Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Noch weiter gehen die Systeme des Spinoza und Hume. Im erstern wird alles aus einer einzigen Substanz erklärt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung besteht, so, daß alle geistige Erscheinungen Zustände dieser einzigen Denkkraft, und alle materielle Phänomene Zustände eben dieser einzigen Ausdehnung sind. Sehr deutlich drückt dies Mendelssohn (Philos. Schriften, I. Theil, 2. Gespr.) so aus: Spinozens Welt, oder vielmehr Gott, sey eben dasselbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in dem göttlichen Verstande vorausgesetzt wird. Hume's System längnet sogar alle Substanzen, Subjecte und selbstständige Dinge, und läßt die ganze geistige sowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe vorübergehender Erscheinungen bestehen, aus einem Wechsel, worinn nichts ist, das immer dasselbige bliebe. So, wie beym Idealismus das Daseyn der Materie geläugnet wird, so sucht hingegen der allgemeine Materialismus alle Erscheinungen aus materiellen Substanzen allein zu erklären. Dahin gehören schon viele Systeme der Alten, welche überhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmischten, ob man sie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beschuldigen kan. Unter den Neuern ist der Satz, daß der Mensch eine Maschine sey, hauptsächlich von la Mettrie und dem Verfasser des Systeme de la nature behauptet worden. Schon die Betrachtung, daß ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenstände, in einem zusammengesetzten
Noch weiter gehen die Syſteme des Spinoza und Hume. Im erſtern wird alles aus einer einzigen Subſtanz erklaͤrt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung beſteht, ſo, daß alle geiſtige Erſcheinungen Zuſtaͤnde dieſer einzigen Denkkraft, und alle materielle Phaͤnomene Zuſtaͤnde eben dieſer einzigen Ausdehnung ſind. Sehr deutlich druͤckt dies Mendelsſohn (Philoſ. Schriften, I. Theil, 2. Geſpr.) ſo aus: Spinozens Welt, oder vielmehr Gott, ſey eben daſſelbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in dem goͤttlichen Verſtande vorausgeſetzt wird. Hume's Syſtem laͤngnet ſogar alle Subſtanzen, Subjecte und ſelbſtſtaͤndige Dinge, und laͤßt die ganze geiſtige ſowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe voruͤbergehender Erſcheinungen beſtehen, aus einem Wechſel, worinn nichts iſt, das immer daſſelbige bliebe. So, wie beym Idealismus das Daſeyn der Materie gelaͤugnet wird, ſo ſucht hingegen der allgemeine Materialismus alle Erſcheinungen aus materiellen Subſtanzen allein zu erklaͤren. Dahin gehoͤren ſchon viele Syſteme der Alten, welche uͤberhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmiſchten, ob man ſie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beſchuldigen kan. Unter den Neuern iſt der Satz, daß der Menſch eine Maſchine ſey, hauptſaͤchlich von la Mettrie und dem Verfaſſer des Syſteme de la nature behauptet worden. Schon die Betrachtung, daß ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenſtaͤnde, in einem zuſammengeſetzten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" xml:id="P.3.152" n="152"/><lb/> Idealism demonſtrativ, und zeigte, daß uns die Gottheit dabey nicht einmal taͤuſche, weil allerdings etwas außer uns eriſtire, nemlich die goͤttlichen in unſern Geiſt wirkenden Ideen. So befriedigend auch die Antworten ſind, welche man den angeblichen Beweiſen einer Unmoͤglichkeit der Materie entgegenſetzen kann, ſo geſtehen doch alle Metaphyſiker, daß man dem Idealiſten die Ueberzeugung von der Wirklichkeit der Außenwelt nicht aufdringen koͤnne.</p> <p>Noch weiter gehen die Syſteme des <hi rendition="#b">Spinoza</hi> und <hi rendition="#b">Hume.