Trägheit, und weiter sey in ihm nichts, was den Namen einer Kraft verdiene. Zwar rede man im gemeinen Leben so, die bewegte Masse M setze die ruhende N in Bewegung. Eigentlich aber liege die Ursache, warum N bewegt werde, in M und N zugleich, weil beyde undurchdringlich seyn. Wollte man also der bewegten Masse eine eigne Kraft beylegen, so müßte man auch der ruhenden eine solche zuschreiben. Ein drückender oder bewegter Körper drücke und bewege sich nicht selbst, sondern das, was drücke oder ihn bewege, müsse wenigstens in Gedanken von ihm unterschieden werden. Höre dies einmal auf, ihn zu beschleunigen, so behalte er zwar die letzte Geschwindigkeit--aber was solle nun wohl noch in ihm zurückbleiben, das den Namen einer Kraft verdiene? Man habe also bey diesem Maaße der Kräfte vergessen zu fragen, ob nicht das, was man messen wollte, vielleicht überall eine Chimäre sey.
So scharfsinnig diese Bemerkungen sind, so scheinen sie doch demjenigen, der das Kraft nennen will, was die ruhende Masse N, wenn sie von der bewegten M gestoßen wird, in Bewegung setzt, die Freyheit dazu nicht zu benehmen, weil doch überhaupt alles, was in einem ruhenden Körper Bewegung hervorbringt, Kraft heißen kan. Es ist aber auch unläugbar, daß die Bemühungen, diese Art Kräfte auszumessen, sehr entbehrlich sind, da man aus den Begriffen von den eigentlich sogenannten bewegenden Kräften und von der Trägheit, allein die ganze Mechanik herleiten kan.
Bewegende Kräfte der Maschinen,Potentiae moventes, Puissances, Forces mouvantes. Diejenigen Kräfte, deren man sich in der Ausübung bedient, um die Maschinen in Bewegung zu setzen. Die bisher bekannten bewegenden Kräfte sind folgende.
1. Die Kraft der Menschen. Sie ist unter allen die brauchbarste, und erfordert die wenigste Veranstaltung, weil Menschen nach jeder ihnen gegebnen Vorschrift, auf so mannichfaltige Art und nach allen verlangten Richtungen durch Heben, Tragen, Ziehen, Drücken, Stoßen, Treten, Drehen u. s. w. wirken, auch Stärke und Richtung
Traͤgheit, und weiter ſey in ihm nichts, was den Namen einer Kraft verdiene. Zwar rede man im gemeinen Leben ſo, die bewegte Maſſe M ſetze die ruhende N in Bewegung. Eigentlich aber liege die Urſache, warum N bewegt werde, in M und N zugleich, weil beyde undurchdringlich ſeyn. Wollte man alſo der bewegten Maſſe eine eigne Kraft beylegen, ſo muͤßte man auch der ruhenden eine ſolche zuſchreiben. Ein druͤckender oder bewegter Koͤrper druͤcke und bewege ſich nicht ſelbſt, ſondern das, was druͤcke oder ihn bewege, muͤſſe wenigſtens in Gedanken von ihm unterſchieden werden. Hoͤre dies einmal auf, ihn zu beſchleunigen, ſo behalte er zwar die letzte Geſchwindigkeit—aber was ſolle nun wohl noch in ihm zuruͤckbleiben, das den Namen einer Kraft verdiene? Man habe alſo bey dieſem Maaße der Kraͤfte vergeſſen zu fragen, ob nicht das, was man meſſen wollte, vielleicht uͤberall eine Chimaͤre ſey.
