Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Heißen also zweener Körper Massen M und m, ihre Gewichte P und p, so ist M:m = P:p, und es läßt sich, wo es blos auf Verhältnisse ankömmt, P für M, das Gewicht für die Masse, setzen, wovon man Beyspiele bey den Worten: Bewegung, Dichte, Schwere, specifische rc. findet. Alles, was auf diese Sätze gebaut ist, d. h. ein großer Theil unserer zuverläßigsten Kenntnisse der Dichte, eigenthümlichen Schwere, und Bewegung der Körper, würde wegfallen, wenn es Materien von negativer Schwere gäbe. Hieße alsdann die schwere Materie eines Körpers M, die der Schwere entgegenstrebende m, so würde sich die Masse, wie M + m, das Gewicht wie M - m verhalten. Die Schwere = 1 würde in diesem Körper eine bewegende Kraft = M -- m hervorbringen; eine beschleunigende Kraft f aber, die nach einer andern Richtung in die sämtllche Masse wirkte, würde die bewegende Kraft (M + m) f erzeugen. So würde man in der Formel dv=2 gf dt (s. Kraft, beschleunigende, Th. II. S. 800 u. 801) f nicht mehr = P/M setzen können, welches den größten Theil der höhern Mechanik umstoßen würde. Materie, materieller Stof, körperlicher Stof Materia corporum, Matiere, Matiere des corps. Dasjenige, woraus die Körper bestehen, oder was dieselben undurchdringlich macht. Mit dem Begriffe des Körperlichen ist allezeit auch der Begrif der Ausdehnung verbunden; aber dieser allein erschöpst noch nicht das ganze Wesen des Körpers. Die Vorstellung des ausgedehnten bleibt noch in der Einbildungskraft zurück, wenn wir uns den Körper aus seinem Raume herausgenommen denken. Es gehört also zum Wesen des Körpers außer der Ausdehnung noch Etwas, das den Raum erfüllet, oder verursacht, daß in eben dem Raume außer dem Körper nicht noch etwas anderes seyn kan. Dieses Etwas nennen wir Materie. Der allgemeine sinnliche Schein stellt uns die Materie als ausgedehnt, undurchbringlich, theilbar und träg vor; Heißen alſo zweener Koͤrper Maſſen M und m, ihre Gewichte P und p, ſo iſt M:m = P:p, und es laͤßt ſich, wo es blos auf Verhaͤltniſſe ankoͤmmt, P fuͤr M, das Gewicht fuͤr die Maſſe, ſetzen, wovon man Beyſpiele bey den Worten: Bewegung, Dichte, Schwere, ſpecifiſche rc. findet. Alles, was auf dieſe Saͤtze gebaut iſt, d. h. ein großer Theil unſerer zuverlaͤßigſten Kenntniſſe der Dichte, eigenthuͤmlichen Schwere, und Bewegung der Koͤrper, wuͤrde wegfallen, wenn es Materien von negativer Schwere gaͤbe. Hieße alsdann die ſchwere Materie eines Koͤrpers M, die der Schwere entgegenſtrebende m, ſo wuͤrde ſich die Maſſe, wie M + m, das Gewicht wie M - m verhalten. Die Schwere = 1 wuͤrde in dieſem Koͤrper eine bewegende Kraft = M — m hervorbringen; eine beſchleunigende Kraft f aber, die nach einer andern Richtung in die ſaͤmtllche Maſſe wirkte, wuͤrde die bewegende Kraft (M + m) f erzeugen. So wuͤrde man in der Formel dv=2 gf dt (ſ. Kraft, beſchleunigende, Th. II. S. 800 u. 801) f nicht mehr = P/M ſetzen koͤnnen, welches den groͤßten Theil der hoͤhern Mechanik umſtoßen wuͤrde. Materie, materieller Stof, koͤrperlicher Stof Materia corporum, Matière, Matière des corps. Dasjenige, woraus die Koͤrper beſtehen, oder was dieſelben undurchdringlich macht. Mit dem Begriffe des Koͤrperlichen iſt allezeit auch der Begrif der Ausdehnung verbunden; aber dieſer allein erſchoͤpſt noch nicht das