Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Der gemeinschaftliche Durchmesser aller Stundenkreise ist die Weltaxe Pp. Denkt man sich statt dieser einen Stift, der der Sonne gegenüber einen Schatten wirft, so fällt dieser Schatten bey jedem Stande der Sonne in ebendenselben Stundenkreis, in welchem die Sonne steht. Wenn nun die ganze Erdkugel, als unendlich klein, im Mittelpunkte der Himmelskugel angenommen wird (s. Erdkugel, Th. II. S. 20.), so sieht man, daß jeder mit der Weltaxe paralle Stift auf der Erdfläche, als ein Stück der Weltaxe selbst betrachtet werden kan, und daß der Schatten solcher Stiste allezeit in die Ebene des Stundenkreises sällt, der die Zeit für den Augenblick der Beobachtung andeutet, Hierauf beruht die ganze Gnomonik oder Verfertigung der Sonnenuhren. Sie besteht einzig in der Auflösung des geometrischen Problems: Auf jeder gegebnen Fläche ihre Durchschnittslinien mit den Ebenen der zwölf Stundenkreise zu verzeichnen.

Auch erklärt sich |hieraus der Gebrauch des Stundenrings auf den künstlichen Erd- und Himmelskugeln, s. Himmelskugel, künstliche (Th. II. S. 599.), welchen die Stundenkreise eben sowohl, als den Aequator und jeden Parallelkreis überhaupt, in 24 gleiche Theile theilen; daher der um den Pol bewegliche Zeiger auf ihm um so viel Sternstunden fortgeht, als dem Stücke, um das man die Kugel weiter fortgedreht hat, zugehören.

Stundenwinkel, Angulus horarius, Angle horaire.

Der Winkel des Stundenkreises mit dem Mittagskreise. So ist Taf. XXIV. Fig. 42. ZPS der Stundenwinkel des Gestirns S. Das Maaß dieses Winkels ist der Bogen des Aequators AD, der Zeitbogen oder Abstand des Gestirns vom Mittagskreise. Dieser Bogen in Zeit verwandelt, giebt an, wie viel Zeit das Gestirn noch brauche, um aus S bis in den Mittagskreis in F zu kommen.

Im Kugeldreyecke ZPS, dessen drey Spitzen Zenith, Pol und ein Stern oder irgend ein Punkt des Himmels, sind, s. Azimuth, kömmt der Stundenwinkel ZPS als ein Winkel mit vor, und kan also, wenn drey Stücken aus


Der gemeinſchaftliche Durchmeſſer aller Stundenkreiſe iſt die Weltaxe Pp. Denkt man ſich ſtatt dieſer einen Stift, der der Sonne gegenuͤber einen Schatten wirft, ſo faͤllt dieſer Schatten bey jedem Stande der Sonne in ebendenſelben Stundenkreis, in welchem die Sonne ſteht. Wenn nun die ganze Erdkugel, als unendlich klein, im Mittelpunkte der Himmelskugel angenommen wird (ſ. Erdkugel, Th. II. S. 20.), ſo ſieht man, daß jeder mit der Weltaxe paralle Stift auf der Erdflaͤche, als ein Stuͤck der Weltaxe ſelbſt betrachtet werden kan, und daß der Schatten ſolcher Stiſte allezeit in die Ebene des Stundenkreiſes ſaͤllt, der die Zeit fuͤr den Augenblick der Beobachtung andeutet, Hierauf beruht die ganze Gnomonik oder Verfertigung der Sonnenuhren. Sie beſteht einzig in der Aufloͤſung des geometriſchen Problems: Auf jeder gegebnen Flaͤche ihre Durchſchnittslinien mit den Ebenen der zwoͤlf Stundenkreiſe zu verzeichnen.

Auch erklaͤrt ſich |hieraus der Gebrauch des Stundenrings auf den kuͤnſtlichen Erd- und Himmelskugeln, ſ. Himmelskugel, kuͤnſtliche (Th. II. S. 599.), welchen die Stundenkreiſe eben ſowohl, als den Aequator und jeden Parallelkreis uͤberhaupt, in 24 gleiche Theile theilen; daher der um den Pol bewegliche Zeiger auf ihm um ſo viel Sternſtunden fortgeht, als dem Stuͤcke, um das man die Kugel weiter fortgedreht hat, zugehoͤren.

