Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Brechbarkeit der Stralen gestört würde." Diese scharfsinnige Bemerkung über die Absicht des Schöpfers bey dem Bau des Auges ist für Eulern höchft rühmlich; inzwischen ist sie schon längst vor ihm von David Gregory (Catoptricae et Dioptricae elementa, Oxon. 1697. 8.) gemacht, und als Vorschlag zur Verbesserung der Fernröhre vorgetragen worden; allein man hat sie damals gleichgültig übersehen. Euler untersuchte durch Rechnung, welche Gestalten und Verhältnisse solche aus Glas und Wasser zusammengesetzte Objectivgläser erforderten; aber die nach seinen Rechnungen angestellten Proben hatten nicht den gewünschten Erfolg.

Inzwischen erregte Eulers Abhandlung die Aufmerksamkeit des John Dollond, eines geschickten englischen Künstlers, der diese Rechnungen sorgfältig durchgieng, aber sie nothwendig falsch finden mußte, weil er sie nach Newtons Grundsätzen prüfte. Euler wagte noch nicht, Newtons Versuche zweifelhaft zu machen, er begnügte sich blos im Allgemeinen zu antworten, daß sich der Bau des Auges gar nicht würde erklären lassen, wenn man nach Newtons Beyspiele die Vermeidung der Farbenzerstreuung bey allen Brechungen durch erhabne Gläser für unmöglich erklären wollte.

Endlich rückte Herr Klingenstierna im Jahre 1754. in den sechszehnten Band der schwedischen Abhandlungen eine geometrische Prüfung des oben angeführten newtonischen Versuchs ein (Anmerkung über das Gesetz der Brechung bey Lichtstralen von verschiedener Art, wenn sie durch ein durchsichtiges Mittel in verschiedene andere gehen, von Samuel Klingenstierna in den schwedischen Abhdl. 1754. der deutschen Uebers. S. 30.), worin er bewieß, daß, wenn dieser Versuch eine allgemeine Richtigkeit hätte, daraus nicht einerley bestimmtes Gesetz der Farbenzerstreuung, sondern unzählige verschiedene Gesetze folgen würden, die sowohl gegen einander selbst, als gegen das von Newton angenommene stritten; und daß vielmehr das Licht nach dem Durchgange durch verschiedene


Brechbarkeit der Stralen geſtoͤrt wuͤrde.“ Dieſe ſcharfſinnige Bemerkung uͤber die Abſicht des Schoͤpfers bey dem Bau des Auges iſt fuͤr Eulern hoͤchft ruͤhmlich; inzwiſchen iſt ſie ſchon laͤngſt vor ihm von David Gregory (Catoptricae et Dioptricae elementa, Oxon. 1697. 8.) gemacht, und als Vorſchlag zur Verbeſſerung der Fernroͤhre vorgetragen worden; allein man hat ſie damals gleichguͤltig uͤberſehen. Euler unterſuchte durch Rechnung, welche Geſtalten und Verhaͤltniſſe ſolche aus Glas und Waſſer zuſammengeſetzte Objectivglaͤſer erforderten; aber die nach ſeinen Rechnungen angeſtellten Proben hatten nicht den gewuͤnſchten Erfolg.

Inzwiſchen erregte Eulers Abhandlung die Aufmerkſamkeit des John Dollond, eines geſchickten engliſchen Kuͤnſtlers, der dieſe Rechnungen ſorgfaͤltig durchgieng, aber ſie nothwendig falſch finden mußte, weil er ſie nach Newtons Grundſaͤtzen pruͤfte. Euler wagte noch nicht, Newtons Verſuche zweifelhaft zu machen, er begnuͤgte ſich blos im Allgemeinen zu antworten, daß ſich der Bau des Auges gar nicht wuͤrde erklaͤren laſſen, wenn man nach Newtons Beyſpiele die Vermeidung der Farbenzerſtreuung bey allen Brechungen durch erhabne Glaͤſer fuͤr unmoͤglich erklaͤren wollte.

