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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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immer etwas über der Oberfläche der Kerze, weil diese Oberfläche nicht so heiß, als nöthig, zu werden vermag. Der Dacht ist also ein wesentliches Stück bey einer Kerze oder Lampe; da er aber selbst vom Feuer verzehrt, oder durch unreine Theile verstopft und zum Zuführen des Oels rc. untauglich wird, so erhellet hieraus die Unmöglichkeit eines ewigen Dachtes, so wie die Thorheit des Vorgebens von ewigen ihre Nahrung nie aufzehrenden Lampen, die bey den Alten bekannt gewesen seyn sollen, und die der Prinz von Sansevero (Nova act. erud. Lips. a. 1754. p. 82.) wieder erfunden haben wollte, von selbst in die Augen fällt. Vortheilhaftere Einrichtungen der Lampen aber, als die gewöhnlichen sind, lassen sich allerdings angeben, s. Lampen.

Ich komme nun auf die Anführung einiger Meynungen über das Wesen und die Bestandtheile der Flamme, welche die Alten fast durchgängig mit dem Feuer selbst verwechselt und für eine einfache elementarische Substanz gehalten haben; so wie noch jetzt diejenigen, welche mit physikalischen Untersuchungen unbekannt sind, sich unter dem Worte Feuer die Flamme oder das sogenannte Küchenfeuer denken. So haben auch die Peripatetiker das Feuer und die Flamme für eine aus den brennenden Körpern ausgehende elementarische Substanz gehalten: van Helmont aber (Opera omn. Frf. 1707. 4. p. 120. De formarum ortu, §. 24.), ohngeachtet er das Feuer zu einem Mitteldinge zwischen Substanz und Eigenschaft macht, ist doch geneigt, die Flamme blos als einen Zustand anzusehen, in welchen die Theile des brennenden Körpers versetzt werden.

Descartes (Princip. Philos. P. IV. §. 80. sqq.) erklärt das Feuer für die Form, welche die groben erdichten Theile annehmen, wenn sie einzeln der Bewegung des ersten Elements oder der subtilen Materie folgen. So besteht nach ihm die Flamme einer Kerze aus ölichten Theilen, welche durch die ausströmende subtile Materie mit fortgerissen, und daher in eine schnelle Bewegung versetzt werden. Diese subtile Materie sucht sich von der Erde zu entfernen, daher steigt die Flamme aufwärts. Sie würde durch die Kügelchen des zweyten Elements und die irdischen Theile in der


immer etwas uͤber der Oberflaͤche der Kerze, weil dieſe Oberflaͤche nicht ſo heiß, als noͤthig, zu werden vermag. Der Dacht iſt alſo ein weſentliches Stuͤck bey einer Kerze oder Lampe; da er aber ſelbſt vom Feuer verzehrt, oder durch unreine Theile verſtopft und zum Zufuͤhren des Oels rc. untauglich wird, ſo erhellet hieraus die Unmoͤglichkeit eines ewigen Dachtes, ſo wie die Thorheit des Vorgebens von ewigen ihre Nahrung nie aufzehrenden Lampen, die bey den Alten bekannt geweſen ſeyn ſollen, und die der Prinz von Sanſevero (Nova act. erud. Lipſ. a. 1754. p. 82.) wieder erfunden haben wollte, von ſelbſt in die Augen faͤllt. Vortheilhaftere Einrichtungen der Lampen aber, als die gewoͤhnlichen ſind, laſſen ſich allerdings angeben, ſ. Lampen.

Ich komme nun auf die Anfuͤhrung einiger Meynungen uͤber das Weſen und die Beſtandtheile der Flamme, welche die Alten faſt durchgaͤngig mit dem Feuer ſelbſt verwechſelt und fuͤr eine einfache elementariſche Subſtanz gehalten haben; ſo wie noch jetzt diejenigen, welche mit phyſikaliſchen Unterſuchungen unbekannt ſind, ſich unter dem Worte Feuer die Flamme oder das ſogenannte Kuͤchenfeuer denken. So haben auch die Peripatetiker das Feuer und die Flamme fuͤr eine aus den brennenden Koͤrpern ausgehende elementariſche Subſtanz gehalten: van Helmont aber (Opera omn. Frf. 1707. 4. p. 120. De formarum ortu, §. 24.), ohngeachtet er das Feuer zu einem Mitteldinge zwiſchen Subſtanz und Eigenſchaft macht, iſt doch geneigt, die Flamme blos als einen Zuſtand anzuſehen, in welchen die Theile des brennenden Koͤrpers verſetzt werden.