Stundenwinkel, Angulus horarius, Angle horaire.

Der Winkel des Stundenkreiſes mit dem Mittagskreiſe. So iſt Taf. XXIV. Fig. 42. ZPS der Stundenwinkel des Geſtirns S. Das Maaß dieſes Winkels iſt der Bogen des Aequators AD, der Zeitbogen oder Abſtand des Geſtirns vom Mittagskreiſe. Dieſer Bogen in Zeit verwandelt, giebt an, wie viel Zeit das Geſtirn noch brauche, um aus S bis in den Mittagskreis in F zu kommen.

Im Kugeldreyecke ZPS, deſſen drey Spitzen Zenith, Pol und ein Stern oder irgend ein Punkt des Himmels, ſind, ſ. Azimuth, koͤmmt der Stundenwinkel ZPS als ein Winkel mit vor, und kan alſo, wenn drey Stuͤcken aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0276" xml:id="P.4.266" n="266"/><lb/>
            </p>
            <p>Der gemein&#x017F;chaftliche Durchme&#x017F;&#x017F;er aller Stundenkrei&#x017F;e i&#x017F;t die Weltaxe <hi rendition="#aq">Pp.</hi> Denkt man &#x017F;ich &#x017F;tatt die&#x017F;er einen Stift, der der Sonne gegenu&#x0364;ber einen Schatten wirft, &#x017F;o fa&#x0364;llt die&#x017F;er Schatten bey jedem Stande der Sonne in ebenden&#x017F;elben Stundenkreis, in welchem die Sonne &#x017F;teht. Wenn nun die ganze Erdkugel, als unendlich klein, im Mittelpunkte der Himmelskugel angenommen wird (<hi rendition="#b">&#x017F;. Erdkugel,</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 20.), &#x017F;o &#x017F;ieht man, daß jeder mit der Weltaxe paralle Stift auf der Erdfla&#x0364;che, als ein Stu&#x0364;ck der Weltaxe &#x017F;elb&#x017F;t betrachtet werden kan, und daß der Schatten &#x017F;olcher Sti&#x017F;te allezeit in die Ebene des Stundenkrei&#x017F;es &#x017F;a&#x0364;llt, der die Zeit fu&#x0364;r den Augenblick der Beobachtung andeutet, Hierauf beruht die ganze <hi rendition="#b">Gnomonik</hi> oder Verfertigung der Sonnenuhren. Sie be&#x017F;teht einzig in der Auflo&#x0364;&#x017F;ung des geometri&#x017F;chen Problems: Auf jeder gegebnen Fla&#x0364;che ihre Durch&#x017F;chnittslinien mit den Ebenen der zwo&#x0364;lf Stundenkrei&#x017F;e zu verzeichnen.</p>
            <p>Auch erkla&#x0364;rt &#x017F;ich |hieraus der Gebrauch des Stundenrings auf den ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Erd- und Himmelskugeln, <hi rendition="#b">&#x017F;. Himmelskugel, ku&#x0364;n&#x017F;tliche</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 599.), welchen die Stundenkrei&#x017F;e eben &#x017F;owohl, als den Aequator und jeden Parallelkreis u&#x0364;berhaupt, in 24 gleiche Theile theilen; daher der um den Pol bewegliche Zeiger auf ihm um &#x017F;o viel Stern&#x017F;tunden fortgeht, als dem Stu&#x0364;cke, um das man die Kugel weiter fortgedreht hat, zugeho&#x0364;ren.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>Stundenwinkel, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Angulus horarius</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Angle horaire</hi></foreign></name>.</head><lb/>
