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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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die andere Spitze emporhebt, und nimmt solchergestalt eine schiefe oder gegen den Horizont geneigte Lage an. Es scheint gleichsam durch das Bestreichen der eine Theil von ihr schwerer, als der andere geworden zu seyn. Diese Neigung zeigt sich an den meisten Orten der Erde, aber nicht überall auf gleiche Art und unter gleichen Winkeln.

In dem größten Theile der nördlichen Helfte unserer Erdkugel senkt sich der nördliche Theil der Nadel unter den Horizont, indem sich der südliche erhebt, und man nennt dieses eine nördliche Neigung (inclinatio borealis); an den meisten Orten der südlichen Helste hingegen erfolgt das Gegentheil, und die Nadel zeigt eine südliche Neigung (inclinatio australis). Die Orte, wo die Nadel gar keine Neigung hat, oder auch nach dem Streichen mit dem Horizonte parallel bleibt, fallen zwar zwischen beyde Helften der Erdkugel, aber nicht eben genau in den Aequator der Erde; auch ist selbst an einem und eben demselben Orte die Neigung der Nabel im Fortgange der Zeit veränderlich.

Die Neigung der Magnetnadel zu beobachten, dienen eigne Vorrichtungen, welche man Neigungscompaße, Neigungsnadeln (Inclinatoria, Aiguilles d'inclinaison) zu nennen pflegt. Robert Norman, ein englischer Seemann und Künstler, hat, soviel man weiß, den ersten Neigungscompaß verfertiget, und damit im Jahr 1576 zu London die Neigung der Nadel 71° 50' nördlich beobachtet (s. Gilbert de magnete L. I. c. 1. und Petr. v. Musschenbroek diss. physico-experimentalis de Magnete, Cap. III. in seinen Diss, phys. et geometr, Lugd. Bat. 1729. 4.). Die einfachste Einrichtung solcher Neigungscompasse, wie sie Wolf (Nüßl. Vers. Th. III. Cap. 4. §. 61.) beschreibt, zeigt Taf. XVII. Fig. 62. ABCD ist ein messingner Ring, der bey A aufgehängt werden kan. An dem Durchmesser DB hin werden an den Seiten zween schmale messingne Streifen angelöthet. Mitten in denseben sind Lager, in welchen die an die Mitte der Nadel EF bey G angesetzten Stifte, als Zapfen, so ruhen, daß der Mittelpunkt der Nadel G genau mit dem Mittelpunkte des ganzen Ringes coincidirt. Die Quadranten AB, BC, CD, DA werden in ihre 90 Grade


die andere Spitze emporhebt, und nimmt ſolchergeſtalt eine ſchiefe oder gegen den Horizont geneigte Lage an. Es ſcheint gleichſam durch das Beſtreichen der eine Theil von ihr ſchwerer, als der andere geworden zu ſeyn. Dieſe Neigung zeigt ſich an den meiſten Orten der Erde, aber nicht uͤberall auf gleiche Art und unter gleichen Winkeln.

In dem groͤßten Theile der noͤrdlichen Helfte unſerer Erdkugel ſenkt ſich der noͤrdliche Theil der Nadel unter den Horizont, indem ſich der ſuͤdliche erhebt, und man nennt dieſes eine noͤrdliche Neigung (inclinatio borealis); an den meiſten Orten der ſuͤdlichen Helſte hingegen erfolgt das Gegentheil, und die Nadel zeigt eine ſuͤdliche Neigung (inclinatio auſtralis). Die Orte, wo die Nadel gar keine Neigung hat, oder auch nach dem Streichen mit dem Horizonte parallel bleibt, fallen zwar zwiſchen beyde Helften der Erdkugel, aber nicht eben genau in den Aequator der Erde; auch iſt ſelbſt an einem und eben demſelben Orte die Neigung der Nabel im Fortgange der Zeit veraͤnderlich.

