichtig fand. Die Aderhaut, welche an der unempfindlichen Stelle ganz fehlt, schien ihm geschickter zum Sitze des Sehens, theils wegen ihrer schwarzen Farbe, theils weil die Iris, als eine Fortsetzung von ihr, bey der Erweiterung und Verengerung des Augensterns so viel Empfindlichkeit gegen das Licht äussert, s. Auge. Diese Meinung ist nachher von Mery (Mem. de Paris 1704.), Le Cat (Traite des sens, p. 176 sqq.), Michell (beym Priestley Geschichte der Optik. S. 149. u. f.) und Andern, mit noch mehrern Gründen vertheidigt worden. Le Cat glaubte die Entdeckung gemacht zu haben, daß die dünne Hirnhaut (pia mater) überhaupt das Werkzeug aller Empfindungen sey, und daß sich dieselbe beym Eintritte des Sehnerven in zwo Lamellen theile, deren eine die Aderhaut bilde. Hiezu war ihm also Mariottens Behauptung sehr willkommen. Dagegen erklärten sich Pecquet, de la Hire, Perrault u. a. für die Netzhaut, wie es überhaupt der Analogie der andern Sinne angemessener ist, den Sitz der Empfindungen in die Nerven zu setzen. Die Gründe beyder Theile und die Geschichte des Streits erzählt Priestley (S. 146. u. f.) sehr umständlich.
ausmacht, und deſſen Mittelpunkt von dem der Pupille entgegengeſetzten Punkte um (7/25) dieſes Durchmeſſers entfernt iſt, und ein wenig uͤber die Mitte des Auges erhoben liegt. Der Sehnerve, ſagt er, durfte nicht der Pupille gegen uͤber eintreten, weil uns ſonſt alle Gegenſtaͤnde in der Mitte durchloͤchert erſcheinen wuͤrden. So aber, wie er jetzt eintritt, verlieren wir nur einige auf der aͤußern Seite unter einem gewiſſen Winkel liegende Gegenſtaͤnde aus dem Geſichte, oder vielmehr nur aus einem Auge, nie aus beyden zugleich. Und ſelbſt, wenn wir ein Auge ſchließen, bemerken wir dieſen Mangel nicht, wenn er nicht einen ſehr hervorſtechenden und ausgezeichneten Gegenſtand betrift, weil ſich die Aufmerkſamkeit der Seele doch vorzuͤglich auf das lenkt, was in der Mitte erſcheint, und die an der Seite entſtehende Luͤcke von der Einbildungskraft ausgefuͤllt wird.
Mariotte ſprach nun dieſer Entdeckung wegen der ganzen Netzhaut die Empfindlichkeit gegen das Licht ab, zumal da er dieſe Haut auch durchſichtig fand. Die Aderhaut, welche an der unempfindlichen Stelle ganz fehlt, ſchien ihm geſchickter zum Sitze des Sehens, theils wegen ihrer ſchwarzen Farbe, theils weil die Iris, als eine Fortſetzung von ihr, bey der Erweiterung und Verengerung des Augenſterns ſo viel Empfindlichkeit gegen das Licht aͤuſſert, ſ. Auge. Dieſe Meinung iſt nachher von Mery (Mém. de Paris 1704.), Le Cat (Traité des ſens, p. 176 ſqq.), Michell (beym Prieſtley Geſchichte der Optik. S. 149. u. f.) und Andern, mit noch mehrern Gruͤnden vertheidigt worden. Le Cat glaubte die Entdeckung gemacht zu haben, daß die duͤnne Hirnhaut (pia mater) uͤberhaupt das Werkzeug aller Empfindungen ſey, und daß ſich dieſelbe beym Eintritte des Sehnerven in zwo Lamellen theile, deren eine die Aderhaut bilde. Hiezu war ihm alſo Mariottens Behauptung ſehr willkommen. Dagegen erklaͤrten ſich Pecquet, de la Hire, Perrault u. a. fuͤr die Netzhaut, wie es uͤberhaupt der Analogie der andern Sinne angemeſſener iſt, den Sitz der Empfindungen in die Nerven zu ſetzen. Die Gruͤnde beyder Theile und die Geſchichte des Streits erzaͤhlt Prieſtley (S. 146. u. f.) ſehr umſtaͤndlich.
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ausmacht, und deſſen Mittelpunkt von dem der Pupille entgegengeſetzten Punkte um (7/25) dieſes Durchmeſſers entfernt iſt, und ein wenig uͤber die Mitte des Auges erhoben liegt. Der Sehnerve, ſagt er, durfte nicht der Pupille gegen uͤber eintreten, weil uns ſonſt alle Gegenſtaͤnde in der Mitte durchloͤchert erſcheinen wuͤrden. So aber, wie er jetzt eintritt, verlieren wir nur einige auf der aͤußern Seite unter einem gewiſſen Winkel liegende Gegenſtaͤnde aus dem Geſichte, oder vielmehr nur aus einem Auge, nie aus beyden zugleich. Und ſelbſt, wenn wir ein Auge ſchließen, bemerken wir dieſen Mangel nicht, wenn er nicht einen ſehr hervorſtechenden und ausgezeichneten Gegenſtand betrift, weil ſich die Aufmerkſamkeit der Seele doch vorzuͤglich auf das lenkt, was in der Mitte erſcheint, und die an der Seite entſtehende Luͤcke von der Einbildungskraft ausgefuͤllt wird.
Mariotte ſprach nun dieſer Entdeckung wegen der ganzen Netzhaut die Empfindlichkeit gegen das Licht ab, zumal da er dieſe Haut auch durchſichtig fand. Die Aderhaut, welche an der unempfindlichen Stelle ganz fehlt, ſchien ihm geſchickter zum Sitze des Sehens, theils wegen ihrer ſchwarzen Farbe, theils weil die Iris, als eine Fortſetzung von ihr, bey der Erweiterung und Verengerung des Augenſterns ſo viel Empfindlichkeit gegen das Licht aͤuſſert, ſ. Auge. Dieſe Meinung iſt nachher von Mery (Mém. de Paris 1704.), Le Cat (Traité des ſens, p. 176 ſqq.), Michell (beym Prieſtley Geſchichte der Optik. S. 149. u. f.) und Andern, mit noch mehrern Gruͤnden vertheidigt worden. Le Cat glaubte die Entdeckung gemacht zu haben, daß die duͤnne Hirnhaut (pia mater) uͤberhaupt das Werkzeug aller Empfindungen ſey, und daß ſich dieſelbe beym Eintritte des Sehnerven in zwo Lamellen theile, deren eine die Aderhaut bilde. Hiezu war ihm alſo Mariottens Behauptung ſehr willkommen. Dagegen erklaͤrten ſich Pecquet, de la Hire, Perrault u. a. fuͤr die Netzhaut, wie es uͤberhaupt der Analogie der andern Sinne angemeſſener iſt, den Sitz der Empfindungen in die Nerven zu ſetzen. Die Gruͤnde beyder Theile und die Geſchichte des Streits erzaͤhlt Prieſtley (S. 146. u. f.) ſehr umſtaͤndlich.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/35>, abgerufen am 22.11.2024.
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