Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Töne, welche ähnliche Figuren geben, nennt Herr Chladni gleichartige. Bey Stäben, Scheiben und Glocken werden sie tiefer, wenn die Dicke geringer ist; da hingegen bey den Saiten die dünnere einen höhern Ton angiebt. Aus dem bloßen Gewichte der Körper läßt sich auf den Ton, oder auf die Höhe und Tiefe des Klanges gar nicht schließen: bleibt aber bey Stäben das Verhältniß der Länge zur Dicke, und bey Scheiben und Glocken das Verhältniß des Durchmessers zur Dicke eben dasselbe, so verhalten sich die gleichartigen Töne, wie die Cubikwurzeln der Gewichte. Hieraus wird die im Artikel Akuftik angegebne Erzählung von den Hämmern des Pythagoras völlig unwahrscheinlich. Das Mitklingen mehrerer Töne mit dem Grundtone zugleich, ist zwar, wie Euler und Bernoulli richtig gezeigt haben, möglich und wird in der Erfahrung häufig gefunden; allein es ist keineswegs nothwendig. Es ist also falsch, wenn Erxleben (Anfangsgr. der Naturl. §. 291.) behauptet, man höre in jedem Klange gewissermaßen alle Töne mit, vorzüglich außer dem Grundtone allemal noch die Octave desselben, die Octave der Quinte, und die doppelte Octave der großen Tertie; so wie in Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste unter dem Artikel Klang gesagt wird: "Jeder Ton ist ein Accord, da"durch hört der Ton auf, ein bloßes Klappern zu seyn". Inzwischen sind aus diesem zufälligen Mitklingen harmonischer Töne von Rameau (Traite de l'harmonie. a Paris, 1722. 4.) und Iamard (Recherches sur la theorie de la Musique, a Paris et Rouen, 1769. 8.) fast alle Grundsätze der Harmonie hergeleitet worden. Bey den Saiten findet sich zwar dieses Mitklingen mehrentheils, es sind aber die Töne desselben keinesweges als nothwendige Bestandtheile des Klanges anzusehen.
Toͤne, welche aͤhnliche Figuren geben, nennt Herr Chladni gleichartige. Bey Staͤben, Scheiben und Glocken werden ſie tiefer, wenn die Dicke geringer iſt; da hingegen bey den Saiten die duͤnnere einen hoͤhern Ton angiebt. Aus dem bloßen Gewichte der Koͤrper laͤßt ſich auf den Ton, oder auf die Hoͤhe und Tiefe des Klanges gar nicht ſchließen: bleibt aber bey Staͤben das Verhaͤltniß der Laͤnge zur Dicke, und bey Scheiben und Glocken das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Dicke eben daſſelbe, ſo verhalten ſich die gleichartigen Toͤne, wie die Cubikwurzeln der Gewichte. Hieraus wird die im Artikel Akuftik angegebne Erzaͤhlung von den Haͤmmern des Pythagoras voͤllig unwahrſcheinlich. Das Mitklingen mehrerer Toͤne mit dem Grundtone zugleich, iſt zwar, wie Euler und Bernoulli richtig gezeigt haben, moͤglich und wird in der Erfahrung haͤufig gefunden; allein es iſt keineswegs nothwendig. Es iſt alſo falſch, wenn Erxleben (Anfangsgr. der Naturl. §. 291.) behauptet, man hoͤre in jedem Klange gewiſſermaßen alle Toͤne mit, vorzuͤglich außer dem Grundtone allemal noch die Octave deſſelben, die Octave der Quinte, und die doppelte Octave der großen Tertie; ſo wie in Sulzers allgemeiner Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Artikel Klang geſagt wird: ”Jeder Ton iſt ein Accord, da”durch hoͤrt der Ton auf, ein bloßes Klappern zu ſeyn“. Inzwiſchen ſind aus dieſem zufaͤlligen Mitklingen harmoniſcher Toͤne von Rameau (Traité de l'harmonie. à Paris, 1722. 4.) und Iamard (Recherches ſur la theorie de la Muſique, à Paris et Rouen, 1769. 8.) faſt alle Grundſaͤtze der Harmonie hergeleitet worden. Bey den Saiten findet ſich zwar dieſes Mitklingen mehrentheils, es ſind aber die Toͤne deſſelben keinesweges als nothwendige Beſtandtheile des Klanges anzuſehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0766" xml:id="P.2.760" n="760"/><lb/> wird, iſt um eine große None hoͤher, als der Grundton. Man erhaͤlt dieſen Ton, wenn man die Scheibe in der Mitte haͤlt, zugleich noch eine andere Stelle am Rande beruͤhrt, und 30° oder 90° weit davon mit dem Bogen ſtreicht u. ſ. w.</p> <p>Toͤne, welche aͤhnliche Figuren geben, nennt Herr Chladni <hi rendition="#b">gleichartige.