Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


in einer Entfernung von 38--45 Dicken zusammen. Dies nennt Maraldi den falschen Halbfchatten (penombre fausse).

Hart, Durum, Dur.

Hart heißt ein Körper, wenn sich seine Gestalt, d. i. die Lage seiner Theile gegen einander durch keinen Druck oder Stoß ändern läßt. Im Gegentheil heißt der Körper weich, wenn er Aenderungen seiner Gestalt zuläßt, und diese geänderte Gestalt auch behält; elastisch aber, wenn er zwar die Gestalt ändern läßt, aber nach aufhörendem Drucke oder Stoße die vorige wieder annimmt. Nun zeigt die Erfahrung, daß alle zusammengesetzte Körper Aenderungen ihrer Gestalt zulassen. Daher giebt es unter ihnen keinen vollkommen oder absolut harten Körper, und das Wort Hart drückt insgemein einen blos relativen Begriff aus: wir nennen diejenigen Körper hart, welche zu Aenderung ihrer Gestalt eine große Kraft, oder mehr Kraft als andere, erfordern. So heißt ein Stein hart, wenn er mit dem Stahle Feuer giebt, d. i. wenn zu Trennung seiner Theile eine Kraft erfordert wird, welche zugleich vermögend ist, die Theile des Stahls zu trennen u. s. w.

Wenn man sich Atomen, oder erste untheilbare Elemente der Materie gedenken will, so müssen dieselben unstreitig vollkommen hart angenommen werden. Denn da sie keine weitern Theile haben sollen, so läßt sich der Begriff von Aenderung der Lage der Theile auf sie gar nicht anwenden; sie können daher weder weich noch elastisch gedacht werden. Also scheinen doch die Atomen vollkommen hart zu seyn, wenn es auch die zusammengesetzten Körper nicht sind; und die Härte gehört wenigstens unter die hypothetischen Eigenschaften der Materie.

Johann Bernoulli aber (Discours sur le mouvement, in Opp. To. III. no. 135. ch. I.) hat aus Ursachen, welche sich auf die Gesetze des Stoßes und der Stetigkeit gründen, auch den ersten Theilen der Materie die Härte abgesprochen, s. Stetigkeit. Es kömmt hiebey freylich auf den Begriff an, den man sich von der Materie überhaupt


in einer Entfernung von 38—45 Dicken zuſammen. Dies nennt Maraldi den falſchen Halbfchatten (pénombre fauſſe).

Hart, Durum, Dur.

Hart heißt ein Koͤrper, wenn ſich ſeine Geſtalt, d. i. die Lage ſeiner Theile gegen einander durch keinen Druck oder Stoß aͤndern laͤßt. Im Gegentheil heißt der Koͤrper weich, wenn er Aenderungen ſeiner Geſtalt zulaͤßt, und dieſe geaͤnderte Geſtalt auch behaͤlt; elaſtiſch aber, wenn er zwar die Geſtalt aͤndern laͤßt, aber nach aufhoͤrendem Drucke oder Stoße die vorige wieder annimmt. Nun zeigt die Erfahrung, daß alle zuſammengeſetzte Koͤrper Aenderungen ihrer Geſtalt zulaſſen. Daher giebt es unter ihnen keinen vollkommen oder abſolut harten Koͤrper, und das Wort Hart druͤckt insgemein einen blos relativen Begriff aus: wir nennen diejenigen Koͤrper hart, welche zu Aenderung ihrer Geſtalt eine große Kraft, oder mehr Kraft als andere, erfordern. So heißt ein Stein hart, wenn er mit dem Stahle Feuer giebt, d. i. wenn zu Trennung ſeiner Theile eine Kraft erfordert wird, welche zugleich vermoͤgend iſt, die Theile des Stahls zu trennen u. ſ. w.

Wenn man ſich Atomen, oder erſte untheilbare Elemente der Materie gedenken will, ſo muͤſſen dieſelben unſtreitig vollkommen hart angenommen werden. Denn da ſie keine weitern Theile haben ſollen, ſo laͤßt ſich der Begriff von Aenderung der Lage der Theile auf ſie gar nicht anwenden; ſie koͤnnen daher weder weich noch elaſtiſch gedacht werden. Alſo ſcheinen doch die Atomen vollkommen hart zu ſeyn, wenn es auch die zuſammengeſetzten Koͤrper nicht ſind; und die Haͤrte gehoͤrt wenigſtens unter die hypothetiſchen Eigenſchaften der Materie.

