Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Aristoteles (De coelo L. II. c. 4.) versucht sogar einen Beweis dieser kugelähnlichen Gestalt aus bloßen Vernunftschlüssen zu geben. Da das Wasser, sagt er, allezeit die niedrigste, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde nächste, Stelle sucht, so kan es in keinem Theile des Meeres höher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, stehen; es würde sonst von den höhern Theilen ab und so lange gegen die niedrigern fließen, bis es überall eine gleiche Höhe, d. i. einen gleichen Abstand vom Mittelpunkte erlangt hätte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte gleich weit abstehen, welches bey keinem andern Körper, als bey einem kugelähnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthält dieser vermeynte Beweis eine Voraussetzung dessen, was zu erweisen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Gestalt würden dies nicht einräumen, sondern die Richtungslinien, nach welchen die flüßigen Körper sinken, überall für gleichlaufend annehmen. Inzwischen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratosthenes Batavus L. I. c. 2.) diesen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De insidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberfläche des Wassers eine kugelrunde Gestalt annehme, gegründet. Den einleuchtendsten Beweis von der Kugelgestalt der Erde geben die Mondfinsternisse. Da es bey einiger Aufmerksamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen fällt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten sey, den die Erde der Sonne gegenüber auf denselben hinwirft, und da die Grenzen dieses Schattens
Ariſtoteles (De coelo L. II. c. 4.) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De inſidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet. Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0020" xml:id="P.2.14" n="14"/><lb/> tius</hi> (<hi rendition="#aq">Vit. Philoſophorum L. IX.</hi>) der Erde die Geſtalt einer Walze, d. i. einer platten Scheibe, bey, welcher Meynung die Kirchenvaͤter großentheils beygetreten ſind; <hi rendition="#b">Demokrit</hi> hingegen gab ihr die Figur eines Kahns oder Schiffes, welches auch die Meynung der Chaldaͤer geweſen ſeyn ſoll. Doch haben die meiſten und angeſehenſten Weltweiſen Griechenlands, <hi rendition="#b">Thales, Anaximander, Parmenides, Epikur</hi> und <hi rendition="#b">Pythagoras</hi> bereits die richtige Meynung von der Kugelgeſtalt der Erde angenommen.</p> <p><hi rendition="#b">Ariſtoteles</hi> (<hi rendition="#aq">De coelo L. II. c. 4.</hi>) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch <hi rendition="#b">Riccioli</hi> und <hi rendition="#b">Snellius</hi> (<hi rendition="#aq">Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.</hi>) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des <hi rendition="#b">Archimedes</hi> (<hi rendition="#aq">De inſidentibus humido L. I. prop. 2.</hi>), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet.</p> <p>Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0020]
tius (Vit. Philoſophorum L. IX.) der Erde die Geſtalt einer Walze, d. i. einer platten Scheibe, bey, welcher Meynung die Kirchenvaͤter großentheils beygetreten ſind; Demokrit hingegen gab ihr die Figur eines Kahns oder Schiffes, welches auch die Meynung der Chaldaͤer geweſen ſeyn ſoll. Doch haben die meiſten und angeſehenſten Weltweiſen Griechenlands, Thales, Anaximander, Parmenides, Epikur und Pythagoras bereits die richtige Meynung von der Kugelgeſtalt der Erde angenommen.
Ariſtoteles (De coelo L. II. c. 4.) verſucht ſogar einen Beweis dieſer kugelaͤhnlichen Geſtalt aus bloßen Vernunftſchluͤſſen zu geben. Da das Waſſer, ſagt er, allezeit die niedrigſte, d. i. die dem Mittelpunkte der Erde naͤchſte, Stelle ſucht, ſo kan es in keinem Theile des Meeres hoͤher oder vom Mittelpunkte entfernter, als in dem andern, ſtehen; es wuͤrde ſonſt von den hoͤhern Theilen ab und ſo lange gegen die niedrigern fließen, bis es uͤberall eine gleiche Hoͤhe, d. i. einen gleichen Abſtand vom Mittelpunkte erlangt haͤtte. So folgt, daß alle Stellen des Meeres von einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte gleich weit abſtehen, welches bey keinem andern Koͤrper, als bey einem kugelaͤhnlichen, gedacht werden kan. Offenbar enthaͤlt dieſer vermeynte Beweis eine Vorausſetzung deſſen, was zu erweiſen war, daß es nemlich einen Mittelpunkt gebe; die Vertheidiger der platten Geſtalt wuͤrden dies nicht einraͤumen, ſondern die Richtungslinien, nach welchen die fluͤßigen Koͤrper ſinken, uͤberall fuͤr gleichlaufend annehmen. Inzwiſchen haben doch auch Riccioli und Snellius (Eratoſthenes Batavus L. I. c. 2.) dieſen Beweis aufgenommen, und ihn auf den Satz des Archimedes (De inſidentibus humido L. I. prop. 2.), daß die Oberflaͤche des Waſſers eine kugelrunde Geſtalt annehme, gegruͤndet.
Den einleuchtendſten Beweis von der Kugelgeſtalt der Erde geben die Mondfinſterniſſe. Da es bey einiger Aufmerkſamkeit auf den Himmel gar bald in die Augen faͤllt, daß das, was den Vollmond verdunkelt, nichts anders als der Schatten ſey, den die Erde der Sonne gegenuͤber auf denſelben hinwirft, und da die Grenzen dieſes Schattens
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