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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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nicht ganz ohne sein Vorwissen geschehen seyn, da er im Jahre 1713, als Cotes seine Principien herausgab, noch am Leben war; dagegen sind aber auch viele seiner Nachfolger, z. B. Maclaurin, den ältern Vorstellungen getreu geblieben.

Man setzt sich sehr starken Einwürfen aus, wenn man die allgemeine Schwere als eine mit der Materie wesentlich verbundne Eigenschaft (qualite inherente) behaupten will. Fürs erste wird dadurch alle weitere Untersuchung abgebrochen, und es bleibt nichts mehr zu sagen übrig, als daß Gott der Materie einmal diese Eigenschaft beygelegt und diese Gesetze vorgeschrieben habe. Dies ist nun keine Erklärung mehr; dennoch ist das Phänomen der wechselseitigen Näherung, nach dem verkehrten Verhältniß des Quadrats der Entfernung, noch nicht einfach genug, und führt noch zu viel besondere Bestimmung bey sich, als daß man alle Bemühung, es zu erklären, aufgeben sollte. Man ist ja immer noch begierig zu wissen, warum sich die Gravitation nicht nach dem Abstande selbst, oder nach dessen Würfel, sondern gerade nach dem Quadrate, richte. Darauf antworten: es sey des Schöpfers Wille so gewesen, heißt eigentlich sagen: man wisse die Ursache nicht, glaube sie aber zu wissen. Herr Lichrenberg bemerkt hiebey sehr schicklich, was man nicht wisse, könne man noch lernen; was man nicht wisse, aber zu wissen glaube, lerne man entweder nie, oder doch nicht ohne unangenehme Demüthigung.

Ferner sieht man schwerlich ein, wie zween von einander entfernte Körper ohne ein Zwischenmittel auf einander wirken sollen. "Wer kan begreifen, sagt Herr de Lüc (Briefeüber die Geschichte der Erde rc. I. Theil. Num. XI.) "daß ein Körper da wirken soll, wo er nicht ist? Zwey "Theilchen der Materie sind entfernt von einander und ohne "alle materielle Verbindung, und doch soll sich eins um "des andern willen bewegen! Und ohne daß beyden etwas "wiederfährt, soll sich das eine viermal geschwinder bewe"gen, wenn es dem andern doppelt so nahe gekommen ist! "Welche Zauberkraft mag ihnen diese Bestimmung geben?


nicht ganz ohne ſein Vorwiſſen geſchehen ſeyn, da er im Jahre 1713, als Cotes ſeine Principien herausgab, noch am Leben war; dagegen ſind aber auch viele ſeiner Nachfolger, z. B. Maclaurin, den aͤltern Vorſtellungen getreu geblieben.

Man ſetzt ſich ſehr ſtarken Einwuͤrfen aus, wenn man die allgemeine Schwere als eine mit der Materie weſentlich verbundne Eigenſchaft (qualité inhérente) behaupten will. Fuͤrs erſte wird dadurch alle weitere Unterſuchung abgebrochen, und es bleibt nichts mehr zu ſagen uͤbrig, als daß Gott der Materie einmal dieſe Eigenſchaft beygelegt und dieſe Geſetze vorgeſchrieben habe. Dies iſt nun keine Erklaͤrung mehr; dennoch iſt das Phaͤnomen der wechſelſeitigen Naͤherung, nach dem verkehrten Verhaͤltniß des Quadrats der Entfernung, noch nicht einfach genug, und fuͤhrt noch zu viel beſondere Beſtimmung bey ſich, als daß man alle Bemuͤhung, es zu erklaͤren, aufgeben ſollte. Man iſt ja immer noch begierig zu wiſſen, warum ſich die Gravitation nicht nach dem Abſtande ſelbſt, oder nach deſſen Wuͤrfel, ſondern gerade nach dem Quadrate, richte. Darauf antworten: es ſey des Schoͤpfers Wille ſo geweſen, heißt eigentlich ſagen: man wiſſe die Urſache nicht, glaube ſie aber zu wiſſen. Herr Lichrenberg bemerkt hiebey ſehr ſchicklich, was man nicht wiſſe, koͤnne man noch lernen; was man nicht wiſſe, aber zu wiſſen glaube, lerne man entweder nie, oder doch nicht ohne unangenehme Demuͤthigung.

