Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Die zündende Kraft der Hohlspiegel ist den Alten unläugbar bekannt gewesen. Es wird derselben in der dem Euklides zugeschriebnen Katoptrik (prop. 31.) gedacht, wo aber der Brennpunkt sehr unrichtig in den Mittelpunkt der Kugelfläche des Spiegels gesetzt wird. Nach Plutarchs Bericht im Numa haben die Vestalinnen das heilige Feuer mit Scaphiis entzündet. Vielleicht waren dies hohle Stücken gleichseitiger Kegel. Die gemeine Sage, daß Archimedes bey der Belagerung von Syrakus die Schiffe des Marcellus durch Brennspiegel in Brand gesteckt habe, wird durch das Stillschweigen des Polybius, Livius und Plutarch verdächtig. Galenus (de temperam. III. 2.), der älteste Schriftsteller, der dieser Verbrennung gedenkt, sagt, sie sey durch Feuerkugeln oder dergleichen [fremdsprachliches Material] geschehen. Erst Zonaras und Tzetzes, Schriftsteller des zwölften Jahrhunderts, erzählen das Wunder mit den Brennspiegeln, wobey sich der letztere auf viele ältere Schriftsteller, z. B. den Diodor aus Sicilien, Dio Cassius, Hero, Philo rc. beruft, deren hieher gehörige Bücher theils verlohren sind, theils nichts hievon enthalten. Unmöglich kan auch die Sache durch einen Hohlspiegel bewirkt worden seyn, bey welchem die Brennweite viel zu kurz, und die Stellung des Brennpunkts zwischen der Sonne und dem Spiegel zu einer Unternehmung dieser Art völlig ungeschickt ist. Porta glaubte zwar alles dadurch erklären zu können, daß Archimed sich eines zweyten parabolischen Spiegels bedient habe, um die im Brennpunkte des ersten vereinigten Stralen parallel auf eine große Weite fortzusenden: allein dieser Gedanke ist nicht wohl überlegt; nur Stralen aus einem einzigen Punkte der Sonne könnte man durch dieses Mittel parallel fortsenden, diese würden aber für die verlangte Wirkung viel zu schwach seyn. Zonaras erwähnt einer ähnlichen Geschichte vom Jahre 514 n. C. G., da Proklus die Flotte des Vitalianus vor Constantinopel durch Brennspiegel entzündet haben
Die zuͤndende Kraft der Hohlſpiegel iſt den Alten unlaͤugbar bekannt geweſen. Es wird derſelben in der dem Euklides zugeſchriebnen Katoptrik (prop. 31.) gedacht, wo aber der Brennpunkt ſehr unrichtig in den Mittelpunkt der Kugelflaͤche des Spiegels geſetzt wird. Nach Plutarchs Bericht im Numa haben die Veſtalinnen das heilige Feuer mit Scaphiis entzuͤndet. Vielleicht waren dies hohle Stuͤcken gleichſeitiger Kegel. Die gemeine Sage, daß Archimedes bey der Belagerung von Syrakus die Schiffe des Marcellus durch Brennſpiegel in Brand geſteckt habe, wird durch das Stillſchweigen des Polybius, Livius und Plutarch verdaͤchtig. Galenus (de temperam. III. 2.), der aͤlteſte Schriftſteller, der dieſer Verbrennung gedenkt, ſagt, ſie ſey durch Feuerkugeln oder dergleichen [fremdsprachliches Material] geſchehen. Erſt Zonaras und Tzetzes, Schriftſteller des zwoͤlften Jahrhunderts, erzaͤhlen das Wunder mit den Brennſpiegeln, wobey ſich der letztere auf viele aͤltere Schriftſteller, z. B. den Diodor aus Sicilien, Dio Caſſius, Hero, Philo rc. beruft, deren hieher gehoͤrige Buͤcher theils verlohren ſind, theils nichts hievon enthalten. Unmoͤglich kan auch die Sache durch einen Hohlſpiegel bewirkt worden ſeyn, bey welchem die Brennweite viel zu kurz, und die Stellung des Brennpunkts zwiſchen der Sonne und dem Spiegel zu einer Unternehmung dieſer Art voͤllig ungeſchickt iſt. Porta glaubte zwar alles dadurch erklaͤren zu koͤnnen, daß Archimed ſich eines zweyten paraboliſchen Spiegels bedient habe, um die im Brennpunkte des erſten vereinigten Stralen parallel auf eine große Weite fortzuſenden: allein dieſer Gedanke iſt nicht wohl uͤberlegt; nur Stralen aus einem einzigen Punkte der Sonne koͤnnte man durch dieſes Mittel parallel fortſenden, dieſe wuͤrden aber fuͤr die verlangte Wirkung viel zu ſchwach ſeyn. Zonaras erwaͤhnt einer aͤhnlichen Geſchichte vom Jahre 514 n. C. G., da Proklus die Flotte des Vitalianus vor Conſtantinopel durch Brennſpiegel entzuͤndet haben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0468" xml:id="P.1.454" n="454"/><lb/> obgleich ſonſt der Spiegel bey gleicher Flaͤche und'Kruͤmmung etwa viermal ſtaͤrker, als das Brennglas, wirkt.</p> <p>Die zuͤndende Kraft der Hohlſpiegel iſt den Alten unlaͤugbar bekannt geweſen. Es wird derſelben in der dem <hi rendition="#b">Euklides</hi> zugeſchriebnen Katoptrik <hi rendition="#aq">(prop. 31.)