Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Die obern Planeten, deren Bahnen die Erdbahn umschließen, werden von der im Mittel stehenden Sonne immer von eben der Seite her erleuchtet, von der sie die Erde sieht. Sie können also nie in Vierteln, sichelförmig oder dunkel gesehen werden. Nur, wenn sie 90 Grad von der Sonne abstehen, kan der Erde ein kleiner Theil ihrer dunkeln Helfte stchtbar werden. Beym Mars sehen wir auch in diesen Stellungen die Scheibe nicht völlig rund; beym Jupiter, Saturn und Uranus aber ist wegen ihres großen Abstands an keine Wahrnehmung von Phasen zu gedenken.

Die Phasen der Planeten zeigen, daß sie dunkle Körper sind, die, wie die Erde, blos von der Sonne erleuchtet werden. Daher war ihre Entdeckung eine so große Bestätigung des copernikanischen Systems.

Saturns Erscheinungen mit und ohne Ring, s. Saturnsring, werden bisweilen auch Phasen dieses Planeten genannt.

Phänomene, Erscheinungen, Naturbegebenheiten, Phaenomena, Apparentiae, Phenomenes. Der allgemeine Name Phänomen oder Erscheinung begreift alles in sich, was wir durch unsere Sinne wahrnehmen. Betrift dies einen Körper, oder ist es ein Phänomen der Körperwelt, so gehört es zu den Gegenständen der Naturlehre, welche sich mit der Erklärung dieser Phänomene beschäftiget. Wahrgenommene Veränderungen in der Körperwelt heißen insbesondere Naturbegebenheiten. Der allgemeinere Name aber ist vorzüglich bequem, weil er immer daran erinnert, daß das Wahrgenommene nur Schein ist, und sich vielleicht in der That ganz anders verhält, als wir es zu sehen glaubten. Die Stellung der bekannten sieben Sterne im großen Bär ist ein Phänomen; ihre tägliche Umdrehung um den Pol, oder der Auf- und Untergang der Gestirne ebenfalls: den letztern könnte man auch eine Naturbegebenheit nennen, weil Veränderung dabey wahrgenommen wird; behält man aber das Wort Phänomen, so drückt schon der Name aus, daß beydes nur Schein sey.


Die obern Planeten, deren Bahnen die Erdbahn umſchließen, werden von der im Mittel ſtehenden Sonne immer von eben der Seite her erleuchtet, von der ſie die Erde ſieht. Sie koͤnnen alſo nie in Vierteln, ſichelfoͤrmig oder dunkel geſehen werden. Nur, wenn ſie 90 Grad von der Sonne abſtehen, kan der Erde ein kleiner Theil ihrer dunkeln Helfte ſtchtbar werden. Beym Mars ſehen wir auch in dieſen Stellungen die Scheibe nicht voͤllig rund; beym Jupiter, Saturn und Uranus aber iſt wegen ihres großen Abſtands an keine Wahrnehmung von Phaſen zu gedenken.

Die Phaſen der Planeten zeigen, daß ſie dunkle Koͤrper ſind, die, wie die Erde, blos von der Sonne erleuchtet werden. Daher war ihre Entdeckung eine ſo große Beſtaͤtigung des copernikaniſchen Syſtems.

Saturns Erſcheinungen mit und ohne Ring, ſ. Saturnsring, werden bisweilen auch Phaſen dieſes Planeten genannt.

