Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Inzwischen erklärt doch Huygens sehr glücklich, wie eine Kreisbewegung Körper, die ihr nicht schnell genug folgen, nach dem Mittelpunkte treibe. Die bewegte Materie nemlich erhält eine Schwungkraft, die dem Quadrate ihrer Geschwindigkeit proportional ist; stößt sie nun an einen Körper, der sich langsamer bewegt und weniger Schwungkraft hat, so muß dieser ihrem Stoße weichen, und die Theile der schneller bewegten Materie nehmen nach einander seine Stelle ein, bis sie ihn ganz in den Mittelpunkt verdrängt haben. Huygens bestätigt dies durch folgenden Versuch. Er füllte ein cylindrisches Glas von 8--10 Zoll Durchmesser und 4 -- 5 Zoll Höhe mit Wasser, warf zerriebnes Siegellack hinein, verschloß es mit einem Deckel, und setzte es auf eine runde Scheibe, die er durch eine Maschine sehr schnell umdrehen konnte. Nachdem die Umdrehung eine Zeitlang gedauert hatte, und alle im Glase enthaltene Materie völlig in Umlauf versetzt war, hemmte er die Bewegung plötzlich. Das Wasser setzte den Umlauf noch eine Zeitlang fort, und trieb das Siegellack, das durch das Reiben am Glase seine Kreisbewegung verlohren hatte, von allen Seiten her gegen den Mittelpunkt des Bodens zu. Durch diesen Versuch, den Hamberger (Diss. de experimento ab Hugenio pro causa gravitatis explicanda invento. Jenae, 1723. 4.) genauer untersucht, wird die Entstehung einer Centripetalkraft aus der Kreisbewegung in flüßigen Mitteln ganz gut erläutert. Uebrigens schließt Huygens, da die Schwere 289 mal größer sey, als die Schwungkraft, die aus der täglichen Umdrehung im Aequator entsteht, so müsse sich die Geschwindigkeit des Umlaufs der schwermachenden Materie
Inzwiſchen erklaͤrt doch Huygens ſehr gluͤcklich, wie eine Kreisbewegung Koͤrper, die ihr nicht ſchnell genug folgen, nach dem Mittelpunkte treibe. Die bewegte Materie nemlich erhaͤlt eine Schwungkraft, die dem Quadrate ihrer Geſchwindigkeit proportional iſt; ſtoͤßt ſie nun an einen Koͤrper, der ſich langſamer bewegt und weniger Schwungkraft hat, ſo muß dieſer ihrem Stoße weichen, und die Theile der ſchneller bewegten Materie nehmen nach einander ſeine Stelle ein, bis ſie ihn ganz in den Mittelpunkt verdraͤngt haben. Huygens beſtaͤtigt dies durch folgenden Verſuch. Er fuͤllte ein cylindriſches Glas von 8—10 Zoll Durchmeſſer und 4 — 5 Zoll Hoͤhe mit Waſſer, warf zerriebnes Siegellack hinein, verſchloß es mit einem Deckel, und ſetzte es auf eine runde Scheibe, die er durch eine Maſchine ſehr ſchnell umdrehen konnte. Nachdem die Umdrehung eine Zeitlang gedauert hatte, und alle im Glaſe enthaltene Materie voͤllig in Umlauf verſetzt war, hemmte er die Bewegung ploͤtzlich. Das Waſſer ſetzte den Umlauf noch eine Zeitlang fort, und trieb das Siegellack, das durch das Reiben am Glaſe ſeine Kreisbewegung verlohren hatte, von allen Seiten her gegen den Mittelpunkt des Bodens zu. Durch dieſen Verſuch, den Hamberger (Diſſ. de experimento ab Hugenio pro cauſa gravitatis explicanda invento. Jenae, 1723. 4.) genauer unterſucht, wird die Entſtehung einer Centripetalkraft aus der Kreisbewegung in fluͤßigen Mitteln ganz gut erlaͤutert. Uebrigens ſchließt Huygens, da die Schwere 289 mal groͤßer ſey, als die Schwungkraft, die aus der taͤglichen Umdrehung im Aequator entſteht, ſo muͤſſe ſich die Geſchwindigkeit des Umlaufs der ſchwermachenden Materie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0903" xml:id="P.3.897" n="897"/><lb/> Koͤrper veranlaſſen, weil der Stoß nach jeder Richtung durch einen gleichen entgegengeſetzten aufgehoben wird; auch wuͤrde ſie die Koͤrper nach dem Durchſchnitte aller Axen der Kugelflaͤchen, d. i. nach dem Mittelpunkte der Erde, treiben. Aber man kan ſich eine Bewegung dieſer Art gar nicht als moͤglich vorſtellen, daher ſind ſelbſt die eifrigſten Carteſianer mit dieſer Verbeſſerung nicht zufrieden geweſen.