Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


die Gravitation Wirkung eines Ausflusses sey, der sich in Form von Stralen um einen Mittelpunkt verbreitet, welche Voraussetzung Newtons Vertheidiger gar nicht zuzugeben genöthiget sind. Es haben zwar einige Newtonianer das Gesetz der Gravitation mit dem Gesetze der Abnahme des Lichts verglichen, welches wirklich durch Stralen aus einem Mittelpunkte gebildet wird; allein diese Vergleichung ist kein wesentlicher Theil des Systems, und sehr wenig passend, da das Licht nur die Oberfläche erlenchtet, die Gravitation aber die ganze Masse betrift. Wer überhaupt die Ursache des Phänomens unentschieden läst, darf auch nicht zugeben, daß es durch Stralen aus dem anziehenden Körper bewirkt werde, alsdann aber fällt die ganze Stärke des Einwurfs hinweg.

Ich komme nunmehr auf die newtonische Theorie selbst. Sind alle Theile der Materie gegen einander schwer, so muß jeder Körper gegen alle Theile eines andern gravitiren, und also auf diesen andern zu mit einer Kraft und Richtung gehen, welche aus den Kräften und Richtungen gegen alle Theile desselben zusammengesetzt ist. Newton beweiset (prop. 71 et 77.), daß diese Richtung in zween Fällen gegen den Schwerpunkt der ganzen Masse des andern Körpers gehe, 1. wenn sich die Schwere, wie der Abstand, verhält, 2. wenn sie sich verkehrt, wie das Quadrat des Abstands verhält, der Körper aber kugelförmig ist, und in gleichen Abständen vom Mittelpunkte gleiche Dichtigkeit hat. In diesen zween Fällen kan man die ganze Masse im Schwerpunkte versammlet annehmen, und im letztern Falle die Gravitation durchM/D ausdrücken, wenn M die Masse des anziehenden Körpers, D des angezognen Abstand von jenes Schwerpunkte ist.

Befindet sich aber der angezogene Körper innerhalb der anziehenden Kugel, wie ein Stein im Innern der Erde, so wird er (prop. 73.) im Verhältnisse seines Abstandes vom Mittelpunkte angezogen, und die Schwere nimmt in eben dem Verhältnisse ab, in welchem er dem Mittelpunkte


die Gravitation Wirkung eines Ausfluſſes ſey, der ſich in Form von Stralen um einen Mittelpunkt verbreitet, welche Vorausſetzung Newtons Vertheidiger gar nicht zuzugeben genoͤthiget ſind. Es haben zwar einige Newtonianer das Geſetz der Gravitation mit dem Geſetze der Abnahme des Lichts verglichen, welches wirklich durch Stralen aus einem Mittelpunkte gebildet wird; allein dieſe Vergleichung iſt kein weſentlicher Theil des Syſtems, und ſehr wenig paſſend, da das Licht nur die Oberflaͤche erlenchtet, die Gravitation aber die ganze Maſſe betrift. Wer uͤberhaupt die Urſache des Phaͤnomens unentſchieden laͤſt, darf auch nicht zugeben, daß es durch Stralen aus dem anziehenden Koͤrper bewirkt werde, alsdann aber faͤllt die ganze Staͤrke des Einwurfs hinweg.

Ich komme nunmehr auf die newtoniſche Theorie ſelbſt. Sind alle Theile der Materie gegen einander ſchwer, ſo muß jeder Koͤrper gegen alle Theile eines andern gravitiren, und alſo auf dieſen andern zu mit einer Kraft und Richtung gehen, welche aus den Kraͤften und Richtungen gegen alle Theile deſſelben zuſammengeſetzt iſt. Newton beweiſet (prop. 71 et 77.), daß dieſe Richtung in zween Faͤllen gegen den Schwerpunkt der ganzen Maſſe des andern Koͤrpers gehe, 1. wenn ſich die Schwere, wie der Abſtand, verhaͤlt, 2. wenn ſie ſich verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands verhaͤlt, der Koͤrper aber kugelfoͤrmig iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte gleiche Dichtigkeit hat. In dieſen zween Faͤllen kan man die ganze Maſſe im Schwerpunkte verſammlet annehmen, und im letztern Falle die Gravitation durchM/D ausdruͤcken, wenn M die Maſſe des anziehenden Koͤrpers, D des angezognen Abſtand von jenes Schwerpunkte iſt.

