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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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que corporibus omnibus competunt, in quibus experimenta instituere licet, pro qualitatibus corporum universorum habendae sunt -- Attamen Gravitatem corporibus essentialem esse, minime assirmo -- Gravitas recedendo a terra diminuitur. Princip. L. III. Regula philof. 4.).
Auch wird die Ausdehnung selbst Größe, so bäld man sie begrenzt denkt; mithin bleiben außer der Undurchdringlichkeit, Härte, Theilbarkeit und Trägheit weiter keine Beschaffenheiten der Körper übrig, bey denen es nicht auf Begriffe von Mehrerm und Mindern, von gewissen Stufen und Grenzen, ankäme. Man darf nur statt Beschaffenheiten das Wort: Phänomene setzen, um dies noch deutlicher zu übersehen. Wie arm an nützlichen Wahrheiten würde eine Wissenschaft seyn, die sich nach Absonderung aller Betrachtungen der Größe blos mit Erklärungen aus diesen Qualitäten beschäftigte? Ich glaube daher nicht, daß dieses Entgegensetzen der Qualität und Quantität bey einer guten Classification der Naturwissenschaften könne zum Grunde gelegt werden. Das Eigenthümliche der Physik besteht vielmehr in Erklärung der Phänomene, entweder aus ihren Ursachen, oder wo dies nicht angeht, wenigstens aus allgemeinern Phänomenen, oder Naturgesetzen, zu welchen die Eigenschaften der Körper selbst mit gehören. Solcher Erklärungen aber lassen sich ohne Betrachtung der Größe ungemein wenige geben.

Die scholastisch - aristotelische Physik, die überhaupt großentheils in dunkler Terminologie bestand, trieb mit dem Worte Qualitäten einen ungemeinen Mißbrauch. Wenn man von einem Phänomen oder von einer Classe derselben keine weitere Ursache angeben konnte, so legte man den Körpern, die diese Phänomene zeigten, eine besondere Kraft oder Eigenschaft bey, für die man balo einen Namen fand, und aus der man nun die Erscheinungen, wie Wirkungen aus ihrer Ursache, zu erklären glaubte. So entstand eine Menge Namen von Eigenschaften der Körper, welche in mehrere Classen abgetheilt wurden, worunter immer eine wiederum Ursache der andern seyn sollte. Wärme und Kälte z. B. wurden als erste Qualitäten angesehen,


que corporibus omnibus competunt, in quibus experimenta inſtituere licet, pro qualitatibus corporum univerſorum habendae ſunt — Attamen Gravitatem corporibus eſſentialem eſſe, minime aſſirmo — Gravitas recedendo a terra diminuitur. Princip. L. III. Regula philof. 4.).
Auch wird die Ausdehnung ſelbſt Groͤße, ſo baͤld man ſie begrenzt denkt; mithin bleiben außer der Undurchdringlichkeit, Haͤrte, Theilbarkeit und Traͤgheit weiter keine Beſchaffenheiten der Koͤrper uͤbrig, bey denen es nicht auf Begriffe von Mehrerm und Mindern, von gewiſſen Stufen und Grenzen, ankaͤme. Man darf nur ſtatt Beſchaffenheiten das Wort: Phaͤnomene ſetzen, um dies noch deutlicher zu uͤberſehen. Wie arm an nuͤtzlichen Wahrheiten wuͤrde eine Wiſſenſchaft ſeyn, die ſich nach Abſonderung aller Betrachtungen der Groͤße blos mit Erklaͤrungen aus dieſen Qualitaͤten beſchaͤftigte? Ich glaube daher nicht, daß dieſes Entgegenſetzen der Qualitaͤt und Quantitaͤt bey einer guten Claſſification der Naturwiſſenſchaften koͤnne zum Grunde gelegt werden. Das Eigenthuͤmliche der Phyſik beſteht vielmehr in Erklaͤrung der Phaͤnomene, entweder aus ihren Urſachen, oder wo dies nicht angeht, wenigſtens aus allgemeinern Phaͤnomenen, oder Naturgeſetzen, zu welchen die Eigenſchaften der Koͤrper ſelbſt mit gehoͤren. Solcher Erklaͤrungen aber laſſen ſich ohne Betrachtung der Groͤße ungemein wenige geben.

