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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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In Grönland und den meisten nordischen Meeren hat das Eis eine bläulichgrüne Farbe, und sieht, von unten auf durch das Wasser betrachtet, grün aus.

Das Eis bricht die Lichtstralen um etwas geringes weniger, als das Wasser; linsenförmige Stücken von reinem dichten Eise, die man in einem Gefäße von dieser Gestalt hat gefrieren lassen, und deren Oberfläche man mit ein wenig laulichem Wasser polirt, lassen genug Sonnenlicht durch, um alle Wirkungen eines Brennglases zu thun.

Obgleich das Eis ein fester Körper ist, so dünstet es doch noch stärker aus, als das Wasser selbst. Um sich hievon zu überzeugen, darf man nur einige scharfe und spitzige Stücken Eis an die Luft setzen, und man wird, selbst bey der grösten Kälte, ihre Spitzen und scharfen Kanten bald abgestumpft, und ihr Gewicht vermindert finden. Mairan fand im Jahre 1716, daß ein Stück Eis, dem Nordwinde ausgesetzt, binnen 24 Stunden den fünften Theil seines Gewichts verlohren hatte. Gauteron, ein Arzt in Montpellier (Mem. de l' acad. de Paris. 1709. p. 451. sq.), setzte am 12 Dec. 1708 eine Unze Wasser dem Froste aus, und fand das Eis am andern Morgen um 24 Gran leichter. Ein andermal verlohr eine Unze sehr dichtes Eis in 24 Stunden über 100 Gran von ihrem Gewichte, welches fast den vierten Theil desselben beträgt. Er setzt hinzu, bey großem Frost und Winde sey diese Ausdünstung größer, als bey stillem Wetter und geringerer Kälte. Was den Wind betrift, so befördert dieser die Ausdünstung allezeit; in Absicht auf die Kälte aber ist nach Wallerius nur im Augenblicke der Entstehung des Eises die Ausdünstung desto stärker, je größer die Kälte ist.

Mairan erklärt diese starke Ausdünstung des Eises aus der Structur desselben, vermöge welcher es der Luft eine weit rauhere, und daher mehr Berührungspunkte verstattende Oberfläche, darbietet. Man kan noch hinzusetzen, daß bey uns starke Fröste gewöhnlich mit Nord- und Ostwinden begleitet sind, welche eine trockne und stark auflösende


In Groͤnland und den meiſten nordiſchen Meeren hat das Eis eine blaͤulichgruͤne Farbe, und ſieht, von unten auf durch das Waſſer betrachtet, gruͤn aus.

Das Eis bricht die Lichtſtralen um etwas geringes weniger, als das Waſſer; linſenfoͤrmige Stuͤcken von reinem dichten Eiſe, die man in einem Gefaͤße von dieſer Geſtalt hat gefrieren laſſen, und deren Oberflaͤche man mit ein wenig laulichem Waſſer polirt, laſſen genug Sonnenlicht durch, um alle Wirkungen eines Brennglaſes zu thun.

Obgleich das Eis ein feſter Koͤrper iſt, ſo duͤnſtet es doch noch ſtaͤrker aus, als das Waſſer ſelbſt. Um ſich hievon zu uͤberzeugen, darf man nur einige ſcharfe und ſpitzige Stuͤcken Eis an die Luft ſetzen, und man wird, ſelbſt bey der groͤſten Kaͤlte, ihre Spitzen und ſcharfen Kanten bald abgeſtumpft, und ihr Gewicht vermindert finden. Mairan fand im Jahre 1716, daß ein Stuͤck Eis, dem Nordwinde ausgeſetzt, binnen 24 Stunden den fuͤnften Theil ſeines Gewichts verlohren hatte. Gauteron, ein Arzt in Montpellier (Mém. de l' acad. de Paris. 1709. p. 451. ſq.), ſetzte am 12 Dec. 1708 eine Unze Waſſer dem Froſte aus, und fand das Eis am andern Morgen um 24 Gran leichter. Ein andermal verlohr eine Unze ſehr dichtes Eis in 24 Stunden uͤber 100 Gran von ihrem Gewichte, welches faſt den vierten Theil deſſelben betraͤgt. Er ſetzt hinzu, bey großem Froſt und Winde ſey dieſe Ausduͤnſtung groͤßer, als bey ſtillem Wetter und geringerer Kaͤlte. Was den Wind betrift, ſo befoͤrdert dieſer die Ausduͤnſtung allezeit; in Abſicht auf die Kaͤlte aber iſt nach Wallerius nur im Augenblicke der Entſtehung des Eiſes die Ausduͤnſtung deſto ſtaͤrker, je groͤßer die Kaͤlte iſt.