Johann Bernoulli aber (Diſcours ſur le mouvement, in Opp. To. III. no. 135. ch. I.) hat aus Urſachen, welche ſich auf die Geſetze des Stoßes und der Stetigkeit gruͤnden, auch den erſten Theilen der Materie die Haͤrte abgeſprochen, ſ. Stetigkeit. Es koͤmmt hiebey freylich auf den Begriff an, den man ſich von der Materie uͤberhaupt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0568" xml:id="P.2.562" n="562"/><lb/>
in einer Entfernung von 38&#x2014;45 Dicken zu&#x017F;ammen. Dies nennt Maraldi den <hi rendition="#b">fal&#x017F;chen Halbfchatten</hi> <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">pénombre fau&#x017F;&#x017F;e).</hi></hi></p>
          </div>
          <div n="2">
            <head>Hart, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Durum</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Dur</hi></foreign></name>.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#b">Hart</hi> heißt ein Ko&#x0364;rper, wenn &#x017F;ich &#x017F;eine Ge&#x017F;talt, d. i. die Lage &#x017F;einer Theile gegen einander durch keinen Druck oder Stoß a&#x0364;ndern la&#x0364;ßt. Im Gegentheil heißt der Ko&#x0364;rper <hi rendition="#b">weich,</hi> wenn er Aenderungen &#x017F;einer Ge&#x017F;talt zula&#x0364;ßt, und die&#x017F;e gea&#x0364;nderte Ge&#x017F;talt auch beha&#x0364;lt; <hi rendition="#b">ela&#x017F;ti&#x017F;ch</hi> aber, wenn er zwar die Ge&#x017F;talt a&#x0364;ndern la&#x0364;ßt, aber nach aufho&#x0364;rendem Drucke oder Stoße die vorige wieder annimmt. Nun zeigt die Erfahrung, daß alle zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte Ko&#x0364;rper Aenderungen ihrer Ge&#x017F;talt zula&#x017F;&#x017F;en. Daher giebt es unter ihnen keinen <hi rendition="#b">vollkommen</hi> oder <hi rendition="#b">ab&#x017F;olut harten</hi> Ko&#x0364;rper, und das Wort Hart dru&#x0364;ckt insgemein einen blos relativen Begriff aus: wir nennen diejenigen Ko&#x0364;rper hart, welche zu Aenderung ihrer Ge&#x017F;talt eine große Kraft, oder mehr Kraft als andere, erfordern. So heißt ein Stein hart, wenn er mit dem Stahle Feuer giebt, d. i. wenn zu Trennung &#x017F;einer Theile eine Kraft erfordert wird, welche zugleich vermo&#x0364;gend i&#x017F;t, die Theile des Stahls zu trennen u. &#x017F;. w.</p>
            <p>Wenn man &#x017F;ich Atomen, oder er&#x017F;te untheilbare Elemente der Materie gedenken will, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elben un&#x017F;treitig <hi rendition="#b">vollkommen hart</hi> angenommen werden. Denn da &#x017F;ie keine weitern Theile haben &#x017F;ollen, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich der Begriff von Aenderung der Lage der Theile auf &#x017F;ie gar nicht anwenden; &#x017F;ie ko&#x0364;nnen daher weder weich noch ela&#x017F;ti&#x017F;ch gedacht werden. Al&#x017F;o &#x017F;cheinen doch die Atomen vollkommen hart zu &#x017F;eyn, wenn es auch die zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Ko&#x0364;rper nicht &#x017F;ind; und die Ha&#x0364;rte geho&#x0364;rt wenig&#x017F;tens unter die hypotheti&#x017F;chen Eigen&#x017F;chaften der Materie.</p>
            <p><hi rendition="#b">Johann Bernoulli</hi> aber <hi rendition="#aq">(Di&#x017F;cours &#x017F;ur le mouvement, in Opp. To. III. no. 135. ch. I.)</hi> hat aus Ur&#x017F;achen, welche &#x017F;ich auf die Ge&#x017F;etze des Stoßes und der Stetigkeit gru&#x0364;nden, auch den er&#x017F;ten Theilen der Materie die Ha&#x0364;rte abge&#x017F;prochen, <hi rendition="#b">&#x017F;. Stetigkeit.</hi> Es ko&#x0364;mmt hiebey freylich auf den Begriff an, den man &#x017F;ich von der Materie u&#x0364;berhaupt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0568] in einer Entfernung von 38—45 Dicken zuſammen. Dies nennt Maraldi den falſchen Halbfchatten (pénombre fauſſe). Hart, Durum, Dur. Hart heißt ein Koͤrper, wenn ſich ſeine Geſtalt, d. i. die Lage ſeiner Theile gegen einander durch keinen Druck oder Stoß aͤndern laͤßt. Im Gegentheil heißt der Koͤrper weich, wenn er Aenderungen ſeiner Geſtalt zulaͤßt, und dieſe geaͤnderte Geſtalt auch behaͤlt; elaſtiſch aber, wenn er zwar die Geſtalt aͤndern laͤßt, aber nach aufhoͤrendem Drucke oder Stoße die vorige wieder annimmt. Nun zeigt die Erfahrung, daß alle zuſammengeſetzte Koͤrper Aenderungen ihrer Geſtalt zulaſſen. Daher giebt es unter ihnen keinen vollkommen oder abſolut harten Koͤrper, und das Wort Hart druͤckt insgemein einen blos relativen Begriff aus: wir nennen diejenigen Koͤrper hart, welche zu Aenderung ihrer Geſtalt eine große Kraft, oder mehr Kraft als andere, erfordern. So heißt ein Stein hart, wenn er mit dem Stahle Feuer giebt, d. i. wenn zu Trennung ſeiner Theile eine Kraft erfordert wird, welche zugleich vermoͤgend iſt, die Theile des Stahls zu trennen u. ſ. w. Wenn man ſich Atomen, oder erſte untheilbare Elemente der Materie gedenken will, ſo muͤſſen dieſelben unſtreitig vollkommen hart angenommen werden. Denn da ſie keine weitern Theile haben ſollen, ſo laͤßt ſich der Begriff von Aenderung der Lage der Theile auf ſie gar nicht anwenden; ſie koͤnnen daher weder weich noch elaſtiſch gedacht werden. Alſo ſcheinen doch die Atomen vollkommen hart zu ſeyn, wenn es auch die zuſammengeſetzten Koͤrper nicht ſind; und die Haͤrte gehoͤrt wenigſtens unter die hypothetiſchen Eigenſchaften der Materie. Johann Bernoulli aber (Diſcours ſur le mouvement, in Opp. To. III. no. 135. ch. I.) hat aus Urſachen, welche ſich auf die Geſetze des Stoßes und der Stetigkeit gruͤnden, auch den erſten Theilen der Materie die Haͤrte abgeſprochen, ſ. Stetigkeit. Es koͤmmt hiebey freylich auf den Begriff an, den man ſich von der Materie uͤberhaupt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/568
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/568>, abgerufen am 22.11.2024.