Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Da die Sonne der Erde im Winter etwas näher steht, als im Sommer, so folgt hieraus, daß unter übrigens gleichen Umständen die Fluthen um die Wintersonnenwende etwas stärker, als um die im Sommer, seyn müssen. Ich will diesen Erklärungen der Phänomene noch einige Resultate beyfügen, welche sich nicht anders, als mit Hülfe weitläufigerer Rechnungen erweisen lassen. 1) In den Syzygien beträgt der Zeitraum zwischen den hohen Fluthen am ersten und zweyten Tage 24 St. 35 Min., und die Fluth eilt also dem täglichen Umlaufe des Monds (welcher 24 St. 50 Min. beträgt) um 15 Min. vor. 2) In den Quadraturen hingegen beträgt dieser Zeitraum 25 St. 15--40 Min., und die Fluth bleibt gegen den Umlauf des Monds 25--50 Min. zurück, je nach dem der Mond in der Erdferne oder Erdnähe ist. 3) Der Tag, da dieser Zeitraum das Mittel zwischen seinen äußersten Grenzen hält, fällt näher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 4) Die Veränderungen in der Höhe der Fluthen sind um die Syzygien und Quadraturen am geringsten, so wie Wachsthum und Abnahme jeder Größe da am geringsten ist, wo sie ein Maximum oder Minimum wird. 5) Die grösten Veränderungen in der Höhe der Fluthen fallen näher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 6) Die Höhe der Fluth über das niedrige Wasser, an jedem Orte, ist gleich der grösten Höhe des Wassers, multiplicirt durch das Quadrat des Sinus der Höhe oder Tiefe des Gestirns, wo für das Gestirn der obenerwähnte zwischen Sonne und Mond liegende Punkt zu nehmen ist. Es ergiebt sich hieraus zur Berechnung der Höhe der Fluth an jedem Orte folgende Regel. Man sucht den Ort der Sonne und des Monds und ihre Abstände von der Erde, und berechnet daraus ihre Abweichungen und ihre Höhen für den gegebnen Ort, nimmt aber dabey den Stundenwinkel um so viel größer, so viel später an den Tagen der Syzygien die hohe Fluth nach der Culmination des Monds erfolgt, z. B. für St. Helena 2 1/4 St., für Brest
Da die Sonne der Erde im Winter etwas naͤher ſteht, als im Sommer, ſo folgt hieraus, daß unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden die Fluthen um die Winterſonnenwende etwas ſtaͤrker, als um die im Sommer, ſeyn muͤſſen. Ich will dieſen Erklaͤrungen der Phaͤnomene noch einige Reſultate beyfuͤgen, welche ſich nicht anders, als mit Huͤlfe weitlaͤufigerer Rechnungen erweiſen laſſen. 1) In den Syzygien betraͤgt der Zeitraum zwiſchen den hohen Fluthen am erſten und zweyten Tage 24 St. 35 Min., und die Fluth eilt alſo dem taͤglichen Umlaufe des Monds (welcher 24 St. 50 Min. betraͤgt) um 15 Min. vor. 2) In den Quadraturen hingegen betraͤgt dieſer Zeitraum 25 St. 15—40 Min., und die Fluth bleibt gegen den Umlauf des Monds 25—50 Min. zuruͤck, je nach dem der Mond in der Erdferne oder Erdnaͤhe iſt. 3) Der Tag, da dieſer Zeitraum das Mittel zwiſchen ſeinen aͤußerſten Grenzen haͤlt, faͤllt naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 4) Die Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen ſind um die Syzygien und Quadraturen am geringſten, ſo wie Wachsthum und Abnahme jeder Groͤße da am geringſten iſt, wo ſie ein Maximum oder Minimum wird. 5) Die groͤſten Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen fallen naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 6) Die Hoͤhe der Fluth uͤber das niedrige Waſſer, an jedem Orte, iſt gleich der groͤſten Hoͤhe des Waſſers, multiplicirt durch das Quadrat des Sinus der Hoͤhe oder Tiefe des Geſtirns, wo fuͤr das Geſtirn der obenerwaͤhnte zwiſchen Sonne und Mond liegende Punkt zu nehmen iſt. Es ergiebt ſich hieraus zur Berechnung der Hoͤhe der Fluth an jedem Orte folgende Regel. Man ſucht den Ort der Sonne und des Monds und ihre Abſtaͤnde von der Erde, und berechnet daraus ihre Abweichungen und ihre Hoͤhen fuͤr den gegebnen Ort, nimmt aber dabey den Stundenwinkel um ſo viel groͤßer, ſo viel ſpaͤter an den Tagen der Syzygien die hohe Fluth nach der Culmination des Monds erfolgt, z. B. fuͤr St. Helena 2 1/4 St., fuͤr Breſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0672" xml:id="P.1.658" n="658"/><lb/> und eben dies iſt der Fall bey den ſchwaͤchſten Fluthen in den Quadraturen.