Endlich ruͤckte Herr Klingenſtierna im Jahre 1754. in den ſechszehnten Band der ſchwediſchen Abhandlungen eine geometriſche Pruͤfung des oben angefuͤhrten newtoniſchen Verſuchs ein (Anmerkung uͤber das Geſetz der Brechung bey Lichtſtralen von verſchiedener Art, wenn ſie durch ein durchſichtiges Mittel in verſchiedene andere gehen, von Samuel Klingenſtierna in den ſchwediſchen Abhdl. 1754. der deutſchen Ueberſ. S. 30.), worin er bewieß, daß, wenn dieſer Verſuch eine allgemeine Richtigkeit haͤtte, daraus nicht einerley beſtimmtes Geſetz der Farbenzerſtreuung, ſondern unzaͤhlige verſchiedene Geſetze folgen wuͤrden, die ſowohl gegen einander ſelbſt, als gegen das von Newton angenommene ſtritten; und daß vielmehr das Licht nach dem Durchgange durch verſchiedene

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0050" xml:id="P.1.36" n="36"/><lb/>
Brechbarkeit der Stralen ge&#x017F;to&#x0364;rt wu&#x0364;rde.&#x201C; Die&#x017F;e &#x017F;charf&#x017F;innige Bemerkung u&#x0364;ber die Ab&#x017F;icht des Scho&#x0364;pfers bey dem Bau des Auges i&#x017F;t fu&#x0364;r <hi rendition="#b">Eulern</hi> ho&#x0364;chft ru&#x0364;hmlich; inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t vor ihm von <hi rendition="#b">David Gregory</hi> <hi rendition="#aq">(Catoptricae et Dioptricae elementa, Oxon. 1697. 8.)</hi> gemacht, und als Vor&#x017F;chlag zur Verbe&#x017F;&#x017F;erung der Fernro&#x0364;hre vorgetragen worden; allein man hat &#x017F;ie damals gleichgu&#x0364;ltig u&#x0364;ber&#x017F;ehen. <hi rendition="#b">Euler</hi> unter&#x017F;uchte durch Rechnung, welche Ge&#x017F;talten und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olche aus Glas und Wa&#x017F;&#x017F;er zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte Objectivgla&#x0364;&#x017F;er erforderten; aber die nach &#x017F;einen Rechnungen ange&#x017F;tellten Proben hatten nicht den gewu&#x0364;n&#x017F;chten Erfolg.</p>
          <p>Inzwi&#x017F;chen erregte <hi rendition="#b">Eulers</hi> Abhandlung die Aufmerk&#x017F;amkeit des <hi rendition="#b">John Dollond,</hi> eines ge&#x017F;chickten engli&#x017F;chen Ku&#x0364;n&#x017F;tlers, der die&#x017F;e Rechnungen &#x017F;orgfa&#x0364;ltig durchgieng, aber &#x017F;ie nothwendig fal&#x017F;ch finden mußte, weil er &#x017F;ie nach <hi rendition="#b">Newtons</hi> Grund&#x017F;a&#x0364;tzen pru&#x0364;fte. <hi rendition="#b">Euler</hi> wagte noch nicht, <hi rendition="#b">Newtons</hi> Ver&#x017F;uche zweifelhaft zu machen, er begnu&#x0364;gte &#x017F;ich blos im Allgemeinen zu antworten, daß &#x017F;ich der Bau des Auges gar nicht wu&#x0364;rde erkla&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en, wenn man nach <hi rendition="#b">Newtons</hi> Bey&#x017F;piele die Vermeidung der Farbenzer&#x017F;treuung bey allen Brechungen durch erhabne Gla&#x0364;&#x017F;er fu&#x0364;r unmo&#x0364;glich erkla&#x0364;ren wollte.</p>