Descartes (Princip. Philoſ. P. IV. §. 80. ſqq.) erklaͤrt das Feuer fuͤr die Form, welche die groben erdichten Theile annehmen, wenn ſie einzeln der Bewegung des erſten Elements oder der ſubtilen Materie folgen. So beſteht nach ihm die Flamme einer Kerze aus oͤlichten Theilen, welche durch die ausſtroͤmende ſubtile Materie mit fortgeriſſen, und daher in eine ſchnelle Bewegung verſetzt werden. Dieſe ſubtile Materie ſucht ſich von der Erde zu entfernen, daher ſteigt die Flamme aufwaͤrts. Sie wuͤrde durch die Kuͤgelchen des zweyten Elements und die irdiſchen Theile in der

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[279/0285] immer etwas uͤber der Oberflaͤche der Kerze, weil dieſe Oberflaͤche nicht ſo heiß, als noͤthig, zu werden vermag. Der Dacht iſt alſo ein weſentliches Stuͤck bey einer Kerze oder Lampe; da er aber ſelbſt vom Feuer verzehrt, oder durch unreine Theile verſtopft und zum Zufuͤhren des Oels rc. untauglich wird, ſo erhellet hieraus die Unmoͤglichkeit eines ewigen Dachtes, ſo wie die Thorheit des Vorgebens von ewigen ihre Nahrung nie aufzehrenden Lampen, die bey den Alten bekannt geweſen ſeyn ſollen, und die der Prinz von Sanſevero (Nova act. erud. Lipſ. a. 1754. p. 82.) wieder erfunden haben wollte, von ſelbſt in die Augen faͤllt. Vortheilhaftere Einrichtungen der Lampen aber, als die gewoͤhnlichen ſind, laſſen ſich allerdings angeben, ſ. Lampen. Ich komme nun auf die Anfuͤhrung einiger Meynungen uͤber das Weſen und die Beſtandtheile der Flamme, welche die Alten faſt durchgaͤngig mit dem Feuer ſelbſt verwechſelt und fuͤr eine einfache elementariſche Subſtanz gehalten haben; ſo wie noch jetzt diejenigen, welche mit phyſikaliſchen Unterſuchungen unbekannt ſind, ſich unter dem Worte Feuer die Flamme oder das ſogenannte Kuͤchenfeuer denken. So haben auch die Peripatetiker das Feuer und die Flamme fuͤr eine aus den brennenden Koͤrpern ausgehende elementariſche Subſtanz gehalten: van Helmont aber (Opera omn. Frf. 1707. 4. p. 120. De formarum ortu, §. 24.), ohngeachtet er das Feuer zu einem Mitteldinge zwiſchen Subſtanz und Eigenſchaft macht, iſt doch geneigt, die Flamme blos als einen Zuſtand anzuſehen, in welchen die Theile des brennenden Koͤrpers verſetzt werden. Descartes (Princip. Philoſ. P. IV. §. 80. ſqq.) erklaͤrt das Feuer fuͤr die Form, welche die groben erdichten Theile annehmen, wenn ſie einzeln der Bewegung des erſten Elements oder der ſubtilen Materie folgen. So beſteht nach ihm die Flamme einer Kerze aus oͤlichten Theilen, welche durch die ausſtroͤmende ſubtile Materie mit fortgeriſſen, und daher in eine ſchnelle Bewegung verſetzt werden. Dieſe ſubtile Materie ſucht ſich von der Erde zu entfernen, daher ſteigt die Flamme aufwaͤrts. Sie wuͤrde durch die Kuͤgelchen des zweyten Elements und die irdiſchen Theile in der

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/285>, abgerufen am 22.11.2024.