Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Scharfsinn der Griechen die Theorie der Meßkunst gehörig entwickelt. Unter allen übrigen Schulen zeichnete sich hierinn die platonische am meisten aus. Plato selbst war der Erfinder der geometrischen Analysis, und seine Schüler legten durch die Betrachtung der Kegelschnitte den ersten Grund zur höhern Geometrie. Hauptsächlich gaben zu diesen Erweiterungen der Meßkunst die Aufgaben von Verdoppelung des Würfels und Trisection des Winkels Anlaß, mit welchen sich die meisten Geometern der damaligen Zeit beschäftigten, deren Bemühungen uns Proclus im Commentar über das erste Buch des Euklides aufbehalten hat. Nächst der platonischen Schule haben die Gelehrten des Museum zu Alerandrien die ausgezeichnetsten Verdienste um die mathematischen Wissenschaften. In dieser berühmten Stiftung der Ptolemäer lebte 300 Jahre vor C. G. Euklides, welcher die bis dahin erfundenen Sätze der Geometrie und der Lehre von den Verhältnissen unter dem Titel der Elemente ([fremdsprachliches Material] s. Elementa) in dreyzehn Büchern so vortreflich ordnete, und so scharf erwies, daß sein System noch bis jetzt als das beste Muster des geometrischen Vortrags und der ächten Strenge der Demonstration angesehen wird. Von diesen dreyzehn Büchern des Euklid führt der Theil der Meßkunst, welcher sich auf die Betrachtung der geraden Linie und des Kreises gründet, den Namen der Elementargeometrie. Ein anderer alerandrinischer Mathematiker, Hypsikles, setzte in spätern Zeiten noch zwey Bücher hinzu, welche die Lehre von den regulären Körpern betreffen. Archimedes zu Syrakus bereicherte die Meßkunst mit der Lehre von der Kreismessung und einigen andern wichtigen Erfindungen. Hundert Jahr nach dem Euklid schrieb Apollonius von Perga, ebenfalls im Museum zu Alerandrien, sieben Bücher von den Kegelschnitten (Conica), welche die ersten Gründe der höhern Geometrie enthalten. Die alerandrinische Schule blühte bis in das 7te Jahrhundert nach C. G., und war bis dahin immer fruchtbar an vorzüglichen Mathematikern, unter welchen sich in Absicht auf reine Mathematik Diophantus, der Verfasser von dreyzehn Büchern


Scharfſinn der Griechen die Theorie der Meßkunſt gehoͤrig entwickelt. Unter allen uͤbrigen Schulen zeichnete ſich hierinn die platoniſche am meiſten aus. Plato ſelbſt war der Erfinder der geometriſchen Analyſis, und ſeine Schuͤler legten durch die Betrachtung der Kegelſchnitte den erſten Grund zur hoͤhern Geometrie. Hauptſaͤchlich gaben zu dieſen Erweiterungen der Meßkunſt die Aufgaben von Verdoppelung des Wuͤrfels und Triſection des Winkels Anlaß, mit welchen ſich die meiſten Geometern der damaligen Zeit beſchaͤftigten, deren Bemuͤhungen uns Proclus im Commentar uͤber das erſte Buch des Euklides aufbehalten hat. Naͤchſt der platoniſchen Schule haben die Gelehrten des Muſeum zu Alerandrien die ausgezeichnetſten Verdienſte um die mathematiſchen Wiſſenſchaften. In dieſer beruͤhmten Stiftung der Ptolemaͤer lebte 300 Jahre vor C. G. Euklides, welcher die bis dahin erfundenen Saͤtze der Geometrie und der Lehre von den Verhaͤltniſſen unter dem Titel der Elemente ([fremdsprachliches Material] ſ. Elementa) in dreyzehn Buͤchern ſo vortreflich ordnete, und ſo ſcharf erwies, daß ſein Syſtem noch bis jetzt