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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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lasse Salpeterluft hinzu. Sobald die Röthe vergeht, senkt sich von dem Salze eine weiße Wolke, wie Schneeflocken oder Puder nieder, die nach und nach das ganze Gefäß füllt, und ein brennbarer Salpeter ist.

Was die Natur der Salpeterluft betrift, so ist die gewöhnliche und fast allgemein angenommene Theorie diese, daß sie aus Salpetersäure und Phlogiston bestehe. Dies behaupten Priestley (Vol. I. p. 261.), Fontana (Phys. Unters. über die Salpeterluft) und Macquer; Scheele (Von Luft und Feuer, S. 25.) und Bergmann (Opusc. Vol. II. p. 368.) nennen sie sogar phlogistisirte Salpetersäure in Luftgestalt. Aus dieser Theorie erklärt sich das Phänomen ihrer Verminderung sehr natürlich und leicht. Denn die hinzukommende reine Luft verbindet sich mit dem Phlogiston des Salpetergas. Dadurch wird dessen Mischung zerstört, die befreyte Salpetersäure geht aus dem Zustande der Luft in den des Dampfes über und wird vom Wasser verschluckt; die mit dem Phlogiston verbundne reine Luft verwandlet sich ebenfalls in Wasser, die Gasarten verschwinden, und das in ihnen vorher gebundene, nunmehr aber befreyte, Feuer erzeugt Wärme. Hiebey bleibt als Rückstand blos der unreine oder aus irrespirabeln Gasarten bestehende Antheil übrig.

Lavoisier hingegen (Mem. sur l' existence de l' air dans l' acide nitreux, in Mem. de Paris 1776, und im Recueil de memoires et d' observ. sur la fabrication du Salpetre, a Paris, 1776. 4. p. 601 -- 617.) welcher gar kein Phlogiston annimmt, hält das Salpetergas für eine ihres Wassers und ihrer reinen Luft beraubte Salpetersäure. Er erklärt hieraus die Verminderung dadurch, daß die respirable Luft sich mit der Salpetersäure verbinde, welche dadurch alle ihre Bestandtheile wieder erhalte, und die Luftgestalt ablege. Er gründet seine Behauptung auf eine Reihe sehr schöner Versuche, welche beweisen, daß bey der Auflösung des Quecksilbers in Salpetersäure nitröse Luft, und bey der Wiederherstellung des Quecksilbers aus dem rothen Präcipitate dieser Auflösung reine Luft entbunden werde. Weil nun bey der Wiederherstellung nach seiner Voraussetzung


laſſe Salpeterluft hinzu. Sobald die Roͤthe vergeht, ſenkt ſich von dem Salze eine weiße Wolke, wie Schneeflocken oder Puder nieder, die nach und nach das ganze Gefaͤß fuͤllt, und ein brennbarer Salpeter iſt.

Was die Natur der Salpeterluft betrift, ſo iſt die gewoͤhnliche und faſt allgemein angenommene Theorie dieſe, daß ſie aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehe. Dies behaupten Prieſtley (Vol. I. p. 261.), Fontana (Phyſ. Unterſ. uͤber die Salpeterluft) und Macquer; Scheele (Von Luft und Feuer, S. 25.) und Bergmann (Opuſc. Vol. II. p. 368.) nennen ſie ſogar phlogiſtiſirte Salpeterſaͤure in Luftgeſtalt. Aus dieſer Theorie erklaͤrt ſich das Phaͤnomen ihrer Verminderung ſehr natuͤrlich und leicht. Denn die hinzukommende reine Luft verbindet ſich mit dem Phlogiſton des Salpetergas. Dadurch wird deſſen Miſchung zerſtoͤrt, die befreyte Salpeterſaͤure geht aus dem Zuſtande der Luft in den des Dampfes uͤber und wird vom Waſſer verſchluckt; die mit dem Phlogiſton verbundne reine Luft verwandlet ſich ebenfalls in Waſſer, die Gasarten verſchwinden, und das in ihnen vorher gebundene, nunmehr aber befreyte, Feuer erzeugt Waͤrme. Hiebey bleibt als Ruͤckſtand blos der unreine oder aus irreſpirabeln Gasarten beſtehende Antheil uͤbrig.

