Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


den Abhandlungen der königlichen Societät zu Edinburgh vorgetragen hat. Der Grundsatz dieser Theorie ist: daß, wenn sich zwo Luftmassen von verschiedenen Temperaturen mit einander mischen, die Feuchtigkeit der neuen Masse größer sey, als das Mittel zwischen den Feuchtigkeiten der beyden einzelnen Massen; oder, was eben so viel ist, daß die Ausdünstung in einem größern Verhältnisse zunehme, als die Wärme. Hieraus erklärt D Hutton zuerst die Erscheinung des Athems der Thiere und des Dampfs von siedendem Wasser, welche beyde nur in kälterer Luft sichtbar werden; und dann die Erfahrung von Maupertuis, da die äußere Lust in Torneä, wenn er die Thür öfnete, die heißen Dünste des Zimmers sogleich in einen dicken wirbelnden Schnee verwandelte. Diesem System zufolge entsteht bey jeder Vermischung von Luft unter verschiedenen Tempetaturen ein Niederschlag, welche Ursache Hutton für hinreichend hält, um alle Phänomene des Regens zu erklären. De Lüc zeigt aber sehr gründlich, daß diese Ursache bey einer nicht völlig gesättigten Luft, nur eine augenblickliche Präcipitation, oder die Entstehung von Wolkeln und Nebeln erkläre, welche sogleich wieder verdünsten müßten, wenn das Gleichgewicht in der Temperatur der Mischung hergestellt wäre, eben so wie der Hauch, der Dampf des kochenden Wassers, und die Schneewirbel in der Thüre des Zimmers svgleich wieder verdünsten und unsichtbar werden.

Herr de Lüc selbst ist durch zahlreiche Beobachtungen und wiederholtes Nachdenken auf eine andere Erklärung der Wolken und des Regens geleitet worden, welche der Meteorologie ganz neue Aussichten eröfnet. Er glaubt nemlich, daß das ausgedünstete Wasser nicht in der Luft aufgelöset, sondern vielmehr in eine eigne Luftgattung verwandelt, oder in Luftgestalt mit der Atmosphäre vermischt werde. In dieser Gestalt bleibe es oft lange Zeit verborgen, ohne die Heiterkeit des Himmels zu trüben oder aufs Hygrometer zu wirken. Es vermehre aber die Masse, mithin auch den Druck des Luftkreises, und verursache daher, so lang die heitere Witterung daure, den hohen Stand des Barometers. Endlich aber erhalte diese Luftgattung durch den Einfluß irgend einer


den Abhandlungen der koͤniglichen Societaͤt zu Edinburgh vorgetragen hat. Der Grundſatz dieſer Theorie iſt: daß, wenn ſich zwo Luftmaſſen von verſchiedenen Temperaturen mit einander miſchen, die Feuchtigkeit der neuen Maſſe groͤßer ſey, als das Mittel zwiſchen den Feuchtigkeiten der beyden einzelnen Maſſen; oder, was eben ſo viel iſt, daß die Ausduͤnſtung in einem groͤßern Verhaͤltniſſe zunehme, als die Waͤrme. Hieraus erklaͤrt D Hutton zuerſt die Erſcheinung des Athems der Thiere und des Dampfs von ſiedendem Waſſer, welche beyde nur in kaͤlterer Luft ſichtbar werden; und dann die Erfahrung von Maupertuis, da die aͤußere Luſt in Torneaͤ, wenn er die Thuͤr oͤfnete, die heißen Duͤnſte des Zimmers ſogleich in einen dicken wirbelnden Schnee verwandelte. Dieſem Syſtem zufolge entſteht bey jeder Vermiſchung von Luft unter verſchiedenen Tempetaturen ein Niederſchlag, welche Urſache Hutton fuͤr hinreichend haͤlt, um alle Phaͤnomene des Regens zu erklaͤren. De Luͤc zeigt aber ſehr gruͤndlich, daß dieſe Urſache bey einer nicht voͤllig geſaͤttigten Luft, nur eine augenblickliche Praͤcipitation, oder die Entſtehung von Wolkeln und Nebeln erklaͤre, welche ſogleich wieder verduͤnſten muͤßten, wenn das Gleichgewicht in der Temperatur der Miſchung hergeſtellt waͤre, eben ſo wie der Hauch, der Dampf des kochenden Waſſers, und die Schneewirbel in der Thuͤre des Zimmers ſvgleich wieder verduͤnſten und unſichtbar werden.