</hi> gedacht, wo aber der Brennpunkt ſehr unrichtig in den Mittelpunkt der Kugelflaͤche des Spiegels geſetzt wird. Nach <hi rendition="#b">Plutarchs</hi> Bericht im Numa haben die Veſtalinnen das heilige Feuer mit <hi rendition="#aq">Scaphiis</hi> entzuͤndet. Vielleicht waren dies hohle Stuͤcken gleichſeitiger Kegel.</p> <p>Die gemeine Sage, daß <hi rendition="#b">Archimedes</hi> bey der Belagerung von Syrakus die Schiffe des Marcellus durch Brennſpiegel in Brand geſteckt habe, wird durch das Stillſchweigen des Polybius, Livius und Plutarch verdaͤchtig. <hi rendition="#b">Galenus</hi> <hi rendition="#aq">(de temperam. III. 2.),</hi> der aͤlteſte Schriftſteller, der dieſer Verbrennung gedenkt, ſagt, ſie ſey durch Feuerkugeln oder dergleichen <foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">dia\ tw_n puri/wn</note></foreign> geſchehen. Erſt <hi rendition="#b">Zonaras</hi> und <hi rendition="#b">Tzetzes,</hi> Schriftſteller des zwoͤlften Jahrhunderts, erzaͤhlen das Wunder mit den Brennſpiegeln, wobey ſich der letztere auf viele aͤltere Schriftſteller, z. B. den Diodor aus Sicilien, Dio Caſſius, Hero, Philo rc. beruft, deren hieher gehoͤrige Buͤcher theils verlohren ſind, theils nichts hievon enthalten. Unmoͤglich kan auch die Sache durch einen Hohlſpiegel bewirkt worden ſeyn, bey welchem die Brennweite viel zu kurz, und die Stellung des Brennpunkts zwiſchen der Sonne und dem Spiegel zu einer Unternehmung dieſer Art voͤllig ungeſchickt iſt. <hi rendition="#b">Porta</hi> glaubte zwar alles dadurch erklaͤren zu koͤnnen, daß Archimed ſich eines zweyten paraboliſchen Spiegels bedient habe, um die im Brennpunkte des erſten vereinigten Stralen parallel auf eine große Weite fortzuſenden: allein dieſer Gedanke iſt nicht wohl uͤberlegt; nur Stralen aus einem einzigen Punkte der Sonne koͤnnte man durch dieſes Mittel parallel fortſenden, dieſe wuͤrden aber fuͤr die verlangte Wirkung viel zu ſchwach ſeyn.</p> <p>Zonaras erwaͤhnt einer aͤhnlichen Geſchichte vom Jahre 514 n. C. G., da Proklus die Flotte des Vitalianus vor Conſtantinopel durch Brennſpiegel entzuͤndet haben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [454/0468]
obgleich ſonſt der Spiegel bey gleicher Flaͤche und'Kruͤmmung etwa viermal ſtaͤrker, als das Brennglas, wirkt.
Die zuͤndende Kraft der Hohlſpiegel iſt den Alten unlaͤugbar bekannt geweſen. Es wird derſelben in der dem Euklides zugeſchriebnen Katoptrik (prop. 31.) gedacht, wo aber der Brennpunkt ſehr unrichtig in den Mittelpunkt der Kugelflaͤche des Spiegels geſetzt wird. Nach Plutarchs Bericht im Numa haben die Veſtalinnen das heilige Feuer mit Scaphiis entzuͤndet. Vielleicht waren dies hohle Stuͤcken gleichſeitiger Kegel.
Die gemeine Sage, daß Archimedes bey der Belagerung von Syrakus die Schiffe des Marcellus durch Brennſpiegel in Brand geſteckt habe, wird durch das Stillſchweigen des Polybius, Livius und Plutarch verdaͤchtig. Galenus (de temperam. III. 2.), der aͤlteſte Schriftſteller, der dieſer Verbrennung gedenkt, ſagt, ſie ſey durch Feuerkugeln oder dergleichen _ geſchehen. Erſt Zonaras und Tzetzes, Schriftſteller des zwoͤlften Jahrhunderts, erzaͤhlen das Wunder mit den Brennſpiegeln, wobey ſich der letztere auf viele aͤltere Schriftſteller, z. B. den Diodor aus Sicilien, Dio Caſſius, Hero, Philo rc. beruft, deren hieher gehoͤrige Buͤcher theils verlohren ſind, theils nichts hievon enthalten. Unmoͤglich kan auch die Sache durch einen Hohlſpiegel bewirkt worden ſeyn, bey welchem die Brennweite viel zu kurz, und die Stellung des Brennpunkts zwiſchen der Sonne und dem Spiegel zu einer Unternehmung dieſer Art voͤllig ungeſchickt iſt. Porta glaubte zwar alles dadurch erklaͤren zu koͤnnen, daß Archimed ſich eines zweyten paraboliſchen Spiegels bedient habe, um die im Brennpunkte des erſten vereinigten Stralen parallel auf eine große Weite fortzuſenden: allein dieſer Gedanke iſt nicht wohl uͤberlegt; nur Stralen aus einem einzigen Punkte der Sonne koͤnnte man durch dieſes Mittel parallel fortſenden, dieſe wuͤrden aber fuͤr die verlangte Wirkung viel zu ſchwach ſeyn.
Zonaras erwaͤhnt einer aͤhnlichen Geſchichte vom Jahre 514 n. C. G., da Proklus die Flotte des Vitalianus vor Conſtantinopel durch Brennſpiegel entzuͤndet haben
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