in das Sensorium. Die Nerven selbst gehen in eben derselben Ordnung über und neben einander fort, in welcher ihre Spitzen liegen. So erhält das Sensorium die Eindrücke in eben der Ordnung, in welcher die Lichtstralen auf die Netzhaut fallen, und in der also die Theile des Bildes liegen. Die Ordnung der einfallenden Lichtstralen bestimmt daher nicht nur die Ordnung der Theile des Bildes, sondern auch zugleich die Empfindung, welche-die Seele von der Ordnung der Gegenstände und ihrer Theile erhält. Nothwendig müssen also beyde übereinstimmen, nicht, weil die Seele das Bild sieht, sondern weil Stelle des Bildes, und Empfindung von der Stelle des Gegenstandes, beyde durch einerley Ursache, nemlich durch die Stelle der Nervenspitze, die das Licht empfängt, bestimmt werden. Hieraus wird die Uebereinstimmung des Sehens mit dem Bilde in Absicht auf Ordnung, Gestalt, Größe und Bewegung sehr leicht begreiflich.
Was die Deutlichkeit betrift, so entsteht diese beym Bilde daraus, daß Lichtstralen, die aus einerley Punkte des Gegenstands auf die Pupille gekommen sind, genau wieder in einerley Punkt der Netzhaut vereiniget werden. Geschieht aber dieses, so wird auch die Nervenspitze, die sich in diesem Vereinigungspunkte befindet, von keinem andern Lichte getroffen, als blos von solchem, das aus diesem Punkte des Gegenstandes kam, und der Nerve, dem sie zugehört, führt nun die Empfindung dieses Punkts allein und unvermischt an der gehörigen Stelle ins Sensorium über. Hieraus entsteht deutliche Empfindung dieses Punkts. Ist hingegen das Bild undeutlich, so vereinigen sich die Stralen, die aus einerley Punkte des Gegenstandes kommen, entweder schon vor, oder erst hinter der Netzhaut, und bilden auf dieser, anstatt des Punktes, einen ganzen Kreis ab, der sich über mehrere Nervenspitzen zugleich verbreitet. Auf diese Weise erhält jede Spitze vermischtes Licht aus mehrern Punkten des Gegenstandes zugleich, weil sie in mehrern solchen Kreisen zugleich liegt. Jeder Nerve bringt daher vermischte Empfindungen vieler neben einander liegender Punkte des Gegenstandes mit sich an einerley
in das Senſorium. Die Nerven ſelbſt gehen in eben derſelben Ordnung uͤber und neben einander fort, in welcher ihre Spitzen liegen. So erhaͤlt das Senſorium die Eindruͤcke in eben der Ordnung, in welcher die Lichtſtralen auf die Netzhaut fallen, und in der alſo die Theile des Bildes liegen. Die Ordnung der einfallenden Lichtſtralen beſtimmt daher nicht nur die Ordnung der Theile des Bildes, ſondern auch zugleich die Empfindung, welche-die Seele von der Ordnung der Gegenſtaͤnde und ihrer Theile erhaͤlt. Nothwendig muͤſſen alſo beyde uͤbereinſtimmen, nicht, weil die Seele das Bild ſieht, ſondern weil Stelle des Bildes, und Empfindung von der Stelle des Gegenſtandes, beyde durch einerley Urſache, nemlich durch die Stelle der Nervenſpitze, die das Licht empfaͤngt, beſtimmt werden. Hieraus wird die Uebereinſtimmung des Sehens mit dem Bilde in Abſicht auf Ordnung, Geſtalt, Groͤße und Bewegung ſehr leicht begreiflich.
Was die Deutlichkeit betrift, ſo entſteht dieſe beym Bilde daraus, daß Lichtſtralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtands auf die Pupille gekommen ſind, genau wieder in einerley Punkt der Netzhaut vereiniget werden. Geſchieht aber dieſes, ſo wird auch die Nervenſpitze, die ſich in dieſem Vereinigungspunkte befindet, von keinem andern Lichte getroffen, als blos von ſolchem, das aus dieſem Punkte des Gegenſtandes kam, und der Nerve, dem ſie zugehoͤrt, fuͤhrt nun die Empfindung dieſes Punkts allein und unvermiſcht an der gehoͤrigen Stelle ins Senſorium uͤber. Hieraus entſteht deutliche Empfindung dieſes Punkts. Iſt hingegen das Bild undeutlich, ſo vereinigen ſich die Stralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtandes kommen, entweder ſchon vor, oder erſt hinter der Netzhaut, und bilden auf dieſer, anſtatt des Punktes, einen ganzen Kreis ab, der ſich uͤber mehrere Nervenſpitzen zugleich verbreitet. Auf dieſe Weiſe erhaͤlt jede Spitze vermiſchtes Licht aus mehrern Punkten des Gegenſtandes zugleich, weil ſie in mehrern ſolchen Kreiſen zugleich liegt. Jeder Nerve bringt daher vermiſchte Empfindungen vieler neben einander liegender Punkte des Gegenſtandes mit ſich an einerley
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0022"xml:id="P.4.12"n="12"/><lb/>