</hi> Im erſtern wird alles aus einer einzigen Subſtanz erklaͤrt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung beſteht, ſo, daß alle geiſtige Erſcheinungen Zuſtaͤnde dieſer einzigen Denkkraft, und alle materielle Phaͤnomene Zuſtaͤnde eben dieſer einzigen Ausdehnung ſind. Sehr deutlich druͤckt dies <hi rendition="#b">Mendelsſohn</hi> (Philoſ. Schriften, <hi rendition="#aq">I.</hi> Theil, 2. Geſpr.) ſo aus: Spinozens Welt, oder vielmehr Gott, ſey eben daſſelbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in dem goͤttlichen Verſtande vorausgeſetzt wird. <hi rendition="#b">Hume's</hi> Syſtem laͤngnet ſogar alle Subſtanzen, Subjecte und ſelbſtſtaͤndige Dinge, und laͤßt die ganze geiſtige ſowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe voruͤbergehender Erſcheinungen beſtehen, aus einem Wechſel, worinn nichts iſt, das immer daſſelbige bliebe.</p> <p>So, wie beym Idealismus das Daſeyn der Materie gelaͤugnet wird, ſo ſucht hingegen der <hi rendition="#b">allgemeine Materialismus</hi> alle Erſcheinungen aus materiellen Subſtanzen allein zu erklaͤren. Dahin gehoͤren ſchon viele Syſteme der Alten, welche uͤberhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmiſchten, ob man ſie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beſchuldigen kan. Unter den Neuern iſt der Satz, daß der Menſch eine Maſchine ſey, hauptſaͤchlich von <hi rendition="#b">la Mettrie</hi> und dem Verfaſſer des <hi rendition="#aq">Syſteme de la nature</hi> behauptet worden. Schon die Betrachtung, daß ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenſtaͤnde, in einem zuſammengeſetzten<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0158]
Idealism demonſtrativ, und zeigte, daß uns die Gottheit dabey nicht einmal taͤuſche, weil allerdings etwas außer uns eriſtire, nemlich die goͤttlichen in unſern Geiſt wirkenden Ideen. So befriedigend auch die Antworten ſind, welche man den angeblichen Beweiſen einer Unmoͤglichkeit der Materie entgegenſetzen kann, ſo geſtehen doch alle Metaphyſiker, daß man dem Idealiſten die Ueberzeugung von der Wirklichkeit der Außenwelt nicht aufdringen koͤnne.
Noch weiter gehen die Syſteme des Spinoza und Hume. Im erſtern wird alles aus einer einzigen Subſtanz erklaͤrt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung beſteht, ſo, daß alle geiſtige Erſcheinungen Zuſtaͤnde dieſer einzigen Denkkraft, und alle materielle Phaͤnomene Zuſtaͤnde eben dieſer einzigen Ausdehnung ſind. Sehr deutlich druͤckt dies Mendelsſohn (Philoſ. Schriften, I. Theil, 2. Geſpr.) ſo aus: Spinozens Welt, oder vielmehr Gott, ſey eben daſſelbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in dem goͤttlichen Verſtande vorausgeſetzt wird. Hume's Syſtem laͤngnet ſogar alle Subſtanzen, Subjecte und ſelbſtſtaͤndige Dinge, und laͤßt die ganze geiſtige ſowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe voruͤbergehender Erſcheinungen beſtehen, aus einem Wechſel, worinn nichts iſt, das immer daſſelbige bliebe.
So, wie beym Idealismus das Daſeyn der Materie gelaͤugnet wird, ſo ſucht hingegen der allgemeine Materialismus alle Erſcheinungen aus materiellen Subſtanzen allein zu erklaͤren. Dahin gehoͤren ſchon viele Syſteme der Alten, welche uͤberhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmiſchten, ob man ſie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beſchuldigen kan. Unter den Neuern iſt der Satz, daß der Menſch eine Maſchine ſey, hauptſaͤchlich von la Mettrie und dem Verfaſſer des Syſteme de la nature behauptet worden. Schon die Betrachtung, daß ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenſtaͤnde, in einem zuſammengeſetzten
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