Lavoiſier hingegen (Mém. ſur l' exiſtence de l' air dans l' acide nitreux, in Mém. de Paris 1776, und im Recueil de mémoires et d' obſerv. ſur la fabrication du Salpétre, à Paris, 1776. 4. p. 601 — 617.) welcher gar kein Phlogiſton annimmt, haͤlt das Salpetergas fuͤr eine ihres Waſſers und ihrer reinen Luft beraubte Salpeterſaͤure. Er erklaͤrt hieraus die Verminderung dadurch, daß die reſpirable Luft ſich mit der Salpeterſaͤure verbinde, welche dadurch alle ihre Beſtandtheile wieder erhalte, und die Luftgeſtalt ablege. Er gruͤndet ſeine Behauptung auf eine Reihe ſehr ſchoͤner Verſuche, welche beweiſen, daß bey der Aufloͤſung des Queckſilbers in Salpeterſaͤure nitroͤſe Luft, und bey der Wiederherſtellung des Queckſilbers aus dem rothen Praͤcipitate dieſer Aufloͤſung reine Luft entbunden werde. Weil nun bey der Wiederherſtellung nach ſeiner Vorausſetzung

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[417/0423] laſſe Salpeterluft hinzu. Sobald die Roͤthe vergeht, ſenkt ſich von dem Salze eine weiße Wolke, wie Schneeflocken oder Puder nieder, die nach und nach das ganze Gefaͤß fuͤllt, und ein brennbarer Salpeter iſt. Was die Natur der Salpeterluft betrift, ſo iſt die gewoͤhnliche und faſt allgemein angenommene Theorie dieſe, daß ſie aus Salpeterſaͤure und Phlogiſton beſtehe. Dies behaupten Prieſtley (Vol. I. p. 261.), Fontana (Phyſ. Unterſ. uͤber die Salpeterluft) und Macquer; Scheele (Von Luft und Feuer, S. 25.) und Bergmann (Opuſc. Vol. II. p. 368.) nennen ſie ſogar phlogiſtiſirte Salpeterſaͤure in Luftgeſtalt. Aus dieſer Theorie erklaͤrt ſich das Phaͤnomen ihrer Verminderung ſehr natuͤrlich und leicht. Denn die hinzukommende reine Luft verbindet ſich mit dem Phlogiſton des Salpetergas. Dadurch wird deſſen Miſchung zerſtoͤrt, die befreyte Salpeterſaͤure geht aus dem Zuſtande der Luft in den des Dampfes uͤber und wird vom Waſſer verſchluckt; die mit dem Phlogiſton verbundne reine Luft verwandlet ſich ebenfalls in Waſſer, die Gasarten verſchwinden, und das in ihnen vorher gebundene, nunmehr aber befreyte, Feuer erzeugt Waͤrme. Hiebey bleibt als Ruͤckſtand blos der unreine oder aus irreſpirabeln Gasarten beſtehende Antheil uͤbrig. Lavoiſier hingegen (Mém. ſur l' exiſtence de l' air dans l' acide nitreux, in Mém. de Paris 1776, und im Recueil de mémoires et d' obſerv. ſur la fabrication du Salpétre, à Paris, 1776. 4. p. 601 — 617.) welcher gar kein Phlogiſton annimmt, haͤlt das Salpetergas fuͤr eine ihres Waſſers und ihrer reinen Luft beraubte Salpeterſaͤure. Er erklaͤrt hieraus die Verminderung dadurch, daß die reſpirable Luft ſich mit der Salpeterſaͤure verbinde, welche dadurch alle ihre Beſtandtheile wieder erhalte, und die Luftgeſtalt ablege. Er gruͤndet ſeine Behauptung auf eine Reihe ſehr ſchoͤner Verſuche, welche beweiſen, daß bey der Aufloͤſung des Queckſilbers in Salpeterſaͤure nitroͤſe Luft, und bey der Wiederherſtellung des Queckſilbers aus dem rothen Praͤcipitate dieſer Aufloͤſung reine Luft entbunden werde. Weil nun bey der Wiederherſtellung nach ſeiner Vorausſetzung

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/423>, abgerufen am 01.09.2024.