Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Kaufticität, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis caustica, corrosiva, Causticite. Die scharfe und fressende Eigenschaft vieler Substanzen, z. B. der concentrirten mineralischen Säuren, der Laugensalze, des lebendigen Kalks, Arseniks, ätzenden Quecksilbersublimats, der Silberkrystallen, Spießglasbutter rc., vermöge welcher sie die Theile des thierischen Körpers zersetzen, und daher auf denselben innerlich als Gifte, äußerlich als Aetzmittel wirken; überhaupt aber auch an unorganisirten Körpern auflösende Kräfte ausüben. Man wird schon aus dieser Beschreibung sehen, daß die Aetzbarkeit in einer starken Auflösungskraft oder in einer sehr thätigen Verwandschaft mit vielen Substanzen, bestehe. Die große Aehnlichkeit zwischen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer für die einzige ätzende Substanz anzunehmen und die Kausticität des Kalks, der Laugensalze und der Säuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche sich in den Zwischenräumen dieser Substanzen befänden. Aus dieser Theorie hat schon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymischer Erklärungen hergeleitet. Meyer in Osnabrück (Chym. Vers. zur nähern Kenntniß des ungelöschten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) änderte sie dahin ab, daß er anstatt des reinen Feuers, vielmehr eine Mischung desselben mit einer Säure, unter dem Namen des Kausticums oder der fetten Säure für den Grund aller Aetzbarkeit annahm -- eine Theorie, die er mit sorgfältigen und an sich sehr schätzbaren Erfahrungen zu unterstützen suchte. Baume (Chymie experimentale et raisonnee, a Paris, 1773. III. To. 8. übersetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyerische Kausticum, und nahm dafür das fast reine Feuer an, welches sich in unendlich verschiedenen Verbindungszuständen mit andern Körpern befinden
Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis cauſtica, corroſiva, Cauſticité. Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten mineraliſchen Saͤuren, der Laugenſalze, des lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats, der Silberkryſtallen, Spießglasbutter rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe. Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. Meyer in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des Kauſticums oder der fetten Saͤure fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm — eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. Baume (Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8. uͤberſetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das faſt reine Feuer an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0750" xml:id="P.2.744" n="744"/><lb/> zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, 9tes Stuͤck, Breslau, 1777. 8.).</p> </div> <div n="2"> <head>Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Vis cauſtica, corroſiva</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Cauſticité</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten <hi rendition="#b">mineraliſchen Saͤuren,</hi> der <hi rendition="#b">Laugenſalze,</hi> des <hi rendition="#b">lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats,</hi> der <hi rendition="#b">Silberkryſtallen, Spießglasbutter</hi> rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe.</p> <p>Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon <hi rendition="#b">Lemery</hi> mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. <hi rendition="#b">Meyer</hi> in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des <hi rendition="#b">Kauſticums</hi> oder der <hi rendition="#b">fetten Saͤure</hi> fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm — eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. <hi rendition="#b">Baume</hi> <hi rendition="#aq">(Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8.</hi> uͤberſetzt von <hi rendition="#b">I. C. Gehler,</hi> Leipzig, <hi rendition="#aq">1775. 1776. III</hi> Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das <hi rendition="#b">faſt reine Feuer</hi> an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [744/0750]
zur mathematiſchen Buͤcherkenntniß, 9tes Stuͤck, Breslau, 1777. 8.).
Kaufticitaͤt, Aetzbarkeit, Aetzkraft, Beizende Kraft, Vis cauſtica, corroſiva, Cauſticité.
Die ſcharfe und freſſende Eigenſchaft vieler Subſtanzen, z. B. der concentrirten mineraliſchen Saͤuren, der Laugenſalze, des lebendigen Kalks, Arſeniks, aͤtzenden Queckſilberſublimats, der Silberkryſtallen, Spießglasbutter rc., vermoͤge welcher ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers zerſetzen, und daher auf denſelben innerlich als Gifte, aͤußerlich als Aetzmittel wirken; uͤberhaupt aber auch an unorganiſirten Koͤrpern aufloͤſende Kraͤfte ausuͤben. Man wird ſchon aus dieſer Beſchreibung ſehen, daß die Aetzbarkeit in einer ſtarken Aufloͤſungskraft oder in einer ſehr thaͤtigen Verwandſchaft mit vielen Subſtanzen, beſtehe.
Die große Aehnlichkeit zwiſchen den Wirkungen der Aetzmittel und des Feuers, bewog die Chymiker, das Feuer fuͤr die einzige aͤtzende Subſtanz anzunehmen und die Kauſticitaͤt des Kalks, der Laugenſalze und der Saͤuren aus den Feuectheilchen herzuleiten, welche ſich in den Zwiſchenraͤumen dieſer Subſtanzen befaͤnden. Aus dieſer Theorie hat ſchon Lemery mit ungemeiner Leichtigkeit eine große Menge chymiſcher Erklaͤrungen hergeleitet. Meyer in Osnabruͤck (Chym. Verſ. zur naͤhern Kenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 8.) aͤnderte ſie dahin ab, daß er anſtatt des reinen Feuers, vielmehr eine Miſchung deſſelben mit einer Saͤure, unter dem Namen des Kauſticums oder der fetten Saͤure fuͤr den Grund aller Aetzbarkeit annahm — eine Theorie, die er mit ſorgfaͤltigen und an ſich ſehr ſchaͤtzbaren Erfahrungen zu unterſtuͤtzen ſuchte. Baume (Chymie experimentale et raiſonnée, à Paris, 1773. III. To. 8. uͤberſetzt von I. C. Gehler, Leipzig, 1775. 1776. III Th. gr. 8.) verwarf zwar das Meyeriſche Kauſticum, und nahm dafuͤr das faſt reine Feuer an, welches ſich in unendlich verſchiedenen Verbindungszuſtaͤnden mit andern Koͤrpern befinden
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