Ferner ſieht man ſchwerlich ein, wie zween von einander entfernte Koͤrper ohne ein Zwiſchenmittel auf einander wirken ſollen. ”Wer kan begreifen, ſagt Herr de Luͤc (Briefeuͤber die Geſchichte der Erde rc. I. Theil. Num. XI.) ”daß ein Koͤrper da wirken ſoll, wo er nicht iſt? Zwey ”Theilchen der Materie ſind entfernt von einander und ohne ”alle materielle Verbindung, und doch ſoll ſich eins um ”des andern willen bewegen! Und ohne daß beyden etwas ”wiederfaͤhrt, ſoll ſich das eine viermal geſchwinder bewe”gen, wenn es dem andern doppelt ſo nahe gekommen iſt! ”Welche Zauberkraft mag ihnen dieſe Beſtimmung geben?

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[527/0533] nicht ganz ohne ſein Vorwiſſen geſchehen ſeyn, da er im Jahre 1713, als Cotes ſeine Principien herausgab, noch am Leben war; dagegen ſind aber auch viele ſeiner Nachfolger, z. B. Maclaurin, den aͤltern Vorſtellungen getreu geblieben. Man ſetzt ſich ſehr ſtarken Einwuͤrfen aus, wenn man die allgemeine Schwere als eine mit der Materie weſentlich verbundne Eigenſchaft (qualité inhérente) behaupten will. Fuͤrs erſte wird dadurch alle weitere Unterſuchung abgebrochen, und es bleibt nichts mehr zu ſagen uͤbrig, als daß Gott der Materie einmal dieſe Eigenſchaft beygelegt und dieſe Geſetze vorgeſchrieben habe. Dies iſt nun keine Erklaͤrung mehr; dennoch iſt das Phaͤnomen der wechſelſeitigen Naͤherung, nach dem verkehrten Verhaͤltniß des Quadrats der Entfernung, noch nicht einfach genug, und fuͤhrt noch zu viel beſondere Beſtimmung bey ſich, als daß man alle Bemuͤhung, es zu erklaͤren, aufgeben ſollte. Man iſt ja immer noch begierig zu wiſſen, warum ſich die Gravitation nicht nach dem Abſtande ſelbſt, oder nach deſſen Wuͤrfel, ſondern gerade nach dem Quadrate, richte. Darauf antworten: es ſey des Schoͤpfers Wille ſo geweſen, heißt eigentlich ſagen: man wiſſe die Urſache nicht, glaube ſie aber zu wiſſen. Herr Lichrenberg bemerkt hiebey ſehr ſchicklich, was man nicht wiſſe, koͤnne man noch lernen; was man nicht wiſſe, aber zu wiſſen glaube, lerne man entweder nie, oder doch nicht ohne unangenehme Demuͤthigung. Ferner ſieht man ſchwerlich ein, wie zween von einander entfernte Koͤrper ohne ein Zwiſchenmittel auf einander wirken ſollen. ”Wer kan begreifen, ſagt Herr de Luͤc (Briefeuͤber die Geſchichte der Erde rc. I. Theil. Num. XI.) ”daß ein Koͤrper da wirken ſoll, wo er nicht iſt? Zwey ”Theilchen der Materie ſind entfernt von einander und ohne ”alle materielle Verbindung, und doch ſoll ſich eins um ”des andern willen bewegen! Und ohne daß beyden etwas ”wiederfaͤhrt, ſoll ſich das eine viermal geſchwinder bewe”gen, wenn es dem andern doppelt ſo nahe gekommen iſt! ”Welche Zauberkraft mag ihnen dieſe Beſtimmung geben?

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/533>, abgerufen am 25.11.2024.