Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Kraft an dasselbe. In einer dem Aristoteles zugeschriebenen Stelle, welche Vincent von Beauvais (Speculum hist. To. II. L. 8. c. 19.) und Albert Grot (Albertus Magnus libr. de mineralibus) anführen, wird zwar der Richtung des Magnets und der Nadeln gedacht; aber die Schrift, welche diese Stelle enthält, ist ohne Zweifel untergeschoben und erst seit dem 13ten Jahrhunderte bekannt. Der Mangel dieser Kenntniß nöthigte die Alten, ihre Schiffahrt auf die Nachbarschaft der Küsten einzuschränken; wenn sie diese aus den Augen verlohren, so blieben Sonne und Gestirne ihre einzigen Wegweiser, die ihnen der geringste Wechsel der Witterung entziehen konnte.

Die Entdeckung der Richtung des Magnets fällt ganz unstreitig in die dunkelste Periode des mittlern Zeitalters. Eben dieser Dunkelheit wegen mangeln uns alle Nachrichten von der eigentlichen Zeit und dem Urheber derselben, dessen Name wohl aufbehalten zu werden verdient hätte, da seine Entdeckung durch die Beförderung der Schiffahrt so wichtige Einflüsse auf die Schicksale der Völker gehabt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie schon einige Zeitlang im Gebrauch gewesen, ehe man ihrer in irgend einer Schrift gedacht hat. Man führt als die erste Erwähnung derselben folgende Verse aus des Guyot von Provins (eines Dichters, der sich im Jahre 1181 mit bey dem Hoflager Kaisers Friedrichs I. zu Mainz befand) Roman von der Rose an: Icelle etoile ne se muet, Un art font, qui mentir ne puet Par vertu de la Marinette Une pierre laide, noirette, Ou le fer volontiers se joint, wo die Beylegung des Namens Marinette einen schon seit einiger Zeit gemachten Gebrauch zur Schiffahrt anzuzeigen scheint. Dennoch nennen die meisten als den Erfinder des Seecompasses erst den Flavio Gioja, oder nach andern Giri, der aus Amalfi im Neapolitanischen gebürtig war, und um den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts lebte.


Kraft an daſſelbe. In einer dem Ariſtoteles zugeſchriebenen Stelle, welche Vincent von Beauvais (Speculum hiſt. To. II. L. 8. c. 19.) und Albert Grot (Albertus Magnus libr. de mineralibus) anfuͤhren, wird zwar der Richtung des Magnets und der Nadeln gedacht; aber die Schrift, welche dieſe Stelle enthaͤlt, iſt ohne Zweifel untergeſchoben und erſt ſeit dem 13ten Jahrhunderte bekannt. Der Mangel dieſer Kenntniß noͤthigte die Alten, ihre Schiffahrt auf die Nachbarſchaft der Kuͤſten einzuſchraͤnken; wenn ſie dieſe aus den Augen verlohren, ſo blieben Sonne und Geſtirne ihre einzigen Wegweiſer, die ihnen der geringſte Wechſel der Witterung entziehen konnte.