          <p>Endlich ru&#x0364;ckte Herr <hi rendition="#b">Klingen&#x017F;tierna</hi> im Jahre 1754. in den &#x017F;echszehnten Band der &#x017F;chwedi&#x017F;chen Abhandlungen eine geometri&#x017F;che Pru&#x0364;fung des oben angefu&#x0364;hrten newtoni&#x017F;chen Ver&#x017F;uchs ein (Anmerkung u&#x0364;ber das Ge&#x017F;etz der Brechung bey Licht&#x017F;tralen von ver&#x017F;chiedener Art, wenn &#x017F;ie durch ein durch&#x017F;ichtiges Mittel in ver&#x017F;chiedene andere gehen, von <hi rendition="#b">Samuel Klingen&#x017F;tierna</hi> in den &#x017F;chwedi&#x017F;chen Abhdl. 1754. der deut&#x017F;chen Ueber&#x017F;. S. 30.), worin er bewieß, daß, wenn die&#x017F;er Ver&#x017F;uch eine allgemeine Richtigkeit ha&#x0364;tte, daraus nicht einerley be&#x017F;timmtes Ge&#x017F;etz der Farbenzer&#x017F;treuung, &#x017F;ondern unza&#x0364;hlige ver&#x017F;chiedene Ge&#x017F;etze folgen wu&#x0364;rden, die &#x017F;owohl gegen einander &#x017F;elb&#x017F;t, als gegen das von <hi rendition="#b">Newton</hi> angenommene &#x017F;tritten; und daß vielmehr das Licht nach dem Durchgange durch ver&#x017F;chiedene<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0050] Brechbarkeit der Stralen geſtoͤrt wuͤrde.“ Dieſe ſcharfſinnige Bemerkung uͤber die Abſicht des Schoͤpfers bey dem Bau des Auges iſt fuͤr Eulern hoͤchft ruͤhmlich; inzwiſchen iſt ſie ſchon laͤngſt vor ihm von David Gregory (Catoptricae et Dioptricae elementa, Oxon. 1697. 8.) gemacht, und als Vorſchlag zur Verbeſſerung der Fernroͤhre vorgetragen worden; allein man hat ſie damals gleichguͤltig uͤberſehen. Euler unterſuchte durch Rechnung, welche Geſtalten und Verhaͤltniſſe ſolche aus Glas und Waſſer zuſammengeſetzte Objectivglaͤſer erforderten; aber die nach ſeinen Rechnungen angeſtellten Proben hatten nicht den gewuͤnſchten Erfolg. Inzwiſchen erregte Eulers Abhandlung die Aufmerkſamkeit des John Dollond, eines geſchickten engliſchen Kuͤnſtlers, der dieſe Rechnungen ſorgfaͤltig durchgieng, aber ſie nothwendig falſch finden mußte, weil er ſie nach Newtons Grundſaͤtzen pruͤfte. Euler wagte noch nicht, Newtons Verſuche zweifelhaft zu machen, er begnuͤgte ſich blos im Allgemeinen zu antworten, daß ſich der Bau des Auges gar nicht wuͤrde erklaͤren laſſen, wenn man nach Newtons Beyſpiele die Vermeidung der Farbenzerſtreuung bey allen Brechungen durch erhabne Glaͤſer fuͤr unmoͤglich erklaͤren wollte. Endlich ruͤckte Herr Klingenſtierna im Jahre 1754. in den ſechszehnten Band der ſchwediſchen Abhandlungen eine geometriſche Pruͤfung des oben angefuͤhrten newtoniſchen Verſuchs ein (Anmerkung uͤber das Geſetz der Brechung bey Lichtſtralen von verſchiedener Art, wenn ſie durch ein durchſichtiges Mittel in verſchiedene andere gehen, von Samuel Klingenſtierna in den ſchwediſchen Abhdl. 1754. der deutſchen Ueberſ. S. 30.), worin er bewieß, daß, wenn dieſer Verſuch eine allgemeine Richtigkeit haͤtte, daraus nicht einerley beſtimmtes Geſetz der Farbenzerſtreuung, ſondern unzaͤhlige verſchiedene Geſetze folgen wuͤrden, die ſowohl gegen einander ſelbſt, als gegen das von Newton angenommene ſtritten; und daß vielmehr das Licht nach dem Durchgange durch verſchiedene

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/50
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/50>, abgerufen am 21.11.2024.