Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Berührt eine Luftmasse, in der sich mehr Dünste aufhalten, als sie auflösen kan, eine kältere, oder nicht viel wärmere Oberfläche, so schlagen sich die überflüßigen Dünste an dieser Oberfläche nieder, nehmen, wenn die Temperatur noch über dem Eispunkte ist, die Gestalt der Tropfen oder des Thaues an, oder krystallisiren sich bey grösserer Kälte, als Nadeln und Schuppen von regelmäßiger Gestalt. Das Ausschlagen der Wände bey einfallendem Thauwetter, das Schwitzen und Gefrieren der Fensterscheiben, der Reif rc. sind hievon augenscheinliche Beyspiele. Ist aber in einer solchen Luftmasse keine dergleichen berührende Oberfläche vorhanden, so vereinigen sich die überflüßigen Dünste entweder zu kleinen Tropfen, oder zu kleinen gefrornen Nadeln, oder endlich zu holen Bläschen. Die Tröpfchen und Nadeln, als die ersten Anlagen zu Regen und Schnee, sind eigentlich nicht mehr Dünste, sondern ein wahrer Niederschlag in Form des Wassers; da sie aber dehmohnerachtet ihrer Feinheit halber oft noch lange Zeit in der Luft schweben, so giebt ihnen de Saussüre den Namen der concreten Dünste (vapeur concrete). Sie brechen die Lichtstralen, und ihre Entstehung ist daher die Ursache der Höfe, und anderer Meteore, welche Regen ankündigen. Die in Gestalt der Bläschen in der Luft schwebenden Dünste (vapeur vesiculaire) sind von den Physikern, wie ich bey dem Worte: Ausdünstung, angeführt habe, anfänglich, zur Erklärung des Aufsteigens der Dünste in der Luft, blos angenommen worden, ohne daß man Erfahrungen über ihr wirkliches Daseyn anzuführen gewußt hätte. Einige füllten sie mit erwärmter und durchs Feuer ausgedehnter Luft, andere mit dem Feuer selbst, noch andere mit elektrischer Materie an. Desaguliers (Course of exper. philos. To. II. Lect. 10.) läugnet ihr Daseyn, weil man keine Erfahrungen darüber anführen könne; auch Musschenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1471.) ist der Vorstellung von Dunstbläschen abgeneigt,
Beruͤhrt eine Luftmaſſe, in der ſich mehr Duͤnſte aufhalten, als ſie aufloͤſen kan, eine kaͤltere, oder nicht viel waͤrmere Oberflaͤche, ſo ſchlagen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte an dieſer Oberflaͤche nieder, nehmen, wenn die Temperatur noch uͤber dem Eispunkte iſt, die Geſtalt der Tropfen oder des Thaues an, oder kryſtalliſiren ſich bey groͤſſerer Kaͤlte, als Nadeln und Schuppen von regelmaͤßiger Geſtalt. Das Ausſchlagen der Waͤnde bey einfallendem Thauwetter, das Schwitzen und Gefrieren der Fenſterſcheiben, der Reif rc. ſind hievon augenſcheinliche Beyſpiele. Iſt aber in einer ſolchen Luftmaſſe keine dergleichen beruͤhrende Oberflaͤche vorhanden, ſo vereinigen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte entweder zu kleinen Tropfen, oder zu kleinen gefrornen Nadeln, oder endlich zu holen Blaͤschen. Die Troͤpfchen und Nadeln, als die erſten Anlagen zu Regen und Schnee, ſind eigentlich nicht mehr Duͤnſte, ſondern ein wahrer Niederſchlag in Form des Waſſers; da ſie aber dehmohnerachtet ihrer Feinheit halber oft noch lange Zeit in der Luft ſchweben, ſo giebt ihnen de Sauſſuͤre den Namen der concreten Duͤnſte (vapeur concrete). Sie brechen die Lichtſtralen, und ihre Entſtehung iſt daher die Urſache der Hoͤfe, und anderer Meteore, welche Regen ankuͤndigen. Die in Geſtalt der Blaͤschen in der Luft ſchwebenden Duͤnſte (vapeur veſiculaire) ſind von den Phyſikern, wie ich bey dem Worte: Ausduͤnſtung, angefuͤhrt habe, anfaͤnglich, zur Erklaͤrung des Aufſteigens der Duͤnſte in der Luft, blos angenommen worden, ohne daß man Erfahrungen uͤber ihr wirkliches Daſeyn anzufuͤhren gewußt haͤtte. Einige fuͤllten ſie mit erwaͤrmter und durchs Feuer ausgedehnter Luft, andere mit dem Feuer ſelbſt, noch andere mit elektriſcher Materie an. Desaguliers (Courſe of exper. philoſ. To. II. Lect. 10.) laͤugnet ihr Daſeyn, weil man keine Erfahrungen daruͤber anfuͤhren koͤnne; auch Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1471.) iſt der Vorſtellung von Dunſtblaͤschen abgeneigt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0641" xml:id="P.1.627" n="627"/><lb/> oder welcher durch Kaͤlte u. dgl. ein Theil ihrer aufloͤſenden Kraft entzogen wird, folgende.