freyung vom säuregebenden Grundstoffe u. s. f. Dieses säuremachende Princip verbindet sich in jedem phlogistischen Processe mit dem Rückbleibsel des zersetzten Körpers, und bildet damit eine neue Zusammensetzung, z. B. mit dem Kohlenstoffe Luftsäure, mit den Metallen metallische Kalke, mit dem Schwefel Vitriolsäure, mit dem Phosphorus Phosphorsäure u. s. w. Die Reductionen hingegen erfolgen durch die Entziehung des Princips der Säuren, welches sich wieder mit dem dabey gebrauchten Wärmestof verbindet, und aufs neue eine dephlogistisirte Luft oder ein anderes Gas bildet, u. s. f. So werden die Erklärungen dieses Systems gerade die Umgekehrten von den gewöhnlichen, und nun kan es nicht mehr befremden, wenn man die Kalke schwerer, als das verkalkte Metall, die entstandne Vitriol- und Phosphorsäure schwerer, als den dazu gebrauchten Schwefel und Phosphorus 2c. findet, weil die Operationen der Verkalkung und Verbrennung nicht als Entziehungen des Brennbaren, sondern als Hinzukommen des Principe oxygens betrachtet werden. Es entsteht hieraus eine ganz neue Theorie, in welcher viele Körper als Zusammensetzungen betrachtet werden, die man gewöhnlich für Bestandtheile anderer annimmt, z. B. die Metallkalke sind aus Metall und Grundstof der Säure zusammengesetzt, statt daß man sonst die Metalle aus den metallischen Erden und dem Phlogiston bestehen läßt.
In Frankreich, wo schon Buffon(Supplem. de l'histoire natur. T. II. p. 61. edit. in 12mo.) das Phlogiston für ein bloßes Wesen der Systeme erklärt hatte, fand dieses antiphlogistische System ungemeinen Beyfall, und noch jetzt sind ihm viele der berühmtesten Chymisten zugethan. Es ist auch nicht zu läugnen, daß die Erklärungen dabey sehr einfach und leicht ausfallen, und daß es den besten Regeln gemäß ist, einen blos angenommenen Stof wieder zu verwerfen, sobald sich die Phänomene auch ohne ihn erklären lassen. Allein was gewinnt man wohl durch Verwerfung des Phlogistons, wenn man an dessen Stelle ein entgegengesetztes säureerzeugendes Principium einführt,
freyung vom ſaͤuregebenden Grundſtoffe u. ſ. f. Dieſes ſaͤuremachende Princip verbindet ſich in jedem phlogiſtiſchen Proceſſe mit dem Ruͤckbleibſel des zerſetzten Koͤrpers, und bildet damit eine neue Zuſammenſetzung, z. B. mit dem Kohlenſtoffe Luftſaͤure, mit den Metallen metalliſche Kalke, mit dem Schwefel Vitriolſaͤure, mit dem Phosphorus Phosphorſaͤure u. ſ. w. Die Reductionen hingegen erfolgen durch die Entziehung des Princips der Saͤuren, welches ſich wieder mit dem dabey gebrauchten Waͤrmeſtof verbindet, und aufs neue eine dephlogiſtiſirte Luft oder ein anderes Gas bildet, u. ſ. f. So werden die Erklaͤrungen dieſes Syſtems gerade die Umgekehrten von den gewoͤhnlichen, und nun kan es nicht mehr befremden, wenn man die Kalke ſchwerer, als das verkalkte Metall, die entſtandne Vitriol- und Phosphorſaͤure ſchwerer, als den dazu gebrauchten Schwefel und Phosphorus 2c. findet, weil die Operationen der Verkalkung und Verbrennung nicht als Entziehungen des Brennbaren, ſondern als Hinzukommen des Principe oxygèns betrachtet werden. Es entſteht hieraus eine ganz neue Theorie, in welcher viele Koͤrper als Zuſammenſetzungen betrachtet werden, die man gewoͤhnlich fuͤr Beſtandtheile anderer annimmt, z. B. die Metallkalke ſind aus Metall und Grundſtof der Saͤure zuſammengeſetzt, ſtatt daß man ſonſt die Metalle aus den metalliſchen Erden und dem Phlogiſton beſtehen laͤßt.
