Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


1695. 8. An Essay towards the natural history of the Earth. Lond. 1733. 8.), der zwar viele Beobachtungen gesammelt hatte, aber doch ein schlechter Physiker war, hielt die Erde für eine Wasserkugel mit einer festen Rinde. Die Sündfluth erklärt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zusammenhang der Körper auf, wodurch sich alles auflösete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von dieser allgemeinen Auflösung ausgeschlossen (gerade, als ob bey aufgehobenem Zusammenhange noch Fibern statt finden könnten). Er ließ darauf die Schwere wieder entstehen. Nun sanken die Materien nach der Ordnung derselben nieder, bildeten Schichten, und führten die organisirten Körper mit sich in die Schichten von gleicher specifischen Schwere. Diese neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und öfnete dem Wasser Wege, sich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdfläche entstanden. Es ist aber ganz ungegründet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der specifischen Schwere liegen; auch hat de Lüc (Briefe über die Geschichte der Erde und des Menschen, Th. I. XVII. u. f. Briefe) die häufigen Irrthümer und Fehlschlüsse dieses Systems sehr umständlich dargestellt.

Herr von Leibnitz (Protogaea s. de prima facie telluris et antiquissimae historiae vestigiis in ipsis naturae monumentis diss. in Act. Erud. Lips. a. 1693. und besonders durch Scheid, Goetting. 1749. 4.) läßt die Erde aus einem ausgebrannten und geschmolzenen Körper entstehen. Der Anfang seines Verlöschens ist die Scheidung des Lichts von der Finsterniß und die Epoche der Schöpfung. Die durch Hitze verglaseten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Blasen, d. i. Berge und große Höhlen, entstanden. Als die Oberfläche kalt genug war, fielen die Dünste aus der Atmosphäre herab, bedeckten die Fläche mit Wasser, und lösten die Salze auf; daher das salzige Seewasser. Bey zunehmendem Abkühlen zerriß die Rinde, das Wasser verlief sich zum Theil in die Hölen, und brachte Länder aufs Trockne, welche den ersten Menschen zu Wohnplätzen dienten. Endlich stürzten die


1695. 8. An Eſſay towards the natural hiſtory of the Earth. Lond. 1733. 8.), der zwar viele Beobachtungen geſammelt hatte, aber doch ein ſchlechter Phyſiker war, hielt die Erde fuͤr eine Waſſerkugel mit einer feſten Rinde. Die Suͤndfluth erklaͤrt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zuſammenhang der Koͤrper auf, wodurch ſich alles aufloͤſete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von dieſer allgemeinen Aufloͤſung ausgeſchloſſen (gerade, als ob bey aufgehobenem Zuſammenhange noch Fibern ſtatt finden koͤnnten). Er ließ darauf die Schwere wieder entſtehen. Nun ſanken die Materien nach der Ordnung derſelben nieder, bildeten Schichten, und fuͤhrten die organiſirten Koͤrper mit ſich in die Schichten von gleicher ſpecifiſchen Schwere. Dieſe neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und oͤfnete dem Waſſer Wege, ſich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdflaͤche entſtanden. Es iſt aber ganz ungegruͤndet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der ſpecifiſchen Schwere liegen; auch hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. XVII. u. f. Briefe) die haͤufigen Irrthuͤmer und Fehlſchluͤſſe dieſes Syſtems ſehr umſtaͤndlich dargeſtellt.