Herr de Luͤc ſelbſt iſt durch zahlreiche Beobachtungen und wiederholtes Nachdenken auf eine andere Erklaͤrung der Wolken und des Regens geleitet worden, welche der Meteorologie ganz neue Ausſichten eroͤfnet. Er glaubt nemlich, daß das ausgeduͤnſtete Waſſer nicht in der Luft aufgeloͤſet, ſondern vielmehr in eine eigne Luftgattung verwandelt, oder in Luftgeſtalt mit der Atmoſphaͤre vermiſcht werde. In dieſer Geſtalt bleibe es oft lange Zeit verborgen, ohne die Heiterkeit des Himmels zu truͤben oder aufs Hygrometer zu wirken. Es vermehre aber die Maſſe, mithin auch den Druck des Luftkreiſes, und verurſache daher, ſo lang die heitere Witterung daure, den hohen Stand des Barometers. Endlich aber erhalte dieſe Luftgattung durch den Einfluß irgend einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0665" xml:id="P.3.659" n="659"/><lb/>
den Abhandlungen der ko&#x0364;niglichen Societa&#x0364;t zu Edinburgh vorgetragen hat. Der Grund&#x017F;atz die&#x017F;er Theorie i&#x017F;t: daß, wenn &#x017F;ich zwo Luftma&#x017F;&#x017F;en von ver&#x017F;chiedenen Temperaturen mit einander mi&#x017F;chen, die <hi rendition="#b">Feuchtigkeit</hi> der neuen Ma&#x017F;&#x017F;e gro&#x0364;ßer &#x017F;ey, als das Mittel zwi&#x017F;chen den Feuchtigkeiten der beyden einzelnen Ma&#x017F;&#x017F;en; oder, was eben &#x017F;o viel i&#x017F;t, daß die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung in einem gro&#x0364;ßern Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zunehme, als die Wa&#x0364;rme. Hieraus erkla&#x0364;rt <hi rendition="#b">D Hutton</hi> zuer&#x017F;t die Er&#x017F;cheinung des Athems der Thiere und des Dampfs von &#x017F;iedendem Wa&#x017F;&#x017F;er, welche beyde nur in ka&#x0364;lterer Luft &#x017F;ichtbar werden; und dann die Erfahrung von <hi rendition="#b">Maupertuis,</hi> da die a&#x0364;ußere Lu&#x017F;t in Tornea&#x0364;, wenn er die Thu&#x0364;r o&#x0364;fnete, die heißen Du&#x0364;n&#x017F;te des Zimmers &#x017F;ogleich in einen dicken wirbelnden Schnee verwandelte. Die&#x017F;em Sy&#x017F;tem zufolge ent&#x017F;teht bey jeder Vermi&#x017F;chung von Luft unter ver&#x017F;chiedenen Tempetaturen ein Nieder&#x017F;chlag, welche Ur&#x017F;ache <hi rendition="#b">Hutton</hi> fu&#x0364;r hinreichend ha&#x0364;lt, um alle Pha&#x0364;nomene des Regens zu erkla&#x0364;ren. <hi rendition="#b">De Lu&#x0364;c</hi> zeigt aber &#x017F;ehr gru&#x0364;ndlich, daß die&#x017F;e Ur&#x017F;ache bey einer nicht vo&#x0364;llig ge&#x017F;a&#x0364;ttigten Luft, nur eine augenblickliche Pra&#x0364;cipitation, oder die Ent&#x017F;tehung von Wolkeln und Nebeln erkla&#x0364;re, welche &#x017F;ogleich wieder verdu&#x0364;n&#x017F;ten mu&#x0364;ßten, wenn das Gleichgewicht in der Temperatur der Mi&#x017F;chung herge&#x017F;tellt wa&#x0364;re, eben &#x017F;o wie der Hauch, der Dampf des kochenden Wa&#x017F;&#x017F;ers, und die Schneewirbel in der Thu&#x0364;re des Zimmers &#x017F;vgleich wieder verdu&#x0364;n&#x017F;ten und un&#x017F;ichtbar werden.</p>