Die Entdeckung der Richtung des Magnets faͤllt ganz unſtreitig in die dunkelſte Periode des mittlern Zeitalters. Eben dieſer Dunkelheit wegen mangeln uns alle Nachrichten von der eigentlichen Zeit und dem Urheber derſelben, deſſen Name wohl aufbehalten zu werden verdient haͤtte, da ſeine Entdeckung durch die Befoͤrderung der Schiffahrt ſo wichtige Einfluͤſſe auf die Schickſale der Voͤlker gehabt hat. Aller Wahrſcheinlichkeit nach iſt ſie ſchon einige Zeitlang im Gebrauch geweſen, ehe man ihrer in irgend einer Schrift gedacht hat. Man fuͤhrt als die erſte Erwaͤhnung derſelben folgende Verſe aus des Guyot von Provins (eines Dichters, der ſich im Jahre 1181 mit bey dem Hoflager Kaiſers Friedrichs I. zu Mainz befand) Roman von der Roſe an: Icelle étoile ne ſe muet, Un art font, qui mentir ne puet Par vertu de la Marinette Une pierre laide, noirette, Où le fer volontiers ſe joint, wo die Beylegung des Namens Marinette einen ſchon ſeit einiger Zeit gemachten Gebrauch zur Schiffahrt anzuzeigen ſcheint. Dennoch nennen die meiſten als den Erfinder des Seecompaſſes erſt den Flavio Gioja, oder nach andern Giri, der aus Amalfi im Neapolitaniſchen gebuͤrtig war, und um den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts lebte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0536" xml:id="P.1.522" n="522"/><lb/>
Kraft an da&#x017F;&#x017F;elbe. In einer dem <hi rendition="#b">Ari&#x017F;toteles</hi> zuge&#x017F;chriebenen Stelle, welche <hi rendition="#b">Vincent von Beauvais</hi> <hi rendition="#aq">(Speculum hi&#x017F;t. To. II. L. 8. c. 19.)</hi> und <hi rendition="#b">Albert Grot</hi> <hi rendition="#aq">(Albertus Magnus libr. de mineralibus)</hi> anfu&#x0364;hren, wird zwar der Richtung des Magnets und der Nadeln gedacht; aber die Schrift, welche die&#x017F;e Stelle entha&#x0364;lt, i&#x017F;t ohne Zweifel unterge&#x017F;choben und er&#x017F;t &#x017F;eit dem 13ten Jahrhunderte bekannt. Der Mangel die&#x017F;er Kenntniß no&#x0364;thigte die Alten, ihre Schiffahrt auf die Nachbar&#x017F;chaft der Ku&#x0364;&#x017F;ten einzu&#x017F;chra&#x0364;nken; wenn &#x017F;ie die&#x017F;e aus den Augen verlohren, &#x017F;o blieben Sonne und Ge&#x017F;tirne ihre einzigen Wegwei&#x017F;er, die ihnen der gering&#x017F;te Wech&#x017F;el der Witterung entziehen konnte.</p>
          <p>Die Entdeckung der Richtung des Magnets fa&#x0364;llt ganz un&#x017F;treitig in die dunkel&#x017F;te Periode des mittlern Zeitalters. Eben die&#x017F;er Dunkelheit wegen mangeln uns alle Nachrichten von der eigentlichen Zeit und dem Urheber der&#x017F;elben, de&#x017F;&#x017F;en Name wohl aufbehalten zu werden verdient ha&#x0364;tte, da &#x017F;eine Entdeckung durch die Befo&#x0364;rderung der Schiffahrt &#x017F;o wichtige Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e auf die Schick&#x017F;ale der Vo&#x0364;lker gehabt hat. Aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit nach i&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;chon einige Zeitlang im Gebrauch gewe&#x017F;en, ehe man ihrer in irgend einer Schrift gedacht hat. Man fu&#x0364;hrt als die er&#x017F;te Erwa&#x0364;hnung der&#x017F;elben folgende Ver&#x017F;e aus des <hi rendition="#b">Guyot von Provins</hi> (eines Dichters, der &#x017F;ich im Jahre 1181 mit bey dem Hoflager Kai&#x017F;ers Friedrichs <hi rendition="#aq">I.</hi> zu Mainz befand) Roman von der Ro&#x017F;e an: <hi rendition="#aq">Icelle étoile ne &#x017F;e muet, Un art font, qui mentir ne puet Par vertu <hi rendition="#i">de la Marinette</hi> Une pierre laide, noirette, Où le fer volontiers &#x017F;e joint,</hi> wo die Beylegung des Namens <hi rendition="#aq">Marinette</hi> einen &#x017F;chon &#x017F;eit einiger Zeit gemachten Gebrauch zur Schiffahrt anzuzeigen &#x017F;cheint. Dennoch nennen die mei&#x017F;ten als den Erfinder des Seecompa&#x017F;&#x017F;es er&#x017F;t den <hi rendition="#b">Flavio Gioja,</hi> oder nach andern <hi rendition="#b">Giri,</hi> der aus Amalfi im Neapolitani&#x017F;chen gebu&#x0364;rtig war, und um den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts lebte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0536] Kraft an daſſelbe. In einer dem Ariſtoteles zugeſchriebenen Stelle, welche Vincent von Beauvais (Speculum hiſt. To. II. L. 8. c. 19.) und Albert Grot (Albertus Magnus libr. de mineralibus) anfuͤhren, wird zwar der Richtung des Magnets und der Nadeln gedacht; aber die Schrift, welche dieſe Stelle enthaͤlt, iſt ohne Zweifel untergeſchoben und erſt ſeit dem 13ten Jahrhunderte bekannt. Der Mangel dieſer Kenntniß noͤthigte die Alten, ihre Schiffahrt auf die Nachbarſchaft der Kuͤſten einzuſchraͤnken; wenn ſie dieſe aus den Augen verlohren, ſo blieben Sonne und Geſtirne ihre einzigen Wegweiſer, die ihnen der geringſte Wechſel der Witterung entziehen konnte. Die Entdeckung der Richtung des Magnets faͤllt ganz unſtreitig in die dunkelſte Periode des mittlern Zeitalters. Eben dieſer Dunkelheit wegen mangeln uns alle Nachrichten von der eigentlichen Zeit und dem Urheber derſelben, deſſen Name wohl aufbehalten zu werden verdient haͤtte, da ſeine Entdeckung durch die Befoͤrderung der Schiffahrt ſo wichtige Einfluͤſſe auf die Schickſale der Voͤlker gehabt hat. Aller Wahrſcheinlichkeit nach iſt ſie ſchon einige Zeitlang im Gebrauch geweſen, ehe man ihrer in irgend einer Schrift gedacht hat. Man fuͤhrt als die erſte Erwaͤhnung derſelben folgende Verſe aus des Guyot von Provins (eines Dichters, der ſich im Jahre 1181 mit bey dem Hoflager Kaiſers Friedrichs I. zu Mainz befand) Roman von der Roſe an: Icelle étoile ne ſe muet, Un art font, qui mentir ne puet Par vertu de la Marinette Une pierre laide, noirette, Où le fer volontiers ſe joint, wo die Beylegung des Namens Marinette einen ſchon ſeit einiger Zeit gemachten Gebrauch zur Schiffahrt anzuzeigen ſcheint. Dennoch nennen die meiſten als den Erfinder des Seecompaſſes erſt den Flavio Gioja, oder nach andern Giri, der aus Amalfi im Neapolitaniſchen gebuͤrtig war, und um den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts lebte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/536
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/536>, abgerufen am 25.11.2024.