Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


chem. Abhandl. I. Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hierüber lesenswürdige Bemerkungen angestellt, ob er gleich in seiner Anleitung zur gemeinnützlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Absonderung der mathematischen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem sich allzusichtbare Lücken befinden.

Der Ursprung mathematischer Kenntnisse ist ohne Zweifel ins höchste Alterthum zu setzen. Wahrscheinlich brachten Bedürfniß und Nothwendigfeit zuerst praktische Erfindungen hervor, aus welchen nachher scharfsinnige Köpfe die allgemeinen theoretischen Sätze abstrahirt haben. Nach den Zeugnissen der Alten soll dies zuerst bey den Phöniciern und Egyptiern geschehen seyn: jenen schrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Ersindung der Rechenkunst, diesen nach dem Herodot, Plato und Aristoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man sucht die Veranlassung geometrischer Erfindungen gewöhnlich in den jährlichen Ueberschwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwähnten Landabtheilung des Sesostris; wahrschelnlicher leitet Aristoteles (Metaphys. I. 1.) den Ursprung der Theorie aus dem geschäftlosen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptischen Priester her. Dennoch scheinen diese gerühmten Kenntnisse der Egyptier kaum über die ersten Anfangsgründe hinausgegangen zu seyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrsätze gehört erst den griechischen Weltweisen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. s. w., welche insgemein eine so große Meinung von den mathematischen Einsichten dieses Volkes erregen, lassen sich, auch bey sehr mittelmäßigen praktischen Kenntnissen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menschen erklären, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, s. Mechanik.

Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematischen Kenntnisse nach Griechenland über, und pflanzten sie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erst hat der bewundernswürdige


chem. Abhandl. I. Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieruͤber leſenswuͤrdige Bemerkungen angeſtellt, ob er gleich in ſeiner Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Abſonderung der mathematiſchen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem ſich allzuſichtbare Luͤcken befinden.

Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem Herodot, Plato und Ariſtoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet Ariſtoteles (Metaphyſ. I. 1.) den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. Mechanik.

Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0167" xml:id="P.3.161" n="161"/><lb/>
chem. Abhandl. <hi rendition="#aq">I.</hi> Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieru&#x0364;ber le&#x017F;enswu&#x0364;rdige Bemerkungen ange&#x017F;tellt, ob er gleich in &#x017F;einer Anleitung zur gemeinnu&#x0364;tzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Ab&#x017F;onderung der mathemati&#x017F;chen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem &#x017F;ich allzu&#x017F;ichtbare Lu&#x0364;cken befinden.</p>
            <p>Der Ur&#x017F;prung mathemati&#x017F;cher Kenntni&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t ohne Zweifel ins ho&#x0364;ch&#x017F;te Alterthum zu &#x017F;etzen. Wahr&#x017F;cheinlich brachten Bedu&#x0364;rfniß und Nothwendigfeit zuer&#x017F;t prakti&#x017F;che Erfindungen hervor, aus welchen nachher &#x017F;charf&#x017F;innige Ko&#x0364;pfe die allgemeinen theoreti&#x017F;chen Sa&#x0364;tze ab&#x017F;trahirt haben. Nach den Zeugni&#x017F;&#x017F;en der Alten &#x017F;oll dies zuer&#x017F;t bey den Pho&#x0364;niciern und Egyptiern ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn: jenen &#x017F;chrieb man nach dem <hi rendition="#b">Strabo</hi> <hi rendition="#aq">(Geogr. L. XVII.)</hi> die Er&#x017F;indung der Rechenkun&#x017F;t, die&#x017F;en nach dem <hi rendition="#b">Herodot, Plato</hi> und <hi rendition="#b">Ari&#x017F;toteles</hi> die Entdeckung der Geometrie zu. Man &#x017F;ucht die Veranla&#x017F;&#x017F;ung geometri&#x017F;cher Erfindungen gewo&#x0364;hnlich in den ja&#x0364;hrlichen Ueber&#x017F;chwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwa&#x0364;hnten Landabtheilung des Se&#x017F;o&#x017F;tris; wahr&#x017F;chelnlicher leitet <hi rendition="#b">Ari&#x017F;toteles</hi> <hi rendition="#aq">(Metaphy&#x017F;. I. 1.)</hi> den Ur&#x017F;prung der Theorie aus dem ge&#x017F;cha&#x0364;ftlo&#x017F;en und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egypti&#x017F;chen Prie&#x017F;ter her. Dennoch &#x017F;cheinen die&#x017F;e geru&#x0364;hmten Kenntni&#x017F;&#x017F;e der Egyptier kaum u&#x0364;ber die er&#x017F;ten Anfangsgru&#x0364;nde hinausgegangen zu &#x017F;eyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehr&#x017F;a&#x0364;tze geho&#x0364;rt er&#x017F;t den griechi&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. &#x017F;. w., welche insgemein eine &#x017F;o große Meinung von den mathemati&#x017F;chen Ein&#x017F;ichten die&#x017F;es Volkes erregen, la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich, auch bey &#x017F;ehr mittelma&#x0364;ßigen prakti&#x017F;chen Kenntni&#x017F;&#x017F;en der Mathematik, leicht aus der Menge von Men&#x017F;chen erkla&#x0364;ren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, &#x017F;. <hi rendition="#b">Mechanik.</hi></p>
            <p>Aus Egypten trugen <hi rendition="#b">Thales</hi> und <hi rendition="#b">Pythagoras die</hi> mathemati&#x017F;chen Kenntni&#x017F;&#x017F;e nach Griechenland u&#x0364;ber, und pflanzten &#x017F;ie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier er&#x017F;t hat der bewundernswu&#x0364;rdige<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0167] chem. Abhandl. I. Heft. Halle, 1786. 8. Num. 2.) hat hieruͤber leſenswuͤrdige Bemerkungen angeſtellt, ob er gleich in ſeiner Anleitung zur gemeinnuͤtzlichen Kenntniß der Natur (Halle, 1783. 8.) die Abſonderung der mathematiſchen Lehren etwas zu weit getrieben, und nach einem Plane gearbeitet hat, in welchem ſich allzuſichtbare Luͤcken befinden. Der Urſprung mathematiſcher Kenntniſſe iſt ohne Zweifel ins hoͤchſte Alterthum zu ſetzen. Wahrſcheinlich brachten Beduͤrfniß und Nothwendigfeit zuerſt praktiſche Erfindungen hervor, aus welchen nachher ſcharfſinnige Koͤpfe die allgemeinen theoretiſchen Saͤtze abſtrahirt haben. Nach den Zeugniſſen der Alten ſoll dies zuerſt bey den Phoͤniciern und Egyptiern geſchehen ſeyn: jenen ſchrieb man nach dem Strabo (Geogr. L. XVII.) die Erſindung der Rechenkunſt, dieſen nach dem Herodot, Plato und Ariſtoteles die Entdeckung der Geometrie zu. Man ſucht die Veranlaſſung geometriſcher Erfindungen gewoͤhnlich in den jaͤhrlichen Ueberſchwemmungen des Nils, oder in einer von Herodot erwaͤhnten Landabtheilung des Seſoſtris; wahrſchelnlicher leitet Ariſtoteles (Metaphyſ. I. 1.) den Urſprung der Theorie aus dem geſchaͤftloſen und ganz der Betrachtung gewidmeten Leben der egyptiſchen Prieſter her. Dennoch ſcheinen dieſe geruͤhmten Kenntniſſe der Egyptier kaum uͤber die erſten Anfangsgruͤnde hinausgegangen zu ſeyn. Die Erfindung mehrerer Elementarlehrſaͤtze gehoͤrt erſt den griechiſchen Weltweiſen zu, und die ungeheuren Unternehmungen des Phramidenbaus, der Errichtung der Obelisken u. ſ. w., welche insgemein eine ſo große Meinung von den mathematiſchen Einſichten dieſes Volkes erregen, laſſen ſich, auch bey ſehr mittelmaͤßigen praktiſchen Kenntniſſen der Mathematik, leicht aus der Menge von Menſchen erklaͤren, welche man damals zum Bauen brauchen konnte, ſ. Mechanik. Aus Egypten trugen Thales und Pythagoras die mathematiſchen Kenntniſſe nach Griechenland uͤber, und pflanzten ſie, mit neuen Erfindungen bereichert, in ihren Schulen fort. Hier erſt hat der bewundernswuͤrdige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/167
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/167>, abgerufen am 24.11.2024.