</p> <p>Beruͤhrt eine Luftmaſſe, in der ſich mehr Duͤnſte aufhalten, als ſie aufloͤſen kan, eine kaͤltere, oder nicht viel waͤrmere Oberflaͤche, ſo ſchlagen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte an dieſer Oberflaͤche nieder, nehmen, wenn die Temperatur noch uͤber dem Eispunkte iſt, die Geſtalt der <hi rendition="#b">Tropfen</hi> oder des <hi rendition="#b">Thaues</hi> an, oder kryſtalliſiren ſich bey groͤſſerer Kaͤlte, als Nadeln und Schuppen von regelmaͤßiger Geſtalt. Das Ausſchlagen der Waͤnde bey einfallendem Thauwetter, das Schwitzen und Gefrieren der Fenſterſcheiben, der Reif rc. ſind hievon augenſcheinliche Beyſpiele.</p> <p>Iſt aber in einer ſolchen Luftmaſſe keine dergleichen beruͤhrende Oberflaͤche vorhanden, ſo vereinigen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte entweder zu kleinen Tropfen, oder zu kleinen gefrornen Nadeln, oder endlich zu holen Blaͤschen. Die Troͤpfchen und Nadeln, als die erſten Anlagen zu Regen und Schnee, ſind eigentlich nicht mehr Duͤnſte, ſondern ein wahrer Niederſchlag in Form des Waſſers; da ſie aber dehmohnerachtet ihrer Feinheit halber oft noch lange Zeit in der Luft ſchweben, ſo giebt ihnen <hi rendition="#b">de Sauſſuͤre</hi> den Namen der <hi rendition="#b">concreten Duͤnſte</hi> <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">vapeur concrete</hi>).</hi> Sie brechen die Lichtſtralen, und ihre Entſtehung iſt daher die Urſache der Hoͤfe, und anderer Meteore, welche Regen ankuͤndigen.</p> <p>Die in Geſtalt der <hi rendition="#b">Blaͤschen</hi> in der Luft ſchwebenden Duͤnſte <hi rendition="#aq">(<hi rendition="#i">vapeur veſiculaire</hi>)</hi> ſind von den Phyſikern, wie ich bey dem Worte: <hi rendition="#b">Ausduͤnſtung,</hi> angefuͤhrt habe, anfaͤnglich, zur Erklaͤrung des Aufſteigens der Duͤnſte in der Luft, blos angenommen worden, ohne daß man Erfahrungen uͤber ihr wirkliches Daſeyn anzufuͤhren gewußt haͤtte. Einige fuͤllten ſie mit erwaͤrmter und durchs Feuer ausgedehnter Luft, andere mit dem Feuer ſelbſt, noch andere mit elektriſcher Materie an. <hi rendition="#b">Desaguliers</hi> <hi rendition="#aq">(Courſe of exper. philoſ. To. II. Lect. 10.)</hi> laͤugnet ihr Daſeyn, weil man keine Erfahrungen daruͤber anfuͤhren koͤnne; auch <hi rendition="#b">Muſſchenbroek</hi> <hi rendition="#aq">(Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1471.)</hi> iſt der Vorſtellung von Dunſtblaͤschen abgeneigt,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [627/0641]
oder welcher durch Kaͤlte u. dgl. ein Theil ihrer aufloͤſenden Kraft entzogen wird, folgende.
Beruͤhrt eine Luftmaſſe, in der ſich mehr Duͤnſte aufhalten, als ſie aufloͤſen kan, eine kaͤltere, oder nicht viel waͤrmere Oberflaͤche, ſo ſchlagen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte an dieſer Oberflaͤche nieder, nehmen, wenn die Temperatur noch uͤber dem Eispunkte iſt, die Geſtalt der Tropfen oder des Thaues an, oder kryſtalliſiren ſich bey groͤſſerer Kaͤlte, als Nadeln und Schuppen von regelmaͤßiger Geſtalt. Das Ausſchlagen der Waͤnde bey einfallendem Thauwetter, das Schwitzen und Gefrieren der Fenſterſcheiben, der Reif rc. ſind hievon augenſcheinliche Beyſpiele.
Iſt aber in einer ſolchen Luftmaſſe keine dergleichen beruͤhrende Oberflaͤche vorhanden, ſo vereinigen ſich die uͤberfluͤßigen Duͤnſte entweder zu kleinen Tropfen, oder zu kleinen gefrornen Nadeln, oder endlich zu holen Blaͤschen. Die Troͤpfchen und Nadeln, als die erſten Anlagen zu Regen und Schnee, ſind eigentlich nicht mehr Duͤnſte, ſondern ein wahrer Niederſchlag in Form des Waſſers; da ſie aber dehmohnerachtet ihrer Feinheit halber oft noch lange Zeit in der Luft ſchweben, ſo giebt ihnen de Sauſſuͤre den Namen der concreten Duͤnſte (vapeur concrete). Sie brechen die Lichtſtralen, und ihre Entſtehung iſt daher die Urſache der Hoͤfe, und anderer Meteore, welche Regen ankuͤndigen.
Die in Geſtalt der Blaͤschen in der Luft ſchwebenden Duͤnſte (vapeur veſiculaire) ſind von den Phyſikern, wie ich bey dem Worte: Ausduͤnſtung, angefuͤhrt habe, anfaͤnglich, zur Erklaͤrung des Aufſteigens der Duͤnſte in der Luft, blos angenommen worden, ohne daß man Erfahrungen uͤber ihr wirkliches Daſeyn anzufuͤhren gewußt haͤtte. Einige fuͤllten ſie mit erwaͤrmter und durchs Feuer ausgedehnter Luft, andere mit dem Feuer ſelbſt, noch andere mit elektriſcher Materie an. Desaguliers (Courſe of exper. philoſ. To. II. Lect. 10.) laͤugnet ihr Daſeyn, weil man keine Erfahrungen daruͤber anfuͤhren koͤnne; auch Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. To. II. §. 1471.) iſt der Vorſtellung von Dunſtblaͤschen abgeneigt,
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