In Frankreich, wo ſchon Buffon(Supplem. de l'hiſtoire natur. T. II. p. 61. edit. in 12mo.) das Phlogiſton fuͤr ein bloßes Weſen der Syſteme erklaͤrt hatte, fand dieſes antiphlogiſtiſche Syſtem ungemeinen Beyfall, und noch jetzt ſind ihm viele der beruͤhmteſten Chymiſten zugethan. Es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß die Erklaͤrungen dabey ſehr einfach und leicht ausfallen, und daß es den beſten Regeln gemaͤß iſt, einen blos angenommenen Stof wieder zu verwerfen, ſobald ſich die Phaͤnomene auch ohne ihn erklaͤren laſſen. Allein was gewinnt man wohl durch Verwerfung des Phlogiſtons, wenn man an deſſen Stelle ein entgegengeſetztes ſaͤureerzeugendes Principium einfuͤhrt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0475"xml:id="P.3.469"n="469"/><lb/>
freyung vom ſaͤuregebenden Grundſtoffe u. ſ. f. Dieſes ſaͤuremachende Princip verbindet ſich in jedem phlogiſtiſchen Proceſſe mit dem Ruͤckbleibſel des zerſetzten Koͤrpers, und bildet damit eine neue Zuſammenſetzung, z. B. mit dem Kohlenſtoffe Luftſaͤure, mit den Metallen metalliſche Kalke, mit dem Schwefel Vitriolſaͤure, mit dem Phosphorus Phosphorſaͤure u. ſ. w. Die Reductionen hingegen erfolgen durch die Entziehung des Princips der Saͤuren, welches ſich wieder mit dem dabey gebrauchten Waͤrmeſtof verbindet, und aufs neue eine dephlogiſtiſirte Luft oder ein anderes Gas bildet, u. ſ. f. So werden die Erklaͤrungen dieſes Syſtems gerade die Umgekehrten von den gewoͤhnlichen, und nun kan es nicht mehr befremden, wenn man die Kalke ſchwerer, als das verkalkte Metall, die entſtandne Vitriol- und Phosphorſaͤure ſchwerer, als den dazu gebrauchten Schwefel und Phosphorus 2c. findet, weil die Operationen der Verkalkung und Verbrennung nicht als Entziehungen des Brennbaren, ſondern als Hinzukommen des <hirendition="#i"><hirendition="#aq">Principe oxygèns</hi></hi> betrachtet werden. Es entſteht hieraus eine ganz neue Theorie, in welcher viele Koͤrper als Zuſammenſetzungen betrachtet werden, die man gewoͤhnlich fuͤr Beſtandtheile anderer annimmt, z. B. die Metallkalke ſind aus Metall und Grundſtof der Saͤure zuſammengeſetzt, ſtatt daß man ſonſt die Metalle aus den metalliſchen Erden und dem Phlogiſton beſtehen laͤßt.</p><p>In Frankreich, wo ſchon <hirendition="#b">Buffon</hi><hirendition="#aq">(Supplem. de l'hiſtoire natur. T. II. p. 61. edit. in 12mo.)</hi> das Phlogiſton fuͤr ein bloßes Weſen der Syſteme erklaͤrt hatte, fand dieſes antiphlogiſtiſche Syſtem ungemeinen Beyfall, und noch jetzt ſind ihm viele der beruͤhmteſten Chymiſten zugethan. Es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß die Erklaͤrungen dabey ſehr einfach und leicht ausfallen, und daß es den beſten Regeln gemaͤß iſt, einen blos angenommenen Stof wieder zu verwerfen, ſobald ſich die Phaͤnomene auch ohne ihn erklaͤren laſſen. Allein was gewinnt man wohl durch Verwerfung des Phlogiſtons, wenn man an deſſen Stelle ein entgegengeſetztes ſaͤureerzeugendes Principium einfuͤhrt,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[469/0475]
freyung vom ſaͤuregebenden Grundſtoffe u. ſ. f. Dieſes ſaͤuremachende Princip verbindet ſich in jedem phlogiſtiſchen Proceſſe mit dem Ruͤckbleibſel des zerſetzten Koͤrpers, und bildet damit eine neue Zuſammenſetzung, z. B. mit dem Kohlenſtoffe Luftſaͤure, mit den Metallen metalliſche Kalke, mit dem Schwefel Vitriolſaͤure, mit dem Phosphorus Phosphorſaͤure u. ſ. w. Die Reductionen hingegen erfolgen durch die Entziehung des Princips der Saͤuren, welches ſich wieder mit dem dabey gebrauchten Waͤrmeſtof verbindet, und aufs neue eine dephlogiſtiſirte Luft oder ein anderes Gas bildet, u. ſ. f. So werden die Erklaͤrungen dieſes Syſtems gerade die Umgekehrten von den gewoͤhnlichen, und nun kan es nicht mehr befremden, wenn man die Kalke ſchwerer, als das verkalkte Metall, die entſtandne Vitriol- und Phosphorſaͤure ſchwerer, als den dazu gebrauchten Schwefel und Phosphorus 2c. findet, weil die Operationen der Verkalkung und Verbrennung nicht als Entziehungen des Brennbaren, ſondern als Hinzukommen des Principe oxygèns betrachtet werden. Es entſteht hieraus eine ganz neue Theorie, in welcher viele Koͤrper als Zuſammenſetzungen betrachtet werden, die man gewoͤhnlich fuͤr Beſtandtheile anderer annimmt, z. B. die Metallkalke ſind aus Metall und Grundſtof der Saͤure zuſammengeſetzt, ſtatt daß man ſonſt die Metalle aus den metalliſchen Erden und dem Phlogiſton beſtehen laͤßt.
In Frankreich, wo ſchon Buffon (Supplem. de l'hiſtoire natur. T. II. p. 61. edit. in 12mo.) das Phlogiſton fuͤr ein bloßes Weſen der Syſteme erklaͤrt hatte, fand dieſes antiphlogiſtiſche Syſtem ungemeinen Beyfall, und noch jetzt ſind ihm viele der beruͤhmteſten Chymiſten zugethan. Es iſt auch nicht zu laͤugnen, daß die Erklaͤrungen dabey ſehr einfach und leicht ausfallen, und daß es den beſten Regeln gemaͤß iſt, einen blos angenommenen Stof wieder zu verwerfen, ſobald ſich die Phaͤnomene auch ohne ihn erklaͤren laſſen. Allein was gewinnt man wohl durch Verwerfung des Phlogiſtons, wenn man an deſſen Stelle ein entgegengeſetztes ſaͤureerzeugendes Principium einfuͤhrt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/475>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.