Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Freylich können diese Auflösungen der Natur der Sache nach keine Schärfe gewähren, und sind also, wo Genauigkeit erfordert wird, schlechterdings unzulänglich. Sie bleiben aber doch, wo man sich mit mittelmäßiger Richtigkeit befriedigen darf, äußerst bequem, und helfen sogar, wenn man schärfere Rechnungen anstellt, durch den bloßen sinnlichen Anblick entscheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks über oder unter 90°, ob der berechnete Winkel stumpf oder spitzig sey u. dgl., welches die Rechnung selbst in vielen Fällen unentschieden läßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Astr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur für die sey, welche nicht denken können oder wollen, ist übertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktischer Astronom den Gebrauch des Globus gänzlich aufgeben. Die künstliche Himmelskugel, gehörig nach Ort und Zeit gestellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Höhe jedes Sternbild zu finden sey, und wird dadurch ein sehr gutes Hülfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat sie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der äußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieselben an der innern hohlen Fläche zeigt. Daher stehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft diesem Umstande leicht ab, und es scheint mir nicht der Mühe werth, blos dieserwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere sehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreise und Sterne auf der innern Fläche verzeichnet sind, s. Sternkegel. Geschichte der künstlichen Himmels- und Erdkugeln. Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. sqq.) redet, scheinen größtentheils Armillarsphären gewesen zu seyn, s. Ringkugel. Diodor erklärt die Fabel
Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben. Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, ſ. Sternkegel. Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugeln. Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq.) redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, ſ. Ringkugel. Diodor erklaͤrt die Fabel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0609" xml:id="P.2.603" n="603"/><lb/> vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).</p> <p>Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. <hi rendition="#b">Wolfs</hi> Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben.</p> <p>Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, <hi rendition="#b">ſ. Sternkegel.</hi> <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugeln.</hi></hi></p> <p>Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen <hi rendition="#b">Fabricius</hi> <hi rendition="#aq">(Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq.)</hi> redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, <hi rendition="#b">ſ. Ringkugel. Diodor</hi> erklaͤrt die Fabel<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [603/0609]
vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).
Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben.
Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, ſ. Sternkegel. Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugeln.
Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq.) redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, ſ. Ringkugel. Diodor erklaͤrt die Fabel
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