            <p>Herr <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t durch zahlreiche Beobachtungen und wiederholtes Nachdenken auf eine andere Erkla&#x0364;rung der Wolken und des Regens geleitet worden, welche der Meteorologie ganz neue Aus&#x017F;ichten ero&#x0364;fnet. Er glaubt nemlich, daß das <hi rendition="#b">ausgedu&#x0364;n&#x017F;tete Wa&#x017F;&#x017F;er</hi> nicht in der Luft aufgelo&#x0364;&#x017F;et, &#x017F;ondern vielmehr in eine eigne <hi rendition="#b">Luftgattung</hi> verwandelt, oder in Luftge&#x017F;talt mit der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re vermi&#x017F;cht werde. In die&#x017F;er Ge&#x017F;talt bleibe es oft lange Zeit verborgen, ohne die Heiterkeit des Himmels zu tru&#x0364;ben oder aufs Hygrometer zu wirken. Es vermehre aber die Ma&#x017F;&#x017F;e, mithin auch den Druck des Luftkrei&#x017F;es, und verur&#x017F;ache daher, &#x017F;o lang die heitere Witterung daure, den hohen Stand des Barometers. Endlich aber erhalte die&#x017F;e Luftgattung durch den Einfluß irgend einer<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[659/0665] den Abhandlungen der koͤniglichen Societaͤt zu Edinburgh vorgetragen hat. Der Grundſatz dieſer Theorie iſt: daß, wenn ſich zwo Luftmaſſen von verſchiedenen Temperaturen mit einander miſchen, die Feuchtigkeit der neuen Maſſe groͤßer ſey, als das Mittel zwiſchen den Feuchtigkeiten der beyden einzelnen Maſſen; oder, was eben ſo viel iſt, daß die Ausduͤnſtung in einem groͤßern Verhaͤltniſſe zunehme, als die Waͤrme. Hieraus erklaͤrt D Hutton zuerſt die Erſcheinung des Athems der Thiere und des Dampfs von ſiedendem Waſſer, welche beyde nur in kaͤlterer Luft ſichtbar werden; und dann die Erfahrung von Maupertuis, da die aͤußere Luſt in Torneaͤ, wenn er die Thuͤr oͤfnete, die heißen Duͤnſte des Zimmers ſogleich in einen dicken wirbelnden Schnee verwandelte. Dieſem Syſtem zufolge entſteht bey jeder Vermiſchung von Luft unter verſchiedenen Tempetaturen ein Niederſchlag, welche Urſache Hutton fuͤr hinreichend haͤlt, um alle Phaͤnomene des Regens zu erklaͤren. De Luͤc zeigt aber ſehr gruͤndlich, daß dieſe Urſache bey einer nicht voͤllig geſaͤttigten Luft, nur eine augenblickliche Praͤcipitation, oder die Entſtehung von Wolkeln und Nebeln erklaͤre, welche ſogleich wieder verduͤnſten muͤßten, wenn das Gleichgewicht in der Temperatur der Miſchung hergeſtellt waͤre, eben ſo wie der Hauch, der Dampf des kochenden Waſſers, und die Schneewirbel in der Thuͤre des Zimmers ſvgleich wieder verduͤnſten und unſichtbar werden. Herr de Luͤc ſelbſt iſt durch zahlreiche Beobachtungen und wiederholtes Nachdenken auf eine andere Erklaͤrung der Wolken und des Regens geleitet worden, welche der Meteorologie ganz neue Ausſichten eroͤfnet. Er glaubt nemlich, daß das ausgeduͤnſtete Waſſer nicht in der Luft aufgeloͤſet, ſondern vielmehr in eine eigne Luftgattung verwandelt, oder in Luftgeſtalt mit der Atmoſphaͤre vermiſcht werde. In dieſer Geſtalt bleibe es oft lange Zeit verborgen, ohne die Heiterkeit des Himmels zu truͤben oder aufs Hygrometer zu wirken. Es vermehre aber die Maſſe, mithin auch den Druck des Luftkreiſes, und verurſache daher, ſo lang die heitere Witterung daure, den hohen Stand des Barometers. Endlich aber erhalte dieſe Luftgattung durch den Einfluß irgend einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/665
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/665>, abgerufen am 22.11.2024.