Mairan erklaͤrt dieſe ſtarke Ausduͤnſtung des Eiſes aus der Structur deſſelben, vermoͤge welcher es der Luft eine weit rauhere, und daher mehr Beruͤhrungspunkte verſtattende Oberflaͤche, darbietet. Man kan noch hinzuſetzen, daß bey uns ſtarke Froͤſte gewoͤhnlich mit Nord- und Oſtwinden begleitet ſind, welche eine trockne und ſtark aufloͤſende

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[682/0696] In Groͤnland und den meiſten nordiſchen Meeren hat das Eis eine blaͤulichgruͤne Farbe, und ſieht, von unten auf durch das Waſſer betrachtet, gruͤn aus. Das Eis bricht die Lichtſtralen um etwas geringes weniger, als das Waſſer; linſenfoͤrmige Stuͤcken von reinem dichten Eiſe, die man in einem Gefaͤße von dieſer Geſtalt hat gefrieren laſſen, und deren Oberflaͤche man mit ein wenig laulichem Waſſer polirt, laſſen genug Sonnenlicht durch, um alle Wirkungen eines Brennglaſes zu thun. Obgleich das Eis ein feſter Koͤrper iſt, ſo duͤnſtet es doch noch ſtaͤrker aus, als das Waſſer ſelbſt. Um ſich hievon zu uͤberzeugen, darf man nur einige ſcharfe und ſpitzige Stuͤcken Eis an die Luft ſetzen, und man wird, ſelbſt bey der groͤſten Kaͤlte, ihre Spitzen und ſcharfen Kanten bald abgeſtumpft, und ihr Gewicht vermindert finden. Mairan fand im Jahre 1716, daß ein Stuͤck Eis, dem Nordwinde ausgeſetzt, binnen 24 Stunden den fuͤnften Theil ſeines Gewichts verlohren hatte. Gauteron, ein Arzt in Montpellier (Mém. de l' acad. de Paris. 1709. p. 451. ſq.), ſetzte am 12 Dec. 1708 eine Unze Waſſer dem Froſte aus, und fand das Eis am andern Morgen um 24 Gran leichter. Ein andermal verlohr eine Unze ſehr dichtes Eis in 24 Stunden uͤber 100 Gran von ihrem Gewichte, welches faſt den vierten Theil deſſelben betraͤgt. Er ſetzt hinzu, bey großem Froſt und Winde ſey dieſe Ausduͤnſtung groͤßer, als bey ſtillem Wetter und geringerer Kaͤlte. Was den Wind betrift, ſo befoͤrdert dieſer die Ausduͤnſtung allezeit; in Abſicht auf die Kaͤlte aber iſt nach Wallerius nur im Augenblicke der Entſtehung des Eiſes die Ausduͤnſtung deſto ſtaͤrker, je groͤßer die Kaͤlte iſt. Mairan erklaͤrt dieſe ſtarke Ausduͤnſtung des Eiſes aus der Structur deſſelben, vermoͤge welcher es der Luft eine weit rauhere, und daher mehr Beruͤhrungspunkte verſtattende Oberflaͤche, darbietet. Man kan noch hinzuſetzen, daß bey uns ſtarke Froͤſte gewoͤhnlich mit Nord- und Oſtwinden begleitet ſind, welche eine trockne und ſtark aufloͤſende

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/696>, abgerufen am 22.11.2024.