Die ſcholaſtiſch - ariſtoteliſche Phyſik, die uͤberhaupt großentheils in dunkler Terminologie beſtand, trieb mit dem Worte Qualitaͤten einen ungemeinen Mißbrauch. Wenn man von einem Phaͤnomen oder von einer Claſſe derſelben keine weitere Urſache angeben konnte, ſo legte man den Koͤrpern, die dieſe Phaͤnomene zeigten, eine beſondere Kraft oder Eigenſchaft bey, fuͤr die man balo einen Namen fand, und aus der man nun die Erſcheinungen, wie Wirkungen aus ihrer Urſache, zu erklaͤren glaubte. So entſtand eine Menge Namen von Eigenſchaften der Koͤrper, welche in mehrere Claſſen abgetheilt wurden, worunter immer eine wiederum Urſache der andern ſeyn ſollte. Waͤrme und Kaͤlte z. B. wurden als erſte Qualitaͤten angeſehen,

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[592/0598] que corporibus omnibus competunt, in quibus experimenta inſtituere licet, pro qualitatibus corporum univerſorum habendae ſunt — Attamen Gravitatem corporibus eſſentialem eſſe, minime aſſirmo — Gravitas recedendo a terra diminuitur. Princip. L. III. Regula philof. 4.). Auch wird die Ausdehnung ſelbſt Groͤße, ſo baͤld man ſie begrenzt denkt; mithin bleiben außer der Undurchdringlichkeit, Haͤrte, Theilbarkeit und Traͤgheit weiter keine Beſchaffenheiten der Koͤrper uͤbrig, bey denen es nicht auf Begriffe von Mehrerm und Mindern, von gewiſſen Stufen und Grenzen, ankaͤme. Man darf nur ſtatt Beſchaffenheiten das Wort: Phaͤnomene ſetzen, um dies noch deutlicher zu uͤberſehen. Wie arm an nuͤtzlichen Wahrheiten wuͤrde eine Wiſſenſchaft ſeyn, die ſich nach Abſonderung aller Betrachtungen der Groͤße blos mit Erklaͤrungen aus dieſen Qualitaͤten beſchaͤftigte? Ich glaube daher nicht, daß dieſes Entgegenſetzen der Qualitaͤt und Quantitaͤt bey einer guten Claſſification der Naturwiſſenſchaften koͤnne zum Grunde gelegt werden. Das Eigenthuͤmliche der Phyſik beſteht vielmehr in Erklaͤrung der Phaͤnomene, entweder aus ihren Urſachen, oder wo dies nicht angeht, wenigſtens aus allgemeinern Phaͤnomenen, oder Naturgeſetzen, zu welchen die Eigenſchaften der Koͤrper ſelbſt mit gehoͤren. Solcher Erklaͤrungen aber laſſen ſich ohne Betrachtung der Groͤße ungemein wenige geben. Die ſcholaſtiſch - ariſtoteliſche Phyſik, die uͤberhaupt großentheils in dunkler Terminologie beſtand, trieb mit dem Worte Qualitaͤten einen ungemeinen Mißbrauch. Wenn man von einem Phaͤnomen oder von einer Claſſe derſelben keine weitere Urſache angeben konnte, ſo legte man den Koͤrpern, die dieſe Phaͤnomene zeigten, eine beſondere Kraft oder Eigenſchaft bey, fuͤr die man balo einen Namen fand, und aus der man nun die Erſcheinungen, wie Wirkungen aus ihrer Urſache, zu erklaͤren glaubte. So entſtand eine Menge Namen von Eigenſchaften der Koͤrper, welche in mehrere Claſſen abgetheilt wurden, worunter immer eine wiederum Urſache der andern ſeyn ſollte. Waͤrme und Kaͤlte z. B. wurden als erſte Qualitaͤten angeſehen,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/598>, abgerufen am 22.11.2024.