Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Der im Aequator AQ selbst gelegne Ort beschreibt einen größten Kreis, und legt also binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zurück, welche Geschwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1/2mal übertrift.

Es steht aber die Are der täglichen Umwälzung der Erde nicht senkrecht auf der Ebne ihrer jährlichen Bahn, sondern neigt sich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1/2° (s. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole stehen. Diese Neigung behält die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne beträchtliche Veränderung bey, so daß sie sich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die schiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß sich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben diesem Winkel von 23 1/2° zu durchschneiden scheinen; daher die Sonne in unsern Gegenden vom 21. März bis 21. Jun. um 23 1/2° über den Aequator hinauf gegen den Nordpol steigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben soviel unter den Aequator hinab gegen den Südpol sinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechselnden Tageslängen und Jahrszeiten auf unserer Erdkugel. Die einfache und schöne Erklärung, welche sich im kopernikanischen Weltbau hievon geben läßt, wird bey dem Worte: Weltsystem ausführlicher vorgetragen werden.

Der jährliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt so, wie es die Gesetze der elliptischen Centralbewegungen erfordern, s. Centralbewegung, Centralkräfte. Es folgt also daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche sich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abstandes von derselben, verhält. Zu dieser Gravitation muß im ersten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen seyn, dessen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verursacht hat, welche nun durch beständige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieser Gravitation unaufhörlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung ist die Ursache der Umdrehung um die


Der im Aequator AQ ſelbſt gelegne Ort beſchreibt einen groͤßten Kreis, und legt alſo binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuruͤck, welche Geſchwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1/2mal uͤbertrift.

Es ſteht aber die Are der taͤglichen Umwaͤlzung der Erde nicht ſenkrecht auf der Ebne ihrer jaͤhrlichen Bahn, ſondern neigt ſich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1/2° (ſ. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole ſtehen. Dieſe Neigung behaͤlt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betraͤchtliche Veraͤnderung bey, ſo daß ſie ſich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß ſich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben dieſem Winkel von 23 1/2° zu durchſchneiden ſcheinen; daher die Sonne in unſern Gegenden vom 21. Maͤrz bis 21. Jun. um 23 1/2° uͤber den Aequator hinauf gegen den Nordpol ſteigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben ſoviel unter den Aequator hinab gegen den Suͤdpol ſinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechſelnden Tageslaͤngen und Jahrszeiten auf unſerer Erdkugel. Die einfache und ſchoͤne Erklaͤrung, welche ſich im kopernikaniſchen Weltbau hievon geben laͤßt, wird bey dem Worte: Weltſyſtem ausfuͤhrlicher vorgetragen werden.