als das beſte Muſter des geometriſchen Vortrags und der aͤchten Strenge der Demonſtration angeſehen wird. Von dieſen dreyzehn Buͤchern des Euklid fuͤhrt der Theil der Meßkunſt, welcher ſich auf die Betrachtung der geraden Linie und des Kreiſes gruͤndet, den Namen der Elementargeometrie. Ein anderer alerandriniſcher Mathematiker, Hypſikles, ſetzte in ſpaͤtern Zeiten noch zwey Buͤcher hinzu, welche die Lehre von den regulaͤren Koͤrpern betreffen. Archimedes zu Syrakus bereicherte die Meßkunſt mit der Lehre von der Kreismeſſung und einigen andern wichtigen Erfindungen. Hundert Jahr nach dem Euklid ſchrieb Apollonius von Perga, ebenfalls im Muſeum zu Alerandrien, ſieben Buͤcher von den Kegelſchnitten (Conica), welche die erſten Gruͤnde der hoͤhern Geometrie enthalten. Die alerandriniſche Schule bluͤhte bis in das 7te Jahrhundert nach C. G., und war bis dahin immer fruchtbar an vorzuͤglichen Mathematikern, unter welchen ſich in Abſicht auf reine Mathematik Diophantus, der Verfaſſer von dreyzehn Buͤchern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0168" xml:id="P.3.162" n="162"/><lb/>
Scharf&#x017F;inn der Griechen die Theorie der Meßkun&#x017F;t geho&#x0364;rig entwickelt. Unter allen u&#x0364;brigen Schulen zeichnete &#x017F;ich hierinn die platoni&#x017F;che am mei&#x017F;ten aus. <hi rendition="#b">Plato</hi> &#x017F;elb&#x017F;t war der Erfinder der geometri&#x017F;chen Analy&#x017F;is, und &#x017F;eine Schu&#x0364;ler legten durch die Betrachtung der Kegel&#x017F;chnitte den er&#x017F;ten Grund zur ho&#x0364;hern Geometrie. Haupt&#x017F;a&#x0364;chlich gaben zu die&#x017F;en Erweiterungen der Meßkun&#x017F;t die Aufgaben von Verdoppelung des Wu&#x0364;rfels und Tri&#x017F;ection des Winkels Anlaß, mit welchen &#x017F;ich die mei&#x017F;ten Geometern der damaligen Zeit be&#x017F;cha&#x0364;ftigten, deren Bemu&#x0364;hungen uns <hi rendition="#b">Proclus</hi> im Commentar u&#x0364;ber das er&#x017F;te Buch des Euklides aufbehalten hat. Na&#x0364;ch&#x017F;t der platoni&#x017F;chen Schule haben die Gelehrten des Mu&#x017F;eum zu Alerandrien die ausgezeichnet&#x017F;ten Verdien&#x017F;te um die mathemati&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. In die&#x017F;er beru&#x0364;hmten Stiftung der Ptolema&#x0364;er lebte 300 Jahre vor C. G. <hi rendition="#b">Euklides,</hi> welcher die bis dahin erfundenen Sa&#x0364;tze der Geometrie und der Lehre von den Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en unter dem Titel der Elemente (<foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">*stoixeia</note></foreign> <hi rendition="#aq">&#x017F;. Elementa</hi>) in dreyzehn Bu&#x0364;chern &#x017F;o vortreflich ordnete, und &#x017F;o &#x017F;charf erwies, daß &#x017F;ein Sy&#x017F;tem noch bis jetzt als das be&#x017F;te Mu&#x017F;ter des geometri&#x017F;chen Vortrags und der a&#x0364;chten Strenge der Demon&#x017F;tration ange&#x017F;ehen wird. Von die&#x017F;en dreyzehn Bu&#x0364;chern des Euklid fu&#x0364;hrt der Theil der Meßkun&#x017F;t, welcher &#x017F;ich auf die Betrachtung der geraden Linie und des Krei&#x017F;es gru&#x0364;ndet, den Namen der Elementargeometrie. Ein anderer alerandrini&#x017F;cher Mathematiker, <hi rendition="#b">Hyp&#x017F;ikles,</hi> &#x017F;etzte in &#x017F;pa&#x0364;tern Zeiten noch zwey Bu&#x0364;cher hinzu, welche die Lehre von den regula&#x0364;ren Ko&#x0364;rpern betreffen. <hi rendition="#b">Archimedes</hi> zu Syrakus bereicherte die Meßkun&#x017F;t mit der Lehre von der Kreisme&#x017F;&#x017F;ung und einigen andern wichtigen Erfindungen. Hundert Jahr nach dem Euklid &#x017F;chrieb <hi rendition="#b">Apollonius</hi> von <hi rendition="#b">Perga,</hi> ebenfalls im Mu&#x017F;eum zu <hi rendition="#b">Alerandrien,</hi> &#x017F;ieben Bu&#x0364;cher von den Kegel&#x017F;chnitten <hi rendition="#aq">(Conica),</hi> welche die er&#x017F;ten Gru&#x0364;nde der ho&#x0364;hern Geometrie enthalten. Die alerandrini&#x017F;che Schule blu&#x0364;hte bis in das 7te Jahrhundert nach C. G., und war bis dahin immer fruchtbar an vorzu&#x0364;glichen Mathematikern, unter welchen &#x017F;ich in Ab&#x017F;icht auf reine Mathematik <hi rendition="#b">Diophantus,</hi> der Verfa&#x017F;&#x017F;er von dreyzehn Bu&#x0364;chern<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0168] Scharfſinn der Griechen die Theorie der Meßkunſt gehoͤrig entwickelt. Unter allen uͤbrigen Schulen zeichnete ſich hierinn die platoniſche am meiſten aus. Plato ſelbſt war der Erfinder der geometriſchen Analyſis, und ſeine Schuͤler legten durch die Betrachtung der Kegelſchnitte den erſten Grund zur hoͤhern Geometrie. Hauptſaͤchlich gaben zu dieſen Erweiterungen der Meßkunſt die Aufgaben von Verdoppelung des Wuͤrfels und Triſection des Winkels Anlaß, mit welchen ſich die meiſten Geometern der damaligen Zeit beſchaͤftigten, deren Bemuͤhungen uns Proclus im Commentar uͤber das erſte Buch des Euklides aufbehalten hat. Naͤchſt der platoniſchen Schule haben die Gelehrten des Muſeum zu Alerandrien die ausgezeichnetſten Verdienſte um die mathematiſchen Wiſſenſchaften. In dieſer beruͤhmten Stiftung der Ptolemaͤer lebte 300 Jahre vor C. G. Euklides, welcher die bis dahin erfundenen Saͤtze der Geometrie und der Lehre von den Verhaͤltniſſen unter dem Titel der Elemente (_ ſ. Elementa) in dreyzehn Buͤchern ſo vortreflich ordnete, und ſo ſcharf erwies, daß ſein Syſtem noch bis jetzt als das beſte Muſter des geometriſchen Vortrags und der aͤchten Strenge der Demonſtration angeſehen wird. Von dieſen dreyzehn Buͤchern des Euklid fuͤhrt der Theil der Meßkunſt, welcher ſich auf die Betrachtung der geraden Linie und des Kreiſes gruͤndet, den Namen der Elementargeometrie. Ein anderer alerandriniſcher Mathematiker, Hypſikles, ſetzte in ſpaͤtern Zeiten noch zwey Buͤcher hinzu, welche die Lehre von den regulaͤren Koͤrpern betreffen. Archimedes zu Syrakus bereicherte die Meßkunſt mit der Lehre von der Kreismeſſung und einigen andern wichtigen Erfindungen. Hundert Jahr nach dem Euklid ſchrieb Apollonius von Perga, ebenfalls im Muſeum zu Alerandrien, ſieben Buͤcher von den Kegelſchnitten (Conica), welche die erſten Gruͤnde der hoͤhern Geometrie enthalten. Die alerandriniſche Schule bluͤhte bis in das 7te Jahrhundert nach C. G., und war bis dahin immer fruchtbar an vorzuͤglichen Mathematikern, unter welchen ſich in Abſicht auf reine Mathematik Diophantus, der Verfaſſer von dreyzehn Buͤchern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/168
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/168>, abgerufen am 22.11.2024.