Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Saturnsring

Annulu<*> Saturni, Anneau de Saturne. Diese besondere und in ihrer Art einzige Erscheinung besteht darinn, daß man den Saturn von einem dünnen flachen Ringe umgeben sieht, der nirgends mit der Kugel des Planeten zusammenhängt, und gegen die Ekliptik stark geneigt ist. Taf. XXI. Fig. 123. zeigt ohngefähr, wie sich dieses Phänomen zu der Zeit darstellt, wenn Saturn von der Erde aus in den Zeichen der Zwillinge und des Schützen gesehen wird. In den Zeichen der Jungfrau und der Fische verschwindet die Erscheinung, welches alle 15 Jahre einmal geschehen muß, weil Saturn in diesem Zeitraume gerade 180 Grad oder 6 Zeichen weit fortgeht, mithin allemal aus einem dieser Zeichen in das andere kömmt.

Ohne Fernröhre würde man hievon gar keine Kenntniß haben, weil der Ring viel zu klein ist, um vom bloßen Auge bemerkt zu werden. Aber schon 1610, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, bemerkte Galilei (Epistolae de iis, quae post edit. nuncii siderii ope perspicilli nova et admiranda in coelo deprehensa sunt, praemissae Dioptricae Kepleri. Aug. Vind. 1611. 4.) die wunderbare Gestalt des Saturns, die er dreyfach nennt (apparuit tergeminus vel tricorporeus, figura oblonga, ut utrique lateri duo comites adhaerere viderentur); weiler aber nachher, als der Ring verschwunden war, den Saturn völlig rund erblickte, verfolgte er diese Beobachtung nicht weiter. Gassendi sahe 1640 diese Erscheinung wieder. Noch mehr Beobachtungen hievon führt Riccioli (Almag. nov. p. 487. Astron. reformata L. X. cap. 9.) an; er selbst und Grimaldi sahen den Saturn gleichsam mit Henkeln versehen (ansis instructum). Hevel (Diss. de nativa Saturni facie. Gedan. 1656. fol.), der sich weit längerer Fernröhre bediente, beobachtete die ganze Erscheinung und ihre 15jährige periodische Abwechselung genauer, setzte auch verschiedene Phasen mit besondern Namen fest, ohne jedoch die Ursache derselben erklären zu können.

Endlich fand Huygens, der um das Jahr 1655 den Saturn mit Fernröhren von 12 bis 23 Fuß Länge betrachtete


Saturnsring

Annulu<*> Saturni, Anneau de Saturne. Dieſe beſondere und in ihrer Art einzige Erſcheinung beſteht darinn, daß man den Saturn von einem duͤnnen flachen Ringe umgeben ſieht, der nirgends mit der Kugel des Planeten zuſammenhaͤngt, und gegen die Ekliptik ſtark geneigt iſt. Taf. XXI. Fig. 123. zeigt ohngefaͤhr, wie ſich dieſes Phaͤnomen zu der Zeit darſtellt, wenn Saturn von der Erde aus in den Zeichen der Zwillinge und des Schuͤtzen geſehen wird. In den Zeichen der Jungfrau und der Fiſche verſchwindet die Erſcheinung, welches alle 15 Jahre einmal geſchehen muß, weil Saturn in dieſem Zeitraume gerade 180 Grad oder 6 Zeichen weit fortgeht, mithin allemal aus einem dieſer Zeichen in das andere koͤmmt.