Die Neigung der Magnetnadel zu beobachten, dienen eigne Vorrichtungen, welche man Neigungscompaße, Neigungsnadeln (Inclinatoria, Aiguilles d'inclinaiſon) zu nennen pflegt. Robert Norman, ein engliſcher Seemann und Kuͤnſtler, hat, ſoviel man weiß, den erſten Neigungscompaß verfertiget, und damit im Jahr 1576 zu London die Neigung der Nadel 71° 50′ noͤrdlich beobachtet (ſ. Gilbert de magnete L. I. c. 1. und Petr. v. Muſſchenbroek diſſ. phyſico-experimentalis de Magnete, Cap. III. in ſeinen Diſſ, phyſ. et geometr, Lugd. Bat. 1729. 4.). Die einfachſte Einrichtung ſolcher Neigungscompaſſe, wie ſie Wolf (Nuͤßl. Verſ. Th. III. Cap. 4. §. 61.) beſchreibt, zeigt Taf. XVII. Fig. 62. ABCD iſt ein meſſingner Ring, der bey A aufgehaͤngt werden kan. An dem Durchmeſſer DB hin werden an den Seiten zween ſchmale meſſingne Streifen angeloͤthet. Mitten in denſeben ſind Lager, in welchen die an die Mitte der Nadel EF bey G angeſetzten Stifte, als Zapfen, ſo ruhen, daß der Mittelpunkt der Nadel G genau mit dem Mittelpunkte des ganzen Ringes coincidirt. Die Quadranten AB, BC, CD, DA werden in ihre 90 Grade

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[346/0352] die andere Spitze emporhebt, und nimmt ſolchergeſtalt eine ſchiefe oder gegen den Horizont geneigte Lage an. Es ſcheint gleichſam durch das Beſtreichen der eine Theil von ihr ſchwerer, als der andere geworden zu ſeyn. Dieſe Neigung zeigt ſich an den meiſten Orten der Erde, aber nicht uͤberall auf gleiche Art und unter gleichen Winkeln. In dem groͤßten Theile der noͤrdlichen Helfte unſerer Erdkugel ſenkt ſich der noͤrdliche Theil der Nadel unter den Horizont, indem ſich der ſuͤdliche erhebt, und man nennt dieſes eine noͤrdliche Neigung (inclinatio borealis); an den meiſten Orten der ſuͤdlichen Helſte hingegen erfolgt das Gegentheil, und die Nadel zeigt eine ſuͤdliche Neigung (inclinatio auſtralis). Die Orte, wo die Nadel gar keine Neigung hat, oder auch nach dem Streichen mit dem Horizonte parallel bleibt, fallen zwar zwiſchen beyde Helften der Erdkugel, aber nicht eben genau in den Aequator der Erde; auch iſt ſelbſt an einem und eben demſelben Orte die Neigung der Nabel im Fortgange der Zeit veraͤnderlich. Die Neigung der Magnetnadel zu beobachten, dienen eigne Vorrichtungen, welche man Neigungscompaße, Neigungsnadeln (Inclinatoria, Aiguilles d'inclinaiſon) zu nennen pflegt. Robert Norman, ein engliſcher Seemann und Kuͤnſtler, hat, ſoviel man weiß, den erſten Neigungscompaß verfertiget, und damit im Jahr 1576 zu London die Neigung der Nadel 71° 50′ noͤrdlich beobachtet (ſ. Gilbert de magnete L. I. c. 1. und Petr. v. Muſſchenbroek diſſ. phyſico-experimentalis de Magnete, Cap. III. in ſeinen Diſſ, phyſ. et geometr, Lugd. Bat. 1729. 4.). Die einfachſte Einrichtung ſolcher Neigungscompaſſe, wie ſie Wolf (Nuͤßl. Verſ. Th. III. Cap. 4. §. 61.) beſchreibt, zeigt Taf. XVII. Fig. 62. ABCD iſt ein meſſingner Ring, der bey A aufgehaͤngt werden kan. An dem Durchmeſſer DB hin werden an den Seiten zween ſchmale meſſingne Streifen angeloͤthet. Mitten in denſeben ſind Lager, in welchen die an die Mitte der Nadel EF bey G angeſetzten Stifte, als Zapfen, ſo ruhen, daß der Mittelpunkt der Nadel G genau mit dem Mittelpunkte des ganzen Ringes coincidirt. Die Quadranten AB, BC, CD, DA werden in ihre 90 Grade

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/352>, abgerufen am 22.11.2024.