</p> <p>Inzwiſchen erklaͤrt doch <hi rendition="#b">Huygens</hi> ſehr gluͤcklich, wie eine Kreisbewegung Koͤrper, die ihr nicht ſchnell genug folgen, nach dem Mittelpunkte treibe. Die bewegte Materie nemlich erhaͤlt eine Schwungkraft, die dem Quadrate ihrer Geſchwindigkeit proportional iſt; ſtoͤßt ſie nun an einen Koͤrper, der ſich langſamer bewegt und weniger Schwungkraft hat, ſo muß dieſer ihrem Stoße weichen, und die Theile der ſchneller bewegten Materie nehmen nach einander ſeine Stelle ein, bis ſie ihn ganz in den Mittelpunkt verdraͤngt haben. Huygens beſtaͤtigt dies durch folgenden Verſuch. Er fuͤllte ein cylindriſches Glas von 8—10 Zoll Durchmeſſer und 4 — 5 Zoll Hoͤhe mit Waſſer, warf zerriebnes Siegellack hinein, verſchloß es mit einem Deckel, und ſetzte es auf eine runde Scheibe, die er durch eine Maſchine ſehr ſchnell umdrehen konnte. Nachdem die Umdrehung eine Zeitlang gedauert hatte, und alle im Glaſe enthaltene Materie voͤllig in Umlauf verſetzt war, hemmte er die Bewegung ploͤtzlich. Das Waſſer ſetzte den Umlauf noch eine Zeitlang fort, und trieb das Siegellack, das durch das Reiben am Glaſe ſeine Kreisbewegung verlohren hatte, von allen Seiten her gegen den Mittelpunkt des Bodens zu. Durch dieſen Verſuch, den <hi rendition="#b">Hamberger</hi> <hi rendition="#aq">(Diſſ. de experimento ab <hi rendition="#i">Hugenio</hi> pro cauſa gravitatis explicanda invento. Jenae, 1723. 4.)</hi> genauer unterſucht, wird die Entſtehung einer Centripetalkraft aus der Kreisbewegung in fluͤßigen Mitteln ganz gut erlaͤutert. Uebrigens ſchließt <hi rendition="#b">Huygens,</hi> da die Schwere 289 mal groͤßer ſey, als die Schwungkraft, die aus der taͤglichen Umdrehung im Aequator entſteht, ſo muͤſſe ſich die Geſchwindigkeit des Umlaufs der ſchwermachenden Materie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [897/0903]
Koͤrper veranlaſſen, weil der Stoß nach jeder Richtung durch einen gleichen entgegengeſetzten aufgehoben wird; auch wuͤrde ſie die Koͤrper nach dem Durchſchnitte aller Axen der Kugelflaͤchen, d. i. nach dem Mittelpunkte der Erde, treiben. Aber man kan ſich eine Bewegung dieſer Art gar nicht als moͤglich vorſtellen, daher ſind ſelbſt die eifrigſten Carteſianer mit dieſer Verbeſſerung nicht zufrieden geweſen.
Inzwiſchen erklaͤrt doch Huygens ſehr gluͤcklich, wie eine Kreisbewegung Koͤrper, die ihr nicht ſchnell genug folgen, nach dem Mittelpunkte treibe. Die bewegte Materie nemlich erhaͤlt eine Schwungkraft, die dem Quadrate ihrer Geſchwindigkeit proportional iſt; ſtoͤßt ſie nun an einen Koͤrper, der ſich langſamer bewegt und weniger Schwungkraft hat, ſo muß dieſer ihrem Stoße weichen, und die Theile der ſchneller bewegten Materie nehmen nach einander ſeine Stelle ein, bis ſie ihn ganz in den Mittelpunkt verdraͤngt haben. Huygens beſtaͤtigt dies durch folgenden Verſuch. Er fuͤllte ein cylindriſches Glas von 8—10 Zoll Durchmeſſer und 4 — 5 Zoll Hoͤhe mit Waſſer, warf zerriebnes Siegellack hinein, verſchloß es mit einem Deckel, und ſetzte es auf eine runde Scheibe, die er durch eine Maſchine ſehr ſchnell umdrehen konnte. Nachdem die Umdrehung eine Zeitlang gedauert hatte, und alle im Glaſe enthaltene Materie voͤllig in Umlauf verſetzt war, hemmte er die Bewegung ploͤtzlich. Das Waſſer ſetzte den Umlauf noch eine Zeitlang fort, und trieb das Siegellack, das durch das Reiben am Glaſe ſeine Kreisbewegung verlohren hatte, von allen Seiten her gegen den Mittelpunkt des Bodens zu. Durch dieſen Verſuch, den Hamberger (Diſſ. de experimento ab Hugenio pro cauſa gravitatis explicanda invento. Jenae, 1723. 4.) genauer unterſucht, wird die Entſtehung einer Centripetalkraft aus der Kreisbewegung in fluͤßigen Mitteln ganz gut erlaͤutert. Uebrigens ſchließt Huygens, da die Schwere 289 mal groͤßer ſey, als die Schwungkraft, die aus der taͤglichen Umdrehung im Aequator entſteht, ſo muͤſſe ſich die Geſchwindigkeit des Umlaufs der ſchwermachenden Materie
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