Phaͤnomene, Erſcheinungen, Naturbegebenheiten, Phaenomena, Apparentiae, Phénomenes. Der allgemeine Name Phaͤnomen oder Erſcheinung begreift alles in ſich, was wir durch unſere Sinne wahrnehmen. Betrift dies einen Koͤrper, oder iſt es ein Phaͤnomen der Koͤrperwelt, ſo gehoͤrt es zu den Gegenſtaͤnden der Naturlehre, welche ſich mit der Erklaͤrung dieſer Phaͤnomene beſchaͤftiget. Wahrgenommene Veraͤnderungen in der Koͤrperwelt heißen insbeſondere Naturbegebenheiten. Der allgemeinere Name aber iſt vorzuͤglich bequem, weil er immer daran erinnert, daß das Wahrgenommene nur Schein iſt, und ſich vielleicht in der That ganz anders verhaͤlt, als wir es zu ſehen glaubten. Die Stellung der bekannten ſieben Sterne im großen Baͤr iſt ein Phaͤnomen; ihre taͤgliche Umdrehung um den Pol, oder der Auf- und Untergang der Geſtirne ebenfalls: den letztern koͤnnte man auch eine Naturbegebenheit nennen, weil Veraͤnderung dabey wahrgenommen wird; behaͤlt man aber das Wort Phaͤnomen, ſo druͤckt ſchon der Name aus, daß beydes nur Schein ſey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0460" xml:id="P.3.454" n="454"/><lb/>
            </p>
            <p>Die obern Planeten, deren Bahnen die Erdbahn um&#x017F;chließen, werden von der im Mittel &#x017F;tehenden Sonne immer von eben der Seite her erleuchtet, von der &#x017F;ie die Erde &#x017F;ieht. Sie ko&#x0364;nnen al&#x017F;o nie in Vierteln, &#x017F;ichelfo&#x0364;rmig oder dunkel ge&#x017F;ehen werden. Nur, wenn &#x017F;ie 90 Grad von der Sonne ab&#x017F;tehen, kan der Erde ein kleiner Theil ihrer dunkeln Helfte &#x017F;tchtbar werden. Beym <hi rendition="#b">Mars</hi> &#x017F;ehen wir auch in die&#x017F;en Stellungen die Scheibe nicht vo&#x0364;llig rund; beym Jupiter, Saturn und Uranus aber i&#x017F;t wegen ihres großen Ab&#x017F;tands an keine Wahrnehmung von Pha&#x017F;en zu gedenken.</p>
            <p>Die Pha&#x017F;en der Planeten zeigen, daß &#x017F;ie dunkle Ko&#x0364;rper &#x017F;ind, die, wie die Erde, blos von der Sonne erleuchtet werden. Daher war ihre Entdeckung eine &#x017F;o große Be&#x017F;ta&#x0364;tigung des copernikani&#x017F;chen Sy&#x017F;tems.</p>
            <p>Saturns Er&#x017F;cheinungen mit und ohne Ring, &#x017F;. <hi rendition="#b">Saturnsring,</hi> werden bisweilen auch Pha&#x017F;en die&#x017F;es Planeten genannt.</p>
            <p><hi rendition="#b">Pha&#x0364;nomene, Er&#x017F;cheinungen, Naturbegebenheiten,</hi><hi rendition="#aq">Phaenomena, Apparentiae, <hi rendition="#i">Phénomenes.</hi></hi> Der allgemeine Name <hi rendition="#b">Pha&#x0364;nomen</hi> oder <hi rendition="#b">Er&#x017F;cheinung</hi> begreift alles in &#x017F;ich, was wir durch un&#x017F;ere Sinne wahrnehmen. Betrift dies einen Ko&#x0364;rper, oder i&#x017F;t es ein Pha&#x0364;nomen der Ko&#x0364;rperwelt, &#x017F;o geho&#x0364;rt es zu den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der Naturlehre, welche &#x017F;ich mit der Erkla&#x0364;rung die&#x017F;er Pha&#x0364;nomene be&#x017F;cha&#x0364;ftiget. Wahrgenommene <hi rendition="#b">Vera&#x0364;nderungen</hi> in der Ko&#x0364;rperwelt heißen insbe&#x017F;ondere <hi rendition="#b">Naturbegebenheiten.</hi> Der allgemeinere Name aber i&#x017F;t vorzu&#x0364;glich bequem, weil er immer daran erinnert, daß das Wahrgenommene nur Schein i&#x017F;t, und &#x017F;ich vielleicht in der That ganz anders verha&#x0364;lt, als wir es zu &#x017F;ehen glaubten. Die Stellung der bekannten &#x017F;ieben Sterne im großen Ba&#x0364;r i&#x017F;t ein Pha&#x0364;nomen; ihre ta&#x0364;gliche Umdrehung um den Pol, oder der Auf- und Untergang der Ge&#x017F;tirne ebenfalls: den letztern ko&#x0364;nnte man auch eine Naturbegebenheit nennen, weil Vera&#x0364;nderung dabey wahrgenommen wird; beha&#x0364;lt man aber das Wort Pha&#x0364;nomen, &#x017F;o dru&#x0364;ckt &#x017F;chon der Name aus, daß beydes nur Schein &#x017F;ey.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0460] Die obern Planeten, deren Bahnen die Erdbahn umſchließen, werden von der im Mittel ſtehenden Sonne immer von eben der Seite her erleuchtet, von der ſie die Erde ſieht. Sie koͤnnen alſo nie in Vierteln, ſichelfoͤrmig oder dunkel geſehen werden. Nur, wenn ſie 90 Grad von der Sonne abſtehen, kan der Erde ein kleiner Theil ihrer dunkeln Helfte ſtchtbar werden. Beym Mars ſehen wir auch in dieſen Stellungen die Scheibe nicht voͤllig rund; beym Jupiter, Saturn und Uranus aber iſt wegen ihres großen Abſtands an keine Wahrnehmung von Phaſen zu gedenken. Die Phaſen der Planeten zeigen, daß ſie dunkle Koͤrper ſind, die, wie die Erde, blos von der Sonne erleuchtet werden. Daher war ihre Entdeckung eine ſo große Beſtaͤtigung des copernikaniſchen Syſtems. Saturns Erſcheinungen mit und ohne Ring, ſ. Saturnsring, werden bisweilen auch Phaſen dieſes Planeten genannt. Phaͤnomene, Erſcheinungen, Naturbegebenheiten, Phaenomena, Apparentiae, Phénomenes. Der allgemeine Name Phaͤnomen oder Erſcheinung begreift alles in ſich, was wir durch unſere Sinne wahrnehmen. Betrift dies einen Koͤrper, oder iſt es ein Phaͤnomen der Koͤrperwelt, ſo gehoͤrt es zu den Gegenſtaͤnden der Naturlehre, welche ſich mit der Erklaͤrung dieſer Phaͤnomene beſchaͤftiget. Wahrgenommene Veraͤnderungen in der Koͤrperwelt heißen insbeſondere Naturbegebenheiten. Der allgemeinere Name aber iſt vorzuͤglich bequem, weil er immer daran erinnert, daß das Wahrgenommene nur Schein iſt, und ſich vielleicht in der That ganz anders verhaͤlt, als wir es zu ſehen glaubten. Die Stellung der bekannten ſieben Sterne im großen Baͤr iſt ein Phaͤnomen; ihre taͤgliche Umdrehung um den Pol, oder der Auf- und Untergang der Geſtirne ebenfalls: den letztern koͤnnte man auch eine Naturbegebenheit nennen, weil Veraͤnderung dabey wahrgenommen wird; behaͤlt man aber das Wort Phaͤnomen, ſo druͤckt ſchon der Name aus, daß beydes nur Schein ſey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/460
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/460>, abgerufen am 23.11.2024.