Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Wenn man ein Geldstück, Petschaft u. dgl. durch Gläser betrachtet, so glaubt man sehr oft das erhabne Gepräge vertieft, oder die vertieften Figuren des Petschafts erhaben zu sehen. Ioblot (Description de plusieurs nouveaux microscopes, 1712.) führt dieses schon an, und bemerkt, daß bey fortgesetzter Beobachtung die Erscheinungen des Erhabnen und Vertieften immer abwechseln. P. F. Gmelin (Philos. Trans. 1747.) hat hievon ebenfalls Nachricht gegeben. Diese Erscheinung kömmt daher, daß man das einfallende Licht von der unrechten Seite her annimmt. Denn unser Urtheil vom Erhabnen und Vertieften richtet sich nach der Wahrnehmung des Lichts und Schattens; der Schatten auf der Lichtseite deutet Vertiefung, der auf der Schattenseite Erhöhung an. Soll alsb der Versuch gelingen, so muß man nicht zugleich sehen, wo das Licht wirklich herkömmt, d. h. man muß den Gegenstand nicht mit freyem Auge, sondern durch ein Mikroskop, oder durch die Röhre mit drey Ocularen aus einem Erdrohre u. dgl. betrachten. Man hat es nicht ganz in seiner Gewalt, das Licht auf der Seite, wo man es eben haben will, anzunehmen; wenn man aber den Blick erst auf den Rand richtet, und nur allmählig nach der Mitte führt, so kan man allezeit bewirken, daß der Gegenstand wirklich so, wie er ist, erscheint; vielleicht darum, weil alsdann das Daseyn oder der Mangel der Schlagschatten deutlicher bemerkt, und aus jenem Erhabenheit, aus diesem Vertiefung, richtig geschlossen wird. Wenn man eine zum Theil mit Wasser gefüllte Flasche vor einem Hohlspiegel so hält, daß sich von ihr ein verkehrtes Bild zeigt, so scheint im Bilde der volle Theil leer, und der leere voll. Abat (Amusemens philosoph. p. 242. f.)
Wenn man ein Geldſtuͤck, Petſchaft u. dgl. durch Glaͤſer betrachtet, ſo glaubt man ſehr oft das erhabne Gepraͤge vertieft, oder die vertieften Figuren des Petſchafts erhaben zu ſehen. Ioblot (Deſcription de pluſieurs nouveaux microſcopes, 1712.) fuͤhrt dieſes ſchon an, und bemerkt, daß bey fortgeſetzter Beobachtung die Erſcheinungen des Erhabnen und Vertieften immer abwechſeln. P. F. Gmelin (Philoſ. Trans. 1747.) hat hievon ebenfalls Nachricht gegeben. Dieſe Erſcheinung koͤmmt daher, daß man das einfallende Licht von der unrechten Seite her annimmt. Denn unſer Urtheil vom Erhabnen und Vertieften richtet ſich nach der Wahrnehmung des Lichts und Schattens; der Schatten auf der Lichtſeite deutet Vertiefung, der auf der Schattenſeite Erhoͤhung an. Soll alſb der Verſuch gelingen, ſo muß man nicht zugleich ſehen, wo das Licht wirklich herkoͤmmt, d. h. man muß den Gegenſtand nicht mit freyem Auge, ſondern durch ein Mikroſkop, oder durch die Roͤhre mit drey Ocularen aus einem Erdrohre u. dgl. betrachten. Man hat es nicht ganz in ſeiner Gewalt, das Licht auf der Seite, wo man es eben haben will, anzunehmen; wenn man aber den Blick erſt auf den Rand richtet, und nur allmaͤhlig nach der Mitte fuͤhrt, ſo kan man allezeit bewirken, daß der Gegenſtand wirklich ſo, wie er iſt, erſcheint; vielleicht darum, weil alsdann das Daſeyn oder der Mangel der Schlagſchatten deutlicher bemerkt, und aus jenem Erhabenheit, aus dieſem Vertiefung, richtig geſchloſſen wird. Wenn man eine zum Theil mit Waſſer gefuͤllte Flaſche vor einem Hohlſpiegel ſo haͤlt, daß ſich von ihr ein verkehrtes Bild zeigt, ſo ſcheint im Bilde der volle Theil leer, und der leere voll. Abat (Amuſemens philoſoph. p. 242. f.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0476" xml:id="P.2.470" n="470"/><lb/> (oder nach der Perſpectiv) ſeyn ſollte. Aus eben dem Grunde ſcheinen ſich die obern Theile eines ſenkrechten Gebaͤudes dem nahe ſtehenden Beobachter vorwaͤrts zu neigen. Darum ſcheinen auch ſteile Flaͤchen, von unten hinauf betrachtet, noch ſteiler, als ſie wirklich ſind, da man hingegen von oben herab einen weniger jaͤhen Abhang zu ſehen glaubt.