</p> <p>Da die Sonne der Erde im Winter etwas naͤher ſteht, als im Sommer, ſo folgt hieraus, daß unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden die Fluthen um die Winterſonnenwende etwas ſtaͤrker, als um die im Sommer, ſeyn muͤſſen.</p> <p>Ich will dieſen Erklaͤrungen der Phaͤnomene noch einige Reſultate beyfuͤgen, welche ſich nicht anders, als mit Huͤlfe weitlaͤufigerer Rechnungen erweiſen laſſen. 1) In den Syzygien betraͤgt der Zeitraum zwiſchen den hohen Fluthen am erſten und zweyten Tage 24 St. 35 Min., und die Fluth eilt alſo dem taͤglichen Umlaufe des Monds (welcher 24 St. 50 Min. betraͤgt) um 15 Min. vor. 2) In den Quadraturen hingegen betraͤgt dieſer Zeitraum 25 St. 15—40 Min., und die Fluth bleibt gegen den Umlauf des Monds 25—50 Min. zuruͤck, je nach dem der Mond in der Erdferne oder Erdnaͤhe iſt. 3) Der Tag, da dieſer Zeitraum das Mittel zwiſchen ſeinen aͤußerſten Grenzen haͤlt, faͤllt naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 4) Die Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen ſind um die Syzygien und Quadraturen am geringſten, ſo wie Wachsthum und Abnahme jeder Groͤße da am geringſten iſt, wo ſie ein Maximum oder Minimum wird. 5) Die groͤſten Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen fallen naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 6) Die Hoͤhe der Fluth uͤber das niedrige Waſſer, an jedem Orte, iſt gleich der groͤſten Hoͤhe des Waſſers, multiplicirt durch das Quadrat des Sinus der Hoͤhe oder Tiefe des Geſtirns, wo fuͤr das Geſtirn der obenerwaͤhnte zwiſchen Sonne und Mond liegende Punkt zu nehmen iſt.</p> <p>Es ergiebt ſich hieraus zur Berechnung der Hoͤhe der Fluth an jedem Orte folgende Regel. Man ſucht den Ort der Sonne und des Monds und ihre Abſtaͤnde von der Erde, und berechnet daraus ihre Abweichungen und ihre Hoͤhen fuͤr den gegebnen Ort, nimmt aber dabey den Stundenwinkel um ſo viel groͤßer, ſo viel ſpaͤter an den Tagen der Syzygien die hohe Fluth nach der Culmination des Monds erfolgt, z. B. fuͤr St. Helena 2 1/4 St., fuͤr Breſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [658/0672]
und eben dies iſt der Fall bey den ſchwaͤchſten Fluthen in den Quadraturen.
Da die Sonne der Erde im Winter etwas naͤher ſteht, als im Sommer, ſo folgt hieraus, daß unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden die Fluthen um die Winterſonnenwende etwas ſtaͤrker, als um die im Sommer, ſeyn muͤſſen.
Ich will dieſen Erklaͤrungen der Phaͤnomene noch einige Reſultate beyfuͤgen, welche ſich nicht anders, als mit Huͤlfe weitlaͤufigerer Rechnungen erweiſen laſſen. 1) In den Syzygien betraͤgt der Zeitraum zwiſchen den hohen Fluthen am erſten und zweyten Tage 24 St. 35 Min., und die Fluth eilt alſo dem taͤglichen Umlaufe des Monds (welcher 24 St. 50 Min. betraͤgt) um 15 Min. vor. 2) In den Quadraturen hingegen betraͤgt dieſer Zeitraum 25 St. 15—40 Min., und die Fluth bleibt gegen den Umlauf des Monds 25—50 Min. zuruͤck, je nach dem der Mond in der Erdferne oder Erdnaͤhe iſt. 3) Der Tag, da dieſer Zeitraum das Mittel zwiſchen ſeinen aͤußerſten Grenzen haͤlt, faͤllt naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 4) Die Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen ſind um die Syzygien und Quadraturen am geringſten, ſo wie Wachsthum und Abnahme jeder Groͤße da am geringſten iſt, wo ſie ein Maximum oder Minimum wird. 5) Die groͤſten Veraͤnderungen in der Hoͤhe der Fluthen fallen naͤher an die Quadraturen, als an die Syzygien. 6) Die Hoͤhe der Fluth uͤber das niedrige Waſſer, an jedem Orte, iſt gleich der groͤſten Hoͤhe des Waſſers, multiplicirt durch das Quadrat des Sinus der Hoͤhe oder Tiefe des Geſtirns, wo fuͤr das Geſtirn der obenerwaͤhnte zwiſchen Sonne und Mond liegende Punkt zu nehmen iſt.
Es ergiebt ſich hieraus zur Berechnung der Hoͤhe der Fluth an jedem Orte folgende Regel. Man ſucht den Ort der Sonne und des Monds und ihre Abſtaͤnde von der Erde, und berechnet daraus ihre Abweichungen und ihre Hoͤhen fuͤr den gegebnen Ort, nimmt aber dabey den Stundenwinkel um ſo viel groͤßer, ſo viel ſpaͤter an den Tagen der Syzygien die hohe Fluth nach der Culmination des Monds erfolgt, z. B. fuͤr St. Helena 2 1/4 St., fuͤr Breſt
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