Herr von Leibnitz (Protogaea ſ. de prima facie telluris et antiquiſſimae hiſtoriae veſtigiis in ipſis naturae monumentis diſſ. in Act. Erud. Lipſ. a. 1693. und beſonders durch Scheid, Goetting. 1749. 4.) laͤßt die Erde aus einem ausgebrannten und geſchmolzenen Koͤrper entſtehen. Der Anfang ſeines Verloͤſchens iſt die Scheidung des Lichts von der Finſterniß und die Epoche der Schoͤpfung. Die durch Hitze verglaſeten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Blaſen, d. i. Berge und große Hoͤhlen, entſtanden. Als die Oberflaͤche kalt genug war, fielen die Duͤnſte aus der Atmoſphaͤre herab, bedeckten die Flaͤche mit Waſſer, und loͤſten die Salze auf; daher das ſalzige Seewaſſer. Bey zunehmendem Abkuͤhlen zerriß die Rinde, das Waſſer verlief ſich zum Theil in die Hoͤlen, und brachte Laͤnder aufs Trockne, welche den erſten Menſchen zu Wohnplaͤtzen dienten. Endlich ſtuͤrzten die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0063" xml:id="P.2.57" n="57"/><lb/>
1695. 8. <hi rendition="#aq">An E&#x017F;&#x017F;ay towards the natural hi&#x017F;tory of the Earth. Lond. 1733. 8.</hi>), der zwar viele Beobachtungen ge&#x017F;ammelt hatte, aber doch ein &#x017F;chlechter Phy&#x017F;iker war, hielt die Erde fu&#x0364;r eine Wa&#x017F;&#x017F;erkugel mit einer fe&#x017F;ten Rinde. Die Su&#x0364;ndfluth erkla&#x0364;rt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zu&#x017F;ammenhang der Ko&#x0364;rper auf, wodurch &#x017F;ich alles auflo&#x0364;&#x017F;ete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von die&#x017F;er allgemeinen Auflo&#x0364;&#x017F;ung ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en (gerade, als ob bey aufgehobenem Zu&#x017F;ammenhange noch Fibern &#x017F;tatt finden ko&#x0364;nnten). Er ließ darauf die Schwere wieder ent&#x017F;tehen. Nun &#x017F;anken die Materien nach der Ordnung der&#x017F;elben nieder, bildeten Schichten, und fu&#x0364;hrten die organi&#x017F;irten Ko&#x0364;rper mit &#x017F;ich in die Schichten von gleicher &#x017F;pecifi&#x017F;chen Schwere. Die&#x017F;e neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und o&#x0364;fnete dem Wa&#x017F;&#x017F;er Wege, &#x017F;ich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdfla&#x0364;che ent&#x017F;tanden. Es i&#x017F;t aber ganz ungegru&#x0364;ndet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der &#x017F;pecifi&#x017F;chen Schwere liegen; auch hat <hi rendition="#b">de Lu&#x0364;c</hi> (Briefe u&#x0364;ber die Ge&#x017F;chichte der Erde und des Men&#x017F;chen, Th. <hi rendition="#aq">I. XVII.</hi> u. f. Briefe) die ha&#x0364;ufigen Irrthu&#x0364;mer und Fehl&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es Sy&#x017F;tems &#x017F;ehr um&#x017F;ta&#x0364;ndlich darge&#x017F;tellt.</p>
            <p>Herr <hi rendition="#b">von Leibnitz</hi> (<hi rendition="#aq">Protogaea &#x017F;. de prima facie telluris et antiqui&#x017F;&#x017F;imae hi&#x017F;toriae ve&#x017F;tigiis in ip&#x017F;is naturae monumentis di&#x017F;&#x017F;. in Act. Erud. Lip&#x017F;. a.</hi> 1693. und be&#x017F;onders durch <hi rendition="#b">Scheid,</hi> <hi rendition="#aq">Goetting. 1749. 4.</hi>) la&#x0364;ßt die Erde aus einem ausgebrannten und ge&#x017F;chmolzenen Ko&#x0364;rper ent&#x017F;tehen. Der Anfang &#x017F;eines Verlo&#x0364;&#x017F;chens i&#x017F;t die Scheidung des Lichts von der Fin&#x017F;terniß und die Epoche der Scho&#x0364;pfung. Die durch Hitze vergla&#x017F;eten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Bla&#x017F;en, d. i. <hi rendition="#b">Berge</hi> und große <hi rendition="#b">Ho&#x0364;hlen,</hi> ent&#x017F;tanden. Als die Oberfla&#x0364;che kalt genug war, fielen die Du&#x0364;n&#x017F;te aus der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re herab, bedeckten die Fla&#x0364;che mit Wa&#x017F;&#x017F;er, und lo&#x0364;&#x017F;ten die Salze auf; daher das &#x017F;alzige Seewa&#x017F;&#x017F;er. Bey zunehmendem Abku&#x0364;hlen zerriß die Rinde, das Wa&#x017F;&#x017F;er verlief &#x017F;ich zum Theil in die Ho&#x0364;len, und brachte La&#x0364;nder aufs Trockne, welche den er&#x017F;ten Men&#x017F;chen zu Wohnpla&#x0364;tzen dienten. Endlich &#x017F;tu&#x0364;rzten die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0063] 1695. 8. An Eſſay towards the natural hiſtory of the Earth. Lond. 1733. 8.), der zwar viele Beobachtungen geſammelt hatte, aber doch ein ſchlechter Phyſiker war, hielt die Erde fuͤr eine Waſſerkugel mit einer feſten Rinde. Die Suͤndfluth erklaͤrt er durch ein Wunder. Gott hob auf einmal Schwere und Zuſammenhang der Koͤrper auf, wodurch ſich alles aufloͤſete; nur die Thiere blieben wegen der Verflechtung ihrer Fibern von dieſer allgemeinen Aufloͤſung ausgeſchloſſen (gerade, als ob bey aufgehobenem Zuſammenhange noch Fibern ſtatt finden koͤnnten). Er ließ darauf die Schwere wieder entſtehen. Nun ſanken die Materien nach der Ordnung derſelben nieder, bildeten Schichten, und fuͤhrten die organiſirten Koͤrper mit ſich in die Schichten von gleicher ſpecifiſchen Schwere. Dieſe neue Rinde zerbrach wieder an einigen Stellen, und oͤfnete dem Waſſer Wege, ſich zu verlaufen, wodurch die Unebenheiten der Erdflaͤche entſtanden. Es iſt aber ganz ungegruͤndet, daß die Materien der Schichten nach der Ordnung der ſpecifiſchen Schwere liegen; auch hat de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. XVII. u. f. Briefe) die haͤufigen Irrthuͤmer und Fehlſchluͤſſe dieſes Syſtems ſehr umſtaͤndlich dargeſtellt. Herr von Leibnitz (Protogaea ſ. de prima facie telluris et antiquiſſimae hiſtoriae veſtigiis in ipſis naturae monumentis diſſ. in Act. Erud. Lipſ. a. 1693. und beſonders durch Scheid, Goetting. 1749. 4.) laͤßt die Erde aus einem ausgebrannten und geſchmolzenen Koͤrper entſtehen. Der Anfang ſeines Verloͤſchens iſt die Scheidung des Lichts von der Finſterniß und die Epoche der Schoͤpfung. Die durch Hitze verglaſeten Schlacken machten die Rinde aus, in welcher beym Erkalten Buckeln und Blaſen, d. i. Berge und große Hoͤhlen, entſtanden. Als die Oberflaͤche kalt genug war, fielen die Duͤnſte aus der Atmoſphaͤre herab, bedeckten die Flaͤche mit Waſſer, und loͤſten die Salze auf; daher das ſalzige Seewaſſer. Bey zunehmendem Abkuͤhlen zerriß die Rinde, das Waſſer verlief ſich zum Theil in die Hoͤlen, und brachte Laͤnder aufs Trockne, welche den erſten Menſchen zu Wohnplaͤtzen dienten. Endlich ſtuͤrzten die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/63
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/63>, abgerufen am 22.11.2024.