Ohne Fernroͤhre wuͤrde man hievon gar keine Kenntniß haben, weil der Ring viel zu klein iſt, um vom bloßen Auge bemerkt zu werden. Aber ſchon 1610, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, bemerkte Galilei (Epiſtolae de iis, quae poſt edit. nuncii ſiderii ope perſpicilli nova et admiranda in coelo deprehenſa ſunt, praemiſſae Dioptricae Kepleri. Aug. Vind. 1611. 4.) die wunderbare Geſtalt des Saturns, die er dreyfach nennt (apparuit tergeminus vel tricorporeus, figura oblonga, ut utrique lateri duo comites adhaerere viderentur); weiler aber nachher, als der Ring verſchwunden war, den Saturn voͤllig rund erblickte, verfolgte er dieſe Beobachtung nicht weiter. Gaſſendi ſahe 1640 dieſe Erſcheinung wieder. Noch mehr Beobachtungen hievon fuͤhrt Riccioli (Almag. nov. p. 487. Aſtron. reformata L. X. cap. 9.) an; er ſelbſt und Grimaldi ſahen den Saturn gleichſam mit Henkeln verſehen (anſis inſtructum). Hevel (Diſſ. de nativa Saturni facie. Gedan. 1656. fol.), der ſich weit laͤngerer Fernroͤhre bediente, beobachtete die ganze Erſcheinung und ihre 15jaͤhrige periodiſche Abwechſelung genauer, ſetzte auch verſchiedene Phaſen mit beſondern Namen feſt, ohne jedoch die Urſache derſelben erklaͤren zu koͤnnen.

Endlich fand Huygens, der um das Jahr 1655 den Saturn mit Fernroͤhren von 12 bis 23 Fuß Laͤnge betrachtete