in das Senſorium. Die Nerven ſelbſt gehen in eben derſelben Ordnung uͤber und neben einander fort, in welcher ihre Spitzen liegen. So erhaͤlt das Senſorium die Eindruͤcke in eben der Ordnung, in welcher die Lichtſtralen auf die Netzhaut fallen, und in der alſo die Theile des Bildes liegen. Die Ordnung der einfallenden Lichtſtralen beſtimmt daher nicht nur die Ordnung der Theile des Bildes, ſondern auch zugleich die Empfindung, welche-die Seele von der Ordnung der Gegenſtaͤnde und ihrer Theile erhaͤlt. Nothwendig muͤſſen alſo beyde uͤbereinſtimmen, nicht, weil die Seele das Bild ſieht, ſondern weil Stelle des Bildes, und Empfindung von der Stelle des Gegenſtandes, beyde durch einerley Urſache, nemlich durch die Stelle der Nervenſpitze, die das Licht empfaͤngt, beſtimmt werden. Hieraus wird die Uebereinſtimmung des Sehens mit dem Bilde in Abſicht auf Ordnung, Geſtalt, Groͤße und Bewegung ſehr leicht begreiflich.</p><p>Was die <hirendition="#b">Deutlichkeit</hi> betrift, ſo entſteht dieſe beym Bilde daraus, daß Lichtſtralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtands auf die Pupille gekommen ſind, genau wieder in einerley Punkt der Netzhaut vereiniget werden. Geſchieht aber dieſes, ſo wird auch die Nervenſpitze, die ſich in dieſem Vereinigungspunkte befindet, von keinem andern Lichte getroffen, als blos von ſolchem, das aus dieſem Punkte des Gegenſtandes kam, und der Nerve, dem ſie zugehoͤrt, fuͤhrt nun die Empfindung dieſes Punkts <hirendition="#b">allein</hi> und <hirendition="#b">unvermiſcht</hi> an der gehoͤrigen Stelle ins Senſorium uͤber. Hieraus entſteht <hirendition="#b">deutliche Empfindung</hi> dieſes Punkts. Iſt hingegen das Bild undeutlich, ſo vereinigen ſich die Stralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtandes kommen, entweder ſchon vor, oder erſt hinter der Netzhaut, und bilden auf dieſer, anſtatt des Punktes, einen ganzen Kreis ab, der ſich uͤber mehrere Nervenſpitzen zugleich verbreitet. Auf dieſe Weiſe erhaͤlt jede Spitze vermiſchtes Licht aus mehrern Punkten des Gegenſtandes zugleich, weil ſie in mehrern ſolchen Kreiſen zugleich liegt. Jeder Nerve bringt daher <hirendition="#b">vermiſchte</hi> Empfindungen vieler neben einander liegender Punkte des Gegenſtandes mit ſich an einerley<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[12/0022]
in das Senſorium. Die Nerven ſelbſt gehen in eben derſelben Ordnung uͤber und neben einander fort, in welcher ihre Spitzen liegen. So erhaͤlt das Senſorium die Eindruͤcke in eben der Ordnung, in welcher die Lichtſtralen auf die Netzhaut fallen, und in der alſo die Theile des Bildes liegen. Die Ordnung der einfallenden Lichtſtralen beſtimmt daher nicht nur die Ordnung der Theile des Bildes, ſondern auch zugleich die Empfindung, welche-die Seele von der Ordnung der Gegenſtaͤnde und ihrer Theile erhaͤlt. Nothwendig muͤſſen alſo beyde uͤbereinſtimmen, nicht, weil die Seele das Bild ſieht, ſondern weil Stelle des Bildes, und Empfindung von der Stelle des Gegenſtandes, beyde durch einerley Urſache, nemlich durch die Stelle der Nervenſpitze, die das Licht empfaͤngt, beſtimmt werden. Hieraus wird die Uebereinſtimmung des Sehens mit dem Bilde in Abſicht auf Ordnung, Geſtalt, Groͤße und Bewegung ſehr leicht begreiflich.
Was die Deutlichkeit betrift, ſo entſteht dieſe beym Bilde daraus, daß Lichtſtralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtands auf die Pupille gekommen ſind, genau wieder in einerley Punkt der Netzhaut vereiniget werden. Geſchieht aber dieſes, ſo wird auch die Nervenſpitze, die ſich in dieſem Vereinigungspunkte befindet, von keinem andern Lichte getroffen, als blos von ſolchem, das aus dieſem Punkte des Gegenſtandes kam, und der Nerve, dem ſie zugehoͤrt, fuͤhrt nun die Empfindung dieſes Punkts allein und unvermiſcht an der gehoͤrigen Stelle ins Senſorium uͤber. Hieraus entſteht deutliche Empfindung dieſes Punkts. Iſt hingegen das Bild undeutlich, ſo vereinigen ſich die Stralen, die aus einerley Punkte des Gegenſtandes kommen, entweder ſchon vor, oder erſt hinter der Netzhaut, und bilden auf dieſer, anſtatt des Punktes, einen ganzen Kreis ab, der ſich uͤber mehrere Nervenſpitzen zugleich verbreitet. Auf dieſe Weiſe erhaͤlt jede Spitze vermiſchtes Licht aus mehrern Punkten des Gegenſtandes zugleich, weil ſie in mehrern ſolchen Kreiſen zugleich liegt. Jeder Nerve bringt daher vermiſchte Empfindungen vieler neben einander liegender Punkte des Gegenſtandes mit ſich an einerley
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/22>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.