</hi> Bey Staͤben, Scheiben und Glocken werden ſie tiefer, wenn die Dicke geringer iſt; da hingegen bey den Saiten die duͤnnere einen hoͤhern Ton angiebt. Aus dem bloßen Gewichte der Koͤrper laͤßt ſich auf den Ton, oder auf die Hoͤhe und Tiefe des Klanges gar nicht ſchließen: bleibt aber bey Staͤben das Verhaͤltniß der Laͤnge zur Dicke, und bey Scheiben und Glocken das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Dicke eben daſſelbe, ſo verhalten ſich die gleichartigen Toͤne, wie die Cubikwurzeln der Gewichte. Hieraus wird die im Artikel <hi rendition="#b">Akuftik</hi> angegebne Erzaͤhlung von den Haͤmmern des <hi rendition="#b">Pythagoras</hi> voͤllig unwahrſcheinlich.</p> <p>Das Mitklingen mehrerer Toͤne mit dem Grundtone zugleich, iſt zwar, wie <hi rendition="#b">Euler</hi> und <hi rendition="#b">Bernoulli</hi> richtig gezeigt haben, <hi rendition="#b">moͤglich</hi> und wird in der Erfahrung haͤufig gefunden; allein es iſt keineswegs <hi rendition="#b">nothwendig.</hi> Es iſt alſo falſch, wenn <hi rendition="#b">Erxleben</hi> (Anfangsgr. der Naturl. §. 291.) behauptet, man hoͤre in jedem Klange gewiſſermaßen alle Toͤne mit, vorzuͤglich außer dem Grundtone <hi rendition="#b">allemal</hi> noch die Octave deſſelben, die Octave der Quinte, und die doppelte Octave der großen Tertie; ſo wie in <hi rendition="#b">Sulzers</hi> allgemeiner Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Artikel <hi rendition="#b">Klang</hi> geſagt wird: ”Jeder Ton iſt ein Accord, da”durch hoͤrt der Ton auf, ein bloßes Klappern zu ſeyn“. Inzwiſchen ſind aus dieſem zufaͤlligen Mitklingen harmoniſcher Toͤne von <hi rendition="#b">Rameau</hi> <hi rendition="#aq">(Traité de l'harmonie. à Paris, 1722. 4.)</hi> und <hi rendition="#b">Iamard</hi> <hi rendition="#aq">(Recherches ſur la theorie de la Muſique, à Paris et Rouen, 1769. 8.)</hi> faſt alle Grundſaͤtze der Harmonie hergeleitet worden. Bey den Saiten findet ſich zwar dieſes Mitklingen mehrentheils, es ſind aber die Toͤne deſſelben keinesweges als nothwendige Beſtandtheile des Klanges anzuſehen.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [760/0766]
wird, iſt um eine große None hoͤher, als der Grundton. Man erhaͤlt dieſen Ton, wenn man die Scheibe in der Mitte haͤlt, zugleich noch eine andere Stelle am Rande beruͤhrt, und 30° oder 90° weit davon mit dem Bogen ſtreicht u. ſ. w.
Toͤne, welche aͤhnliche Figuren geben, nennt Herr Chladni gleichartige. Bey Staͤben, Scheiben und Glocken werden ſie tiefer, wenn die Dicke geringer iſt; da hingegen bey den Saiten die duͤnnere einen hoͤhern Ton angiebt. Aus dem bloßen Gewichte der Koͤrper laͤßt ſich auf den Ton, oder auf die Hoͤhe und Tiefe des Klanges gar nicht ſchließen: bleibt aber bey Staͤben das Verhaͤltniß der Laͤnge zur Dicke, und bey Scheiben und Glocken das Verhaͤltniß des Durchmeſſers zur Dicke eben daſſelbe, ſo verhalten ſich die gleichartigen Toͤne, wie die Cubikwurzeln der Gewichte. Hieraus wird die im Artikel Akuftik angegebne Erzaͤhlung von den Haͤmmern des Pythagoras voͤllig unwahrſcheinlich.
Das Mitklingen mehrerer Toͤne mit dem Grundtone zugleich, iſt zwar, wie Euler und Bernoulli richtig gezeigt haben, moͤglich und wird in der Erfahrung haͤufig gefunden; allein es iſt keineswegs nothwendig. Es iſt alſo falſch, wenn Erxleben (Anfangsgr. der Naturl. §. 291.) behauptet, man hoͤre in jedem Klange gewiſſermaßen alle Toͤne mit, vorzuͤglich außer dem Grundtone allemal noch die Octave deſſelben, die Octave der Quinte, und die doppelte Octave der großen Tertie; ſo wie in Sulzers allgemeiner Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte unter dem Artikel Klang geſagt wird: ”Jeder Ton iſt ein Accord, da”durch hoͤrt der Ton auf, ein bloßes Klappern zu ſeyn“. Inzwiſchen ſind aus dieſem zufaͤlligen Mitklingen harmoniſcher Toͤne von Rameau (Traité de l'harmonie. à Paris, 1722. 4.) und Iamard (Recherches ſur la theorie de la Muſique, à Paris et Rouen, 1769. 8.) faſt alle Grundſaͤtze der Harmonie hergeleitet worden. Bey den Saiten findet ſich zwar dieſes Mitklingen mehrentheils, es ſind aber die Toͤne deſſelben keinesweges als nothwendige Beſtandtheile des Klanges anzuſehen.
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