So ſcharfſinnig dieſe Bemerkungen ſind, ſo ſcheinen ſie doch demjenigen, der das Kraft nennen will, was die ruhende Maſſe N, wenn ſie von der bewegten M geſtoßen wird, in Bewegung ſetzt, die Freyheit dazu nicht zu benehmen, weil doch uͤberhaupt alles, was in einem ruhenden Koͤrper Bewegung hervorbringt, Kraft heißen kan. Es iſt aber auch unlaͤugbar, daß die Bemuͤhungen, dieſe Art Kraͤfte auszumeſſen, ſehr entbehrlich ſind, da man aus den Begriffen von den eigentlich ſogenannten bewegenden Kraͤften und von der Traͤgheit, allein die ganze Mechanik herleiten kan.
Bewegende Kraͤfte der Maſchinen,Potentiae moventes, Puiſſances, Forces mouvantes. Diejenigen Kraͤfte, deren man ſich in der Ausuͤbung bedient, um die Maſchinen in Bewegung zu ſetzen. Die bisher bekannten bewegenden Kraͤfte ſind folgende.
1. Die Kraft der Menſchen. Sie iſt unter allen die brauchbarſte, und erfordert die wenigſte Veranſtaltung, weil Menſchen nach jeder ihnen gegebnen Vorſchrift, auf ſo mannichfaltige Art und nach allen verlangten Richtungen durch Heben, Tragen, Ziehen, Druͤcken, Stoßen, Treten, Drehen u. ſ. w. wirken, auch Staͤrke und Richtung
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Traͤgheit, und weiter ſey in ihm nichts, was den Namen einer Kraft verdiene. Zwar rede man im gemeinen Leben ſo, die bewegte Maſſe M ſetze die ruhende N in Bewegung. Eigentlich aber liege die Urſache, warum N bewegt werde, in M und N zugleich, weil beyde undurchdringlich ſeyn. Wollte man alſo der bewegten Maſſe eine eigne Kraft beylegen, ſo muͤßte man auch der ruhenden eine ſolche zuſchreiben. Ein druͤckender oder bewegter Koͤrper druͤcke und bewege ſich nicht ſelbſt, ſondern das, was druͤcke oder ihn bewege, muͤſſe wenigſtens in Gedanken von ihm unterſchieden werden. Hoͤre dies einmal auf, ihn zu beſchleunigen, ſo behalte er zwar die letzte Geſchwindigkeit—aber was ſolle nun wohl noch in ihm zuruͤckbleiben, das den Namen einer Kraft verdiene? Man habe alſo bey dieſem Maaße der Kraͤfte vergeſſen zu fragen, ob nicht das, was man meſſen wollte, vielleicht uͤberall eine Chimaͤre ſey.
So ſcharfſinnig dieſe Bemerkungen ſind, ſo ſcheinen ſie doch demjenigen, der das Kraft nennen will, was die ruhende Maſſe N, wenn ſie von der bewegten M geſtoßen wird, in Bewegung ſetzt, die Freyheit dazu nicht zu benehmen, weil doch uͤberhaupt alles, was in einem ruhenden Koͤrper Bewegung hervorbringt, Kraft heißen kan. Es iſt aber auch unlaͤugbar, daß die Bemuͤhungen, dieſe Art Kraͤfte auszumeſſen, ſehr entbehrlich ſind, da man aus den Begriffen von den eigentlich ſogenannten bewegenden Kraͤften und von der Traͤgheit, allein die ganze Mechanik herleiten kan.
Bewegende Kraͤfte der Maſchinen, Potentiae moventes, Puiſſances, Forces mouvantes. Diejenigen Kraͤfte, deren man ſich in der Ausuͤbung bedient, um die Maſchinen in Bewegung zu ſetzen. Die bisher bekannten bewegenden Kraͤfte ſind folgende.
1. Die Kraft der Menſchen. Sie iſt unter allen die brauchbarſte, und erfordert die wenigſte Veranſtaltung, weil Menſchen nach jeder ihnen gegebnen Vorſchrift, auf ſo mannichfaltige Art und nach allen verlangten Richtungen durch Heben, Tragen, Ziehen, Druͤcken, Stoßen, Treten, Drehen u. ſ. w. wirken, auch Staͤrke und Richtung
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/813>, abgerufen am 22.11.2024.
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