Befindet ſich aber der angezogene Koͤrper innerhalb der anziehenden Kugel, wie ein Stein im Innern der Erde, ſo wird er (prop. 73.) im Verhaͤltniſſe ſeines Abſtandes vom Mittelpunkte angezogen, und die Schwere nimmt in eben dem Verhaͤltniſſe ab, in welchem er dem Mittelpunkte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0536" xml:id="P.2.530" n="530"/><lb/>
die Gravitation Wirkung eines Ausflu&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ey, der &#x017F;ich in Form von Stralen um einen Mittelpunkt verbreitet, welche Voraus&#x017F;etzung <hi rendition="#b">Newtons</hi> Vertheidiger gar nicht zuzugeben geno&#x0364;thiget &#x017F;ind. Es haben zwar einige Newtonianer das Ge&#x017F;etz der Gravitation mit dem Ge&#x017F;etze der Abnahme des Lichts verglichen, welches wirklich durch Stralen aus einem Mittelpunkte gebildet wird; allein die&#x017F;e Vergleichung i&#x017F;t kein we&#x017F;entlicher Theil des Sy&#x017F;tems, und &#x017F;ehr wenig pa&#x017F;&#x017F;end, da das Licht nur die Oberfla&#x0364;che erlenchtet, die Gravitation aber die ganze Ma&#x017F;&#x017F;e betrift. Wer u&#x0364;berhaupt die Ur&#x017F;ache des Pha&#x0364;nomens unent&#x017F;chieden la&#x0364;&#x017F;t, darf auch nicht zugeben, daß es durch Stralen aus dem anziehenden Ko&#x0364;rper bewirkt werde, alsdann aber fa&#x0364;llt die ganze Sta&#x0364;rke des Einwurfs hinweg.</p>
            <p>Ich komme nunmehr auf die newtoni&#x017F;che Theorie &#x017F;elb&#x017F;t. Sind alle Theile der Materie gegen einander &#x017F;chwer, &#x017F;o muß jeder Ko&#x0364;rper gegen alle Theile eines andern gravitiren, und al&#x017F;o auf die&#x017F;en andern zu mit einer Kraft und Richtung gehen, welche aus den Kra&#x0364;ften und Richtungen gegen alle Theile de&#x017F;&#x017F;elben zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt i&#x017F;t. <hi rendition="#b">Newton</hi> bewei&#x017F;et <hi rendition="#aq">(prop. 71 et 77.),</hi> daß die&#x017F;e Richtung in zween Fa&#x0364;llen gegen den Schwerpunkt der ganzen Ma&#x017F;&#x017F;e des andern Ko&#x0364;rpers gehe, 1. wenn &#x017F;ich die Schwere, wie der Ab&#x017F;tand, verha&#x0364;lt, 2. wenn &#x017F;ie &#x017F;ich verkehrt, wie das Quadrat des Ab&#x017F;tands verha&#x0364;lt, der Ko&#x0364;rper aber kugelfo&#x0364;rmig i&#x017F;t, und in gleichen Ab&#x017F;ta&#x0364;nden vom Mittelpunkte gleiche Dichtigkeit hat. In die&#x017F;en zween Fa&#x0364;llen kan man die ganze Ma&#x017F;&#x017F;e im Schwerpunkte ver&#x017F;ammlet annehmen, und im letztern Falle die Gravitation durch<hi rendition="#aq">M/D</hi> ausdru&#x0364;cken, wenn <hi rendition="#aq">M</hi> die Ma&#x017F;&#x017F;e des anziehenden Ko&#x0364;rpers, <hi rendition="#aq">D</hi> des angezognen Ab&#x017F;tand von jenes Schwerpunkte i&#x017F;t.</p>
            <p>Befindet &#x017F;ich aber der angezogene Ko&#x0364;rper innerhalb der anziehenden Kugel, wie ein Stein im Innern der Erde, &#x017F;o wird er <hi rendition="#aq">(prop. 73.)</hi> im Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eines Ab&#x017F;tandes vom Mittelpunkte angezogen, und die Schwere nimmt in eben dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ab, in welchem er dem Mittelpunkte<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[530/0536] die Gravitation Wirkung eines Ausfluſſes ſey, der ſich in Form von Stralen um einen Mittelpunkt verbreitet, welche Vorausſetzung Newtons Vertheidiger gar nicht zuzugeben genoͤthiget ſind. Es haben zwar einige Newtonianer das Geſetz der Gravitation mit dem Geſetze der Abnahme des Lichts verglichen, welches wirklich durch Stralen aus einem Mittelpunkte gebildet wird; allein dieſe Vergleichung iſt kein weſentlicher Theil des Syſtems, und ſehr wenig paſſend, da das Licht nur die Oberflaͤche erlenchtet, die Gravitation aber die ganze Maſſe betrift. Wer uͤberhaupt die Urſache des Phaͤnomens unentſchieden laͤſt, darf auch nicht zugeben, daß es durch Stralen aus dem anziehenden Koͤrper bewirkt werde, alsdann aber faͤllt die ganze Staͤrke des Einwurfs hinweg. Ich komme nunmehr auf die newtoniſche Theorie ſelbſt. Sind alle Theile der Materie gegen einander ſchwer, ſo muß jeder Koͤrper gegen alle Theile eines andern gravitiren, und alſo auf dieſen andern zu mit einer Kraft und Richtung gehen, welche aus den Kraͤften und Richtungen gegen alle Theile deſſelben zuſammengeſetzt iſt. Newton beweiſet (prop. 71 et 77.), daß dieſe Richtung in zween Faͤllen gegen den Schwerpunkt der ganzen Maſſe des andern Koͤrpers gehe, 1. wenn ſich die Schwere, wie der Abſtand, verhaͤlt, 2. wenn ſie ſich verkehrt, wie das Quadrat des Abſtands verhaͤlt, der Koͤrper aber kugelfoͤrmig iſt, und in gleichen Abſtaͤnden vom Mittelpunkte gleiche Dichtigkeit hat. In dieſen zween Faͤllen kan man die ganze Maſſe im Schwerpunkte verſammlet annehmen, und im letztern Falle die Gravitation durchM/D ausdruͤcken, wenn M die Maſſe des anziehenden Koͤrpers, D des angezognen Abſtand von jenes Schwerpunkte iſt. Befindet ſich aber der angezogene Koͤrper innerhalb der anziehenden Kugel, wie ein Stein im Innern der Erde, ſo wird er (prop. 73.) im Verhaͤltniſſe ſeines Abſtandes vom Mittelpunkte angezogen, und die Schwere nimmt in eben dem Verhaͤltniſſe ab, in welchem er dem Mittelpunkte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/536
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/536>, abgerufen am 25.11.2024.