            <p>Der Winkel des Stundenkrei&#x017F;es mit dem Mittagskrei&#x017F;e. So i&#x017F;t Taf. <hi rendition="#aq">XXIV.</hi> Fig. 42. <hi rendition="#aq">ZPS</hi> der Stundenwinkel des Ge&#x017F;tirns <hi rendition="#aq">S.</hi> Das Maaß die&#x017F;es Winkels i&#x017F;t der Bogen des Aequators <hi rendition="#aq">AD,</hi> der <hi rendition="#b">Zeitbogen</hi> oder Ab&#x017F;tand des Ge&#x017F;tirns vom Mittagskrei&#x017F;e. Die&#x017F;er Bogen in Zeit verwandelt, giebt an, wie viel Zeit das Ge&#x017F;tirn noch brauche, um aus <hi rendition="#aq">S</hi> bis in den Mittagskreis in <hi rendition="#aq">F</hi> zu kommen.</p>
            <p>Im Kugeldreyecke <hi rendition="#aq">ZPS,</hi> de&#x017F;&#x017F;en drey Spitzen Zenith, Pol und ein Stern oder irgend ein Punkt des Himmels, &#x017F;ind, <hi rendition="#b">&#x017F;. Azimuth,</hi> ko&#x0364;mmt der Stundenwinkel <hi rendition="#aq">ZPS</hi> als ein Winkel mit vor, und kan al&#x017F;o, wenn drey Stu&#x0364;cken aus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0276] Der gemeinſchaftliche Durchmeſſer aller Stundenkreiſe iſt die Weltaxe Pp. Denkt man ſich ſtatt dieſer einen Stift, der der Sonne gegenuͤber einen Schatten wirft, ſo faͤllt dieſer Schatten bey jedem Stande der Sonne in ebendenſelben Stundenkreis, in welchem die Sonne ſteht. Wenn nun die ganze Erdkugel, als unendlich klein, im Mittelpunkte der Himmelskugel angenommen wird (ſ. Erdkugel, Th. II. S. 20.), ſo ſieht man, daß jeder mit der Weltaxe paralle Stift auf der Erdflaͤche, als ein Stuͤck der Weltaxe ſelbſt betrachtet werden kan, und daß der Schatten ſolcher Stiſte allezeit in die Ebene des Stundenkreiſes ſaͤllt, der die Zeit fuͤr den Augenblick der Beobachtung andeutet, Hierauf beruht die ganze Gnomonik oder Verfertigung der Sonnenuhren. Sie beſteht einzig in der Aufloͤſung des geometriſchen Problems: Auf jeder gegebnen Flaͤche ihre Durchſchnittslinien mit den Ebenen der zwoͤlf Stundenkreiſe zu verzeichnen. Auch erklaͤrt ſich |hieraus der Gebrauch des Stundenrings auf den kuͤnſtlichen Erd- und Himmelskugeln, ſ. Himmelskugel, kuͤnſtliche (Th. II. S. 599.), welchen die Stundenkreiſe eben ſowohl, als den Aequator und jeden Parallelkreis uͤberhaupt, in 24 gleiche Theile theilen; daher der um den Pol bewegliche Zeiger auf ihm um ſo viel Sternſtunden fortgeht, als dem Stuͤcke, um das man die Kugel weiter fortgedreht hat, zugehoͤren. Stundenwinkel, Angulus horarius, Angle horaire. Der Winkel des Stundenkreiſes mit dem Mittagskreiſe. So iſt Taf. XXIV. Fig. 42. ZPS der Stundenwinkel des Geſtirns S. Das Maaß dieſes Winkels iſt der Bogen des Aequators AD, der Zeitbogen oder Abſtand des Geſtirns vom Mittagskreiſe. Dieſer Bogen in Zeit verwandelt, giebt an, wie viel Zeit das Geſtirn noch brauche, um aus S bis in den Mittagskreis in F zu kommen. Im Kugeldreyecke ZPS, deſſen drey Spitzen Zenith, Pol und ein Stern oder irgend ein Punkt des Himmels, ſind, ſ. Azimuth, koͤmmt der Stundenwinkel ZPS als ein Winkel mit vor, und kan alſo, wenn drey Stuͤcken aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/276
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/276>, abgerufen am 25.11.2024.