Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


außer einem Theile von Neuholland, Neuseeland, mehrere Inseln des Südmeers, die Spitze von Afrika, und einige Länder von Südamerika.

Die Orte, welche in diesen Erdstrichen liegen, sehen die Sonne zwar täglich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und zwar beyde auf eine entgegengesetzte Art, so daß es im nördlichen Frühling oder Sommer ist, wenn der südliche Herbst oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs steht, rückt ihr Tagkreis am weitsten gegen die nördliche gemäßigte Zone herauf, und entfernt sich dagegen am meisten von der südlichen. Die Ungleichheit der Tage und Nächte nimmt in diesen Zonen desto mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekreisen entfernt sind. Unter den Wendekreisen selbst sind die längsten Tage und Nächte 13 1/2 Stunde; unter den Polarkreisen 24 Stunden. Diese regelmäßige Abwechselung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den meisten Orten dieser Zonen eine gemäßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung entstanden ist. Nach der Meinung der Alten waren diese Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwischen liegt, so glaubten sie, man könne aus der nördlichen nicht in die südliche gelangen. (Duae tantum inter exustam et rigentes temperantur, eaeque ipsae inter se non peruiae propter incendium siderum. Plin. H. N. II. 70.)

Die kalten Erdstriche (Zonae frigidae, Zones glatiales) dpe und lst, sind diejenigen Stücke der Erdfläche, welche von den Polarkreisen eingeschlossen werden, und die Pole p und s in ihrer Mitte haben; dpe ist der nördliche, lst der südliche. Da die Polarkreise überall 23 1/2° von den Polen abstehen, so lassen sich diese Theile der Erdfläche als Flächen von Kugelabschnitten betrachten, deren Breite überall einen Bogen von 47° oder 695 geographischen Meilen, die Fläche eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41/1000) der Erdfläche ausmacht. Im nördlichen kalten Erdstriche liegen die nördlichsten Küsten von Sibirien und Lappland, nebst dem größten Theile von Grönland;


außer einem Theile von Neuholland, Neuſeeland, mehrere Inſeln des Suͤdmeers, die Spitze von Afrika, und einige Laͤnder von Suͤdamerika.

Die Orte, welche in dieſen Erdſtrichen liegen, ſehen die Sonne zwar taͤglich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Fruͤhling, Sommer, Herbſt und Winter, und zwar beyde auf eine entgegengeſetzte Art, ſo daß es im noͤrdlichen Fruͤhling oder Sommer iſt, wenn der ſuͤdliche Herbſt oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs ſteht, ruͤckt ihr Tagkreis am weitſten gegen die noͤrdliche gemaͤßigte Zone herauf, und entfernt ſich dagegen am meiſten von der ſuͤdlichen. Die Ungleichheit der Tage und Naͤchte nimmt in dieſen Zonen deſto mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekreiſen entfernt ſind. Unter den Wendekreiſen ſelbſt ſind die laͤngſten Tage und Naͤchte 13 1/2 Stunde; unter den Polarkreiſen 24 Stunden. Dieſe regelmaͤßige Abwechſelung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den meiſten Orten dieſer Zonen eine gemaͤßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung entſtanden iſt. Nach der Meinung der Alten waren dieſe Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwiſchen liegt, ſo glaubten ſie, man koͤnne aus der noͤrdlichen nicht in die ſuͤdliche gelangen. (Duae tantum inter exuſtam et rigentes temperantur, eaeque ipſae inter ſe non peruiae propter incendium ſiderum. Plin. H. N. II. 70.)