ganze Weſen des Koͤrpers. Die Vorſtellung des ausgedehnten bleibt noch in der Einbildungskraft zuruͤck, wenn wir uns den Koͤrper aus ſeinem Raume herausgenommen denken. Es gehoͤrt alſo zum Weſen des Koͤrpers außer der Ausdehnung noch Etwas, das den Raum erfuͤllet, oder verurſacht, daß in eben dem Raume außer dem Koͤrper nicht noch etwas anderes ſeyn kan. Dieſes Etwas nennen wir Materie. Der allgemeine ſinnliche Schein ſtellt uns die Materie als ausgedehnt, undurchbringlich, theilbar und traͤg vor; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0152" xml:id="P.3.146" n="146"/><lb/> </p> <p>Heißen alſo zweener Koͤrper Maſſen <hi rendition="#aq">M</hi> und <hi rendition="#aq">m,</hi> ihre Gewichte <hi rendition="#aq">P</hi> und <hi rendition="#aq">p,</hi> ſo iſt <hi rendition="#aq">M:m = P:p,</hi> und es laͤßt ſich, wo es blos auf Verhaͤltniſſe ankoͤmmt, <hi rendition="#aq">P</hi> fuͤr <hi rendition="#aq">M,</hi> das Gewicht fuͤr die Maſſe, ſetzen, wovon man Beyſpiele bey den Worten: <hi rendition="#b">Bewegung, Dichte, Schwere, ſpecifiſche</hi> rc. findet.</p> <p>Alles, was auf dieſe Saͤtze gebaut iſt, d. h. ein großer Theil unſerer zuverlaͤßigſten Kenntniſſe der Dichte, eigenthuͤmlichen Schwere, und Bewegung der Koͤrper, wuͤrde wegfallen, wenn es Materien von negativer Schwere gaͤbe. 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Heißen alſo zweener Koͤrper Maſſen M und m, ihre Gewichte P und p, ſo iſt M:m = P:p, und es laͤßt ſich, wo es blos auf Verhaͤltniſſe ankoͤmmt, P fuͤr M, das Gewicht fuͤr die Maſſe, ſetzen, wovon man Beyſpiele bey den Worten: Bewegung, Dichte, Schwere, ſpecifiſche rc. findet.
Alles, was auf dieſe Saͤtze gebaut iſt, d. h. ein großer Theil unſerer zuverlaͤßigſten Kenntniſſe der Dichte, eigenthuͤmlichen Schwere, und Bewegung der Koͤrper, wuͤrde wegfallen, wenn es Materien von negativer Schwere gaͤbe. Hieße alsdann die ſchwere Materie eines Koͤrpers M, die der Schwere entgegenſtrebende m, ſo wuͤrde ſich die Maſſe, wie M + m, das Gewicht wie M - m verhalten. Die Schwere = 1 wuͤrde in dieſem Koͤrper eine bewegende Kraft = M — m hervorbringen; eine beſchleunigende Kraft f aber, die nach einer andern Richtung in die ſaͤmtllche Maſſe wirkte, wuͤrde die bewegende Kraft (M + m) f erzeugen. So wuͤrde man in der Formel dv=2 gf dt (ſ. Kraft, beſchleunigende, Th. II. S. 800 u. 801) f nicht mehr = P/M ſetzen koͤnnen, welches den groͤßten Theil der hoͤhern Mechanik umſtoßen wuͤrde.
Materie, materieller Stof, koͤrperlicher Stof
Materia corporum, Matière, Matière des corps. Dasjenige, woraus die Koͤrper beſtehen, oder was dieſelben undurchdringlich macht. Mit dem Begriffe des Koͤrperlichen iſt allezeit auch der Begrif der Ausdehnung verbunden; aber dieſer allein erſchoͤpſt noch nicht das ganze Weſen des Koͤrpers. Die Vorſtellung des ausgedehnten bleibt noch in der Einbildungskraft zuruͤck, wenn wir uns den Koͤrper aus ſeinem Raume herausgenommen denken. Es gehoͤrt alſo zum Weſen des Koͤrpers außer der Ausdehnung noch Etwas, das den Raum erfuͤllet, oder verurſacht, daß in eben dem Raume außer dem Koͤrper nicht noch etwas anderes ſeyn kan. Dieſes Etwas nennen wir Materie.
Der allgemeine ſinnliche Schein ſtellt uns die Materie als ausgedehnt, undurchbringlich, theilbar und traͤg vor;
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