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0792" xml:id="P.3.786" n="786"/><lb/>
            </p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>Saturnsring</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Annulu&lt;*&gt; Saturni, <hi rendition="#i">Anneau de Saturne.</hi></hi> Die&#x017F;e be&#x017F;ondere und in ihrer Art einzige Er&#x017F;cheinung be&#x017F;teht darinn, daß man den Saturn von einem du&#x0364;nnen flachen Ringe umgeben &#x017F;ieht, der nirgends mit der Kugel des Planeten zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt, und gegen die Ekliptik &#x017F;tark geneigt i&#x017F;t. Taf. <hi rendition="#aq">XXI.</hi> Fig. 123. zeigt ohngefa&#x0364;hr, wie &#x017F;ich die&#x017F;es Pha&#x0364;nomen zu der Zeit dar&#x017F;tellt, wenn Saturn von der Erde aus in den Zeichen der Zwillinge und des Schu&#x0364;tzen ge&#x017F;ehen wird. In den Zeichen der Jungfrau und der Fi&#x017F;che ver&#x017F;chwindet die Er&#x017F;cheinung, welches alle 15 Jahre einmal ge&#x017F;chehen muß, weil Saturn in die&#x017F;em Zeitraume gerade 180 Grad oder 6 Zeichen weit fortgeht, mithin allemal aus einem die&#x017F;er Zeichen in das andere ko&#x0364;mmt.</p>
            <p>Ohne Fernro&#x0364;hre wu&#x0364;rde man hievon gar keine Kenntniß haben, weil der Ring viel zu klein i&#x017F;t, um vom bloßen Auge bemerkt zu werden. Aber &#x017F;chon 1610, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, bemerkte <hi rendition="#b">Galilei</hi> <hi rendition="#aq">(Epi&#x017F;tolae de iis, quae po&#x017F;t edit. nuncii &#x017F;iderii ope per&#x017F;picilli nova et admiranda in coelo deprehen&#x017F;a &#x017F;unt, praemi&#x017F;&#x017F;ae Dioptricae <hi rendition="#i">Kepleri.</hi> Aug. Vind. 1611. 4.)</hi> die wunderbare Ge&#x017F;talt des Saturns, die er <hi rendition="#b">dreyfach</hi> nennt <hi rendition="#aq">(apparuit <hi rendition="#i">tergeminus</hi> vel <hi rendition="#i">tricorporeus,</hi> figura oblonga, ut utrique lateri duo comites adhaerere viderentur);</hi> weiler aber nachher, als der Ring ver&#x017F;chwunden war, den Saturn vo&#x0364;llig rund erblickte, verfolgte er die&#x017F;e Beobachtung nicht weiter. <hi rendition="#b">Ga&#x017F;&#x017F;endi</hi> &#x017F;ahe 1640 die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung wieder. Noch mehr Beobachtungen hievon fu&#x0364;hrt <hi rendition="#b">Riccioli</hi> <hi rendition="#aq">(Almag. nov. p. 487. A&#x017F;tron. reformata L. X. cap. 9.)</hi> an; er &#x017F;elb&#x017F;t und <hi rendition="#b">Grimaldi</hi> &#x017F;ahen den Saturn gleich&#x017F;am mit Henkeln ver&#x017F;ehen <hi rendition="#aq">(an&#x017F;is in&#x017F;tructum).</hi> <hi rendition="#b">Hevel</hi> <hi rendition="#aq">(Di&#x017F;&#x017F;. de nativa Saturni facie. Gedan. 1656. fol.),</hi> der &#x017F;ich weit la&#x0364;ngerer Fernro&#x0364;hre bediente, beobachtete die ganze Er&#x017F;cheinung und ihre 15ja&#x0364;hrige periodi&#x017F;che Abwech&#x017F;elung genauer, &#x017F;etzte auch ver&#x017F;chiedene Pha&#x017F;en mit be&#x017F;ondern Namen fe&#x017F;t, ohne jedoch die Ur&#x017F;ache der&#x017F;elben erkla&#x0364;ren zu ko&#x0364;nnen.</p>
            <p>Endlich fand <hi rendition="#b">Huygens,</hi> der um das Jahr 1655 den Saturn mit Fernro&#x0364;hren von 12 bis 23 Fuß La&#x0364;nge betrachtete<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[786/0792] Saturnsring Annulu<*> Saturni, Anneau de Saturne. Dieſe beſondere und in ihrer Art einzige Erſcheinung beſteht darinn, daß man den Saturn von einem duͤnnen flachen Ringe umgeben ſieht, der nirgends mit der Kugel des Planeten zuſammenhaͤngt, und gegen die Ekliptik ſtark geneigt iſt. Taf. XXI. Fig. 123. zeigt ohngefaͤhr, wie ſich dieſes Phaͤnomen zu der Zeit darſtellt, wenn Saturn von der Erde aus in den Zeichen der Zwillinge und des Schuͤtzen geſehen wird. In den Zeichen der Jungfrau und der Fiſche verſchwindet die Erſcheinung, welches alle 15 Jahre einmal geſchehen muß, weil Saturn in dieſem Zeitraume gerade 180 Grad oder 6 Zeichen weit fortgeht, mithin allemal aus einem dieſer Zeichen in das andere koͤmmt. Ohne Fernroͤhre wuͤrde man hievon gar keine Kenntniß haben, weil der Ring viel zu klein iſt, um vom bloßen Auge bemerkt zu werden. Aber ſchon 1610, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, bemerkte Galilei (Epiſtolae de iis, quae poſt edit. nuncii ſiderii ope perſpicilli nova et admiranda in coelo deprehenſa ſunt, praemiſſae Dioptricae Kepleri. Aug. Vind. 1611. 4.) die wunderbare Geſtalt des Saturns, die er dreyfach nennt (apparuit tergeminus vel tricorporeus, figura oblonga, ut utrique lateri duo comites adhaerere viderentur); weiler aber nachher, als der Ring verſchwunden war, den Saturn voͤllig rund erblickte, verfolgte er dieſe Beobachtung nicht weiter. Gaſſendi ſahe 1640 dieſe Erſcheinung wieder. Noch mehr Beobachtungen hievon fuͤhrt Riccioli (Almag. nov. p. 487. Aſtron. reformata L. X. cap. 9.) an; er ſelbſt und Grimaldi ſahen den Saturn gleichſam mit Henkeln verſehen (anſis inſtructum). Hevel (Diſſ. de nativa Saturni facie. Gedan. 1656. fol.), der ſich weit laͤngerer Fernroͤhre bediente, beobachtete die ganze Erſcheinung und ihre 15jaͤhrige periodiſche Abwechſelung genauer, ſetzte auch verſchiedene Phaſen mit beſondern Namen feſt, ohne jedoch die Urſache derſelben erklaͤren zu koͤnnen. Endlich fand Huygens, der um das Jahr 1655 den Saturn mit Fernroͤhren von 12 bis 23 Fuß Laͤnge betrachtete

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/792
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/792>, abgerufen am 26.11.2024.