Der jaͤhrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt ſo, wie es die Geſetze der elliptiſchen Centralbewegungen erfordern, ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte. Es folgt alſo daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche ſich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abſtandes von derſelben, verhaͤlt. Zu dieſer Gravitation muß im erſten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen ſeyn, deſſen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verurſacht hat, welche nun durch beſtaͤndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieſer Gravitation unaufhoͤrlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung iſt die Urſache der Umdrehung um die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0051" xml:id="P.2.45" n="45"/><lb/>
Der im Aequator <hi rendition="#aq">AQ</hi> &#x017F;elb&#x017F;t gelegne Ort be&#x017F;chreibt einen gro&#x0364;ßten Kreis, und legt al&#x017F;o binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuru&#x0364;ck, welche Ge&#x017F;chwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1/2mal u&#x0364;bertrift.</p>
            <p>Es &#x017F;teht aber die Are der ta&#x0364;glichen Umwa&#x0364;lzung der Erde nicht &#x017F;enkrecht auf der Ebne ihrer ja&#x0364;hrlichen Bahn, &#x017F;ondern neigt &#x017F;ich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1/2° (&#x017F;. <hi rendition="#b">Schiefe der Ekliptik</hi>) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole &#x017F;tehen. Die&#x017F;e Neigung beha&#x0364;lt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betra&#x0364;chtliche Vera&#x0364;nderung bey, &#x017F;o daß &#x017F;ie &#x017F;ich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die &#x017F;chiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß &#x017F;ich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben die&#x017F;em Winkel von 23 1/2° zu durch&#x017F;chneiden &#x017F;cheinen; daher die Sonne in un&#x017F;ern Gegenden vom 21. Ma&#x0364;rz bis 21. Jun. um 23 1/2° u&#x0364;ber den Aequator hinauf gegen den Nordpol &#x017F;teigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben &#x017F;oviel unter den Aequator hinab gegen den Su&#x0364;dpol &#x017F;inkt. Hierinn liegt der Grund der abwech&#x017F;elnden Tagesla&#x0364;ngen und Jahrszeiten auf un&#x017F;erer Erdkugel. Die einfache und &#x017F;cho&#x0364;ne Erkla&#x0364;rung, welche &#x017F;ich im kopernikani&#x017F;chen Weltbau hievon geben la&#x0364;ßt, wird bey dem Worte: <hi rendition="#b">Welt&#x017F;y&#x017F;tem</hi> ausfu&#x0364;hrlicher vorgetragen werden.</p>
            <p>Der ja&#x0364;hrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt &#x017F;o, wie es die Ge&#x017F;etze der ellipti&#x017F;chen Centralbewegungen erfordern, &#x017F;. <hi rendition="#b">Centralbewegung, Centralkra&#x0364;fte.</hi> Es folgt al&#x017F;o daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche &#x017F;ich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Ab&#x017F;tandes von der&#x017F;elben, verha&#x0364;lt. Zu die&#x017F;er Gravitation muß im er&#x017F;ten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verur&#x017F;acht hat, welche nun durch be&#x017F;ta&#x0364;ndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben die&#x017F;er Gravitation unaufho&#x0364;rlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung i&#x017F;t die Ur&#x017F;ache der Umdrehung um die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0051] Der im Aequator AQ ſelbſt gelegne Ort beſchreibt einen groͤßten Kreis, und legt alſo binnen 24 Stunden 5400 Meilen, d. i. in einer Secunde 1540 rheinl. Fuß zuruͤck, welche Geſchwindigkeit die einer Kanonenkugel etwa 2 1/2mal uͤbertrift. Es ſteht aber die Are der taͤglichen Umwaͤlzung der Erde nicht ſenkrecht auf der Ebne ihrer jaͤhrlichen Bahn, ſondern neigt ſich vielmehr um einen Winkel von etwa 23 1/2° (ſ. Schiefe der Ekliptik) gegen diejenigen Himmelsgegenden, in welchen die Weltpole ſtehen. Dieſe Neigung behaͤlt die Erdaxe in allen Stellen der Erdbahn ohne betraͤchtliche Veraͤnderung bey, ſo daß ſie ſich jederzeit ziemlich parallel bleibt. Die ſchiefe Stellung der Erdaxe gegen die Erdbahn macht, daß ſich der Aequator des Himmels und die Ekliptik unter eben dieſem Winkel von 23 1/2° zu durchſchneiden ſcheinen; daher die Sonne in unſern Gegenden vom 21. Maͤrz bis 21. Jun. um 23 1/2° uͤber den Aequator hinauf gegen den Nordpol ſteigt, vom 23. Sept. aber bis 21. Dec. um eben ſoviel unter den Aequator hinab gegen den Suͤdpol ſinkt. Hierinn liegt der Grund der abwechſelnden Tageslaͤngen und Jahrszeiten auf unſerer Erdkugel. Die einfache und ſchoͤne Erklaͤrung, welche ſich im kopernikaniſchen Weltbau hievon geben laͤßt, wird bey dem Worte: Weltſyſtem ausfuͤhrlicher vorgetragen werden. Der jaͤhrliche Umlauf der Erde um die Sonne erfolgt ſo, wie es die Geſetze der elliptiſchen Centralbewegungen erfordern, ſ. Centralbewegung, Centralkraͤfte. Es folgt alſo daraus, daß die Erdkugel gegen die Sonne durch eine Gravitation getrieben werde, welche ſich umgekehrt, wie das Quadrat ihres Abſtandes von derſelben, verhaͤlt. Zu dieſer Gravitation muß im erſten Anfange ein Stoß oder eine mitgetheilte Bewegung nach einer Tangente der Erdbahn hinzugekommen ſeyn, deſſen Verbindung mit der Gravitation den Anfang der Umlaufsbewegung verurſacht hat, welche nun durch beſtaͤndige Verbindung der einmal mitgetheilten Bewegung mit eben dieſer Gravitation unaufhoͤrlich fortdauert. Ein anderer Stoß, oder eine andere mitgetheilte Bewegung iſt die Urſache der Umdrehung um die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/51
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/51>, abgerufen am 22.11.2024.