Die kalten Erdſtriche (Zonae frigidae, Zones glatiales) dpe und lst, ſind diejenigen Stuͤcke der Erdflaͤche, welche von den Polarkreiſen eingeſchloſſen werden, und die Pole p und s in ihrer Mitte haben; dpe iſt der noͤrdliche, lst der ſuͤdliche. Da die Polarkreiſe uͤberall 23 1/2° von den Polen abſtehen, ſo laſſen ſich dieſe Theile der Erdflaͤche als Flaͤchen von Kugelabſchnitten betrachten, deren Breite uͤberall einen Bogen von 47° oder 695 geographiſchen Meilen, die Flaͤche eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41/1000) der Erdflaͤche ausmacht. Im noͤrdlichen kalten Erdſtriche liegen die noͤrdlichſten Kuͤſten von Sibirien und Lappland, nebſt dem groͤßten Theile von Groͤnland;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0086" xml:id="P.2.80" n="80"/><lb/>
außer einem Theile von Neuholland, Neu&#x017F;eeland, mehrere In&#x017F;eln des Su&#x0364;dmeers, die Spitze von Afrika, und einige La&#x0364;nder von Su&#x0364;damerika.</p>
            <p>Die Orte, welche in die&#x017F;en Erd&#x017F;trichen liegen, &#x017F;ehen die Sonne zwar ta&#x0364;glich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Fru&#x0364;hling, Sommer, Herb&#x017F;t und Winter, und zwar beyde auf eine entgegenge&#x017F;etzte Art, &#x017F;o daß es im no&#x0364;rdlichen Fru&#x0364;hling oder Sommer i&#x017F;t, wenn der &#x017F;u&#x0364;dliche Herb&#x017F;t oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs &#x017F;teht, ru&#x0364;ckt ihr Tagkreis am weit&#x017F;ten gegen die no&#x0364;rdliche gema&#x0364;ßigte Zone herauf, und entfernt &#x017F;ich dagegen am mei&#x017F;ten von der &#x017F;u&#x0364;dlichen. Die Ungleichheit der Tage und Na&#x0364;chte nimmt in die&#x017F;en Zonen de&#x017F;to mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekrei&#x017F;en entfernt &#x017F;ind. Unter den Wendekrei&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind die la&#x0364;ng&#x017F;ten Tage und Na&#x0364;chte 13 1/2 Stunde; unter den Polarkrei&#x017F;en 24 Stunden. Die&#x017F;e regelma&#x0364;ßige Abwech&#x017F;elung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den mei&#x017F;ten Orten die&#x017F;er Zonen eine gema&#x0364;ßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung ent&#x017F;tanden i&#x017F;t. Nach der Meinung der Alten waren die&#x017F;e Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwi&#x017F;chen liegt, &#x017F;o glaubten &#x017F;ie, man ko&#x0364;nne aus der no&#x0364;rdlichen nicht in die &#x017F;u&#x0364;dliche gelangen. (<hi rendition="#aq">Duae tantum inter exu&#x017F;tam et rigentes temperantur, eaeque ip&#x017F;ae inter &#x017F;e non peruiae propter incendium &#x017F;iderum. Plin. H. N. II. 70.</hi>)</p>
            <p>Die <hi rendition="#b">kalten Erd&#x017F;triche</hi> <hi rendition="#aq">(Zonae frigidae, <hi rendition="#i">Zones glatiales</hi>) dpe</hi> und <hi rendition="#aq">lst,</hi> &#x017F;ind diejenigen Stu&#x0364;cke der Erdfla&#x0364;che, welche von den Polarkrei&#x017F;en einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden, und die Pole <hi rendition="#aq">p</hi> und <hi rendition="#aq">s</hi> in ihrer Mitte haben; <hi rendition="#aq">dpe</hi> i&#x017F;t der <hi rendition="#b">no&#x0364;rdliche,</hi> <hi rendition="#aq">lst</hi> der <hi rendition="#b">&#x017F;u&#x0364;dliche.</hi> Da die Polarkrei&#x017F;e u&#x0364;berall 23 1/2° von den Polen ab&#x017F;tehen, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die&#x017F;e Theile der Erdfla&#x0364;che als Fla&#x0364;chen von Kugelab&#x017F;chnitten betrachten, deren Breite u&#x0364;berall einen Bogen von 47° oder 695 geographi&#x017F;chen Meilen, die Fla&#x0364;che eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41/1000) der Erdfla&#x0364;che ausmacht. Im no&#x0364;rdlichen kalten Erd&#x017F;triche liegen die no&#x0364;rdlich&#x017F;ten Ku&#x0364;&#x017F;ten von Sibirien und Lappland, neb&#x017F;t dem gro&#x0364;ßten Theile von Gro&#x0364;nland;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0086] außer einem Theile von Neuholland, Neuſeeland, mehrere Inſeln des Suͤdmeers, die Spitze von Afrika, und einige Laͤnder von Suͤdamerika. Die Orte, welche in dieſen Erdſtrichen liegen, ſehen die Sonne zwar taͤglich; niemals aber im Scheitelpunkte. Sie haben in jedem Jahre nur einmal Fruͤhling, Sommer, Herbſt und Winter, und zwar beyde auf eine entgegengeſetzte Art, ſo daß es im noͤrdlichen Fruͤhling oder Sommer iſt, wenn der ſuͤdliche Herbſt oder Winter hat. Denn, wenn die Sonne im Krebs ſteht, ruͤckt ihr Tagkreis am weitſten gegen die noͤrdliche gemaͤßigte Zone herauf, und entfernt ſich dagegen am meiſten von der ſuͤdlichen. Die Ungleichheit der Tage und Naͤchte nimmt in dieſen Zonen deſto mehr zu, je mehr die Orte von den Wendekreiſen entfernt ſind. Unter den Wendekreiſen ſelbſt ſind die laͤngſten Tage und Naͤchte 13 1/2 Stunde; unter den Polarkreiſen 24 Stunden. Dieſe regelmaͤßige Abwechſelung der Jahrszeiten und des Tages mit der Nacht giebt den meiſten Orten dieſer Zonen eine gemaͤßigte Temperatur, woher denn auch ihre Benennung entſtanden iſt. Nach der Meinung der Alten waren dieſe Zonen die einzigen bewohnten; weil aber die heiße dazwiſchen liegt, ſo glaubten ſie, man koͤnne aus der noͤrdlichen nicht in die ſuͤdliche gelangen. (Duae tantum inter exuſtam et rigentes temperantur, eaeque ipſae inter ſe non peruiae propter incendium ſiderum. Plin. H. N. II. 70.) Die kalten Erdſtriche (Zonae frigidae, Zones glatiales) dpe und lst, ſind diejenigen Stuͤcke der Erdflaͤche, welche von den Polarkreiſen eingeſchloſſen werden, und die Pole p und s in ihrer Mitte haben; dpe iſt der noͤrdliche, lst der ſuͤdliche. Da die Polarkreiſe uͤberall 23 1/2° von den Polen abſtehen, ſo laſſen ſich dieſe Theile der Erdflaͤche als Flaͤchen von Kugelabſchnitten betrachten, deren Breite uͤberall einen Bogen von 47° oder 695 geographiſchen Meilen, die Flaͤche eines jeden aber 384 924 Quadratmeilen oder (41/1000) der Erdflaͤche ausmacht. Im noͤrdlichen kalten Erdſtriche liegen die noͤrdlichſten Kuͤſten von Sibirien und Lappland, nebſt dem groͤßten Theile von Groͤnland;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/86
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/86>, abgerufen am 22.11.2024.