</p> <p>Wenn man ein Geldſtuͤck, Petſchaft u. dgl. durch Glaͤſer betrachtet, ſo glaubt man ſehr oft das erhabne Gepraͤge vertieft, oder die vertieften Figuren des Petſchafts erhaben zu ſehen. <hi rendition="#b">Ioblot</hi> <hi rendition="#aq">(Deſcription de pluſieurs nouveaux microſcopes, 1712.)</hi> fuͤhrt dieſes ſchon an, und bemerkt, daß bey fortgeſetzter Beobachtung die Erſcheinungen des Erhabnen und Vertieften immer abwechſeln. <hi rendition="#b">P. F. Gmelin</hi> <hi rendition="#aq">(Philoſ. Trans. 1747.)</hi> hat hievon ebenfalls Nachricht gegeben. Dieſe Erſcheinung koͤmmt daher, daß man das einfallende Licht von der unrechten Seite her annimmt. Denn unſer Urtheil vom Erhabnen und Vertieften richtet ſich nach der Wahrnehmung des Lichts und Schattens; der Schatten auf der Lichtſeite deutet Vertiefung, der auf der Schattenſeite Erhoͤhung an. Soll alſb der Verſuch gelingen, ſo muß man nicht zugleich ſehen, wo das Licht wirklich herkoͤmmt, d. h. man muß den Gegenſtand nicht mit freyem Auge, ſondern durch ein Mikroſkop, oder durch die Roͤhre mit drey Ocularen aus einem Erdrohre u. dgl. betrachten. Man hat es nicht ganz in ſeiner Gewalt, das Licht auf der Seite, wo man es eben haben will, anzunehmen; wenn man aber den Blick erſt auf den Rand richtet, und nur allmaͤhlig nach der Mitte fuͤhrt, ſo kan man allezeit bewirken, daß der Gegenſtand wirklich ſo, wie er iſt, erſcheint; vielleicht darum, weil alsdann das Daſeyn oder der Mangel der Schlagſchatten deutlicher bemerkt, und aus jenem Erhabenheit, aus dieſem Vertiefung, richtig geſchloſſen wird.</p> <p>Wenn man eine zum Theil mit Waſſer gefuͤllte Flaſche vor einem Hohlſpiegel ſo haͤlt, daß ſich von ihr ein verkehrtes Bild zeigt, ſo ſcheint im Bilde der volle Theil leer, und der leere voll. <hi rendition="#b">Abat</hi> <hi rendition="#aq">(Amuſemens philoſoph. p. 242. f.)</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [470/0476]
(oder nach der Perſpectiv) ſeyn ſollte. Aus eben dem Grunde ſcheinen ſich die obern Theile eines ſenkrechten Gebaͤudes dem nahe ſtehenden Beobachter vorwaͤrts zu neigen. Darum ſcheinen auch ſteile Flaͤchen, von unten hinauf betrachtet, noch ſteiler, als ſie wirklich ſind, da man hingegen von oben herab einen weniger jaͤhen Abhang zu ſehen glaubt.
Wenn man ein Geldſtuͤck, Petſchaft u. dgl. durch Glaͤſer betrachtet, ſo glaubt man ſehr oft das erhabne Gepraͤge vertieft, oder die vertieften Figuren des Petſchafts erhaben zu ſehen. Ioblot (Deſcription de pluſieurs nouveaux microſcopes, 1712.) fuͤhrt dieſes ſchon an, und bemerkt, daß bey fortgeſetzter Beobachtung die Erſcheinungen des Erhabnen und Vertieften immer abwechſeln. P. F. Gmelin (Philoſ. Trans. 1747.) hat hievon ebenfalls Nachricht gegeben. Dieſe Erſcheinung koͤmmt daher, daß man das einfallende Licht von der unrechten Seite her annimmt. Denn unſer Urtheil vom Erhabnen und Vertieften richtet ſich nach der Wahrnehmung des Lichts und Schattens; der Schatten auf der Lichtſeite deutet Vertiefung, der auf der Schattenſeite Erhoͤhung an. Soll alſb der Verſuch gelingen, ſo muß man nicht zugleich ſehen, wo das Licht wirklich herkoͤmmt, d. h. man muß den Gegenſtand nicht mit freyem Auge, ſondern durch ein Mikroſkop, oder durch die Roͤhre mit drey Ocularen aus einem Erdrohre u. dgl. betrachten. Man hat es nicht ganz in ſeiner Gewalt, das Licht auf der Seite, wo man es eben haben will, anzunehmen; wenn man aber den Blick erſt auf den Rand richtet, und nur allmaͤhlig nach der Mitte fuͤhrt, ſo kan man allezeit bewirken, daß der Gegenſtand wirklich ſo, wie er iſt, erſcheint; vielleicht darum, weil alsdann das Daſeyn oder der Mangel der Schlagſchatten deutlicher bemerkt, und aus jenem Erhabenheit, aus dieſem Vertiefung, richtig geſchloſſen wird.
Wenn man eine zum Theil mit Waſſer gefuͤllte Flaſche vor einem Hohlſpiegel ſo haͤlt, daß ſich von ihr ein verkehrtes Bild zeigt, ſo ſcheint im Bilde der volle Theil leer, und der leere voll. Abat (Amuſemens philoſoph. p. 242. f.)
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