Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Versuche lehren, daß nicht alles Licht, oder nicht alle Theile eines Lichtstrals gleich brechbar sind; die rothen Lichtstralen z. B. werden unter völlig gleichen Umständen weniger, als die orangefarbnen, gelben, grünen rc. gebrochen, und die violetten haben unter allen die stärkste Brechbarkeit.

Diese verschiedene Brechbarkeit der Lichtstralen von verschiedenen Farben entdeckte Newton zuerst im Jahre 1666, und baute auf dieselbe einen großen Theil feiner Theorie des Lichts und der Farben. Er erzählte seine Versuche hierüber in den Philosophischen Transactionen der Jahre 1672--1688 (s. Abhandlungen aus den Philos. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. I. Band. S. 192. f.) und in seiner Optik. Die vornehmsten derselben sind folgende.

1. Er fieng in einem verfinsterten Zimmer (Taf. IV. Fig. 68.) das durch die Oefnung F einfallende Sonnenlicht mit dem gläsernen Prisma ABC auf, so daß das gebrochne Licht bey PT die Wand traf. Hier fand er das schon vor ihm bekannte Farbenbild (Spectrum, image coloree) PT, fünfmal so lang, als breit, da es doch nach den allgemeinen Gesetzen der Brechung kreisrund hätte seyn sollen, indem die parallelen Sonnenstralen bey beyden Brechungen in den Ebnen BC und AC parallel bleiben muften. Die Ausbreitung des Farbenbildes aber zeigte, daß sie von CA nach PT divergirten. Eben diese Ausbreitung des Bildes hatte schon Grimaldi (De lumine, Bononiae 1665. 4. p. 272.) wahrgenommen. Newton versiel auf verschiedene Muthmaßungen über die Ursache dieser sonderbaren Erscheinung; allein die Versuche stimmten mit keiner derselben überein, so lang er alle Theile des Lichts gleich brechbar setzte. Es blieb ihm daher nichts übrig, als anzunehmen, daß jeder Sonnenstral aus Theilen von verschiedener Brechbarkeit bestehe, und da das Bild viele sich in einander verlaufende Farben zeigte, deren kenntlichste Abstufungen, von T bis P gerechnet, Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violet waren, so schloß er, daß diese Farbenstralen in verschiedenem Grade, und zwar die rothen auf T fallenden am


Die Verſuche lehren, daß nicht alles Licht, oder nicht alle Theile eines Lichtſtrals gleich brechbar ſind; die rothen Lichtſtralen z. B. werden unter voͤllig gleichen Umſtaͤnden weniger, als die orangefarbnen, gelben, gruͤnen rc. gebrochen, und die violetten haben unter allen die ſtaͤrkſte Brechbarkeit.

Dieſe verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen von verſchiedenen Farben entdeckte Newton zuerſt im Jahre 1666, und baute auf dieſelbe einen großen Theil feiner Theorie des Lichts und der Farben. Er erzaͤhlte ſeine Verſuche hieruͤber in den Philoſophiſchen Transactionen der Jahre 1672—1688 (ſ. Abhandlungen aus den Philoſ. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. I. Band. S. 192. f.) und in ſeiner Optik. Die vornehmſten derſelben ſind folgende.

1. Er fieng in einem verfinſterten Zimmer (Taf. IV. Fig. 68.) das durch die Oefnung F einfallende Sonnenlicht mit dem glaͤſernen Prisma ABC auf, ſo daß das gebrochne Licht bey PT die Wand traf. Hier fand er das ſchon vor ihm bekannte Farbenbild (Spectrum, image colorée) PT, fuͤnfmal ſo lang, als breit, da es doch nach den allgemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund haͤtte ſeyn ſollen, indem die parallelen Sonnenſtralen bey beyden Brechungen in den Ebnen BC und AC parallel bleiben muften. Die Ausbreitung des Farbenbildes aber zeigte, daß ſie von CA nach PT divergirten. Eben dieſe Ausbreitung des Bildes hatte ſchon Grimaldi (De lumine, Bononiae 1665. 4. p. 272.) wahrgenommen. Newton verſiel auf verſchiedene Muthmaßungen uͤber die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinung; allein die Verſuche ſtimmten mit keiner derſelben uͤberein, ſo lang er alle Theile des Lichts gleich brechbar ſetzte. Es blieb ihm daher nichts uͤbrig, als anzunehmen, daß jeder Sonnenſtral aus Theilen von verſchiedener Brechbarkeit beſtehe, und da das Bild viele ſich in einander verlaufende Farben zeigte, deren kenntlichſte Abſtufungen, von T bis P gerechnet, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet waren, ſo ſchloß er, daß dieſe Farbenſtralen in verſchiedenem Grade, und zwar die rothen auf T fallenden am

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0422" xml:id="P.1.408" n="408"/><lb/>
          </p>
          <p>Die Ver&#x017F;uche lehren, daß nicht alles Licht, oder nicht alle Theile eines Licht&#x017F;trals gleich brechbar &#x017F;ind; die rothen Licht&#x017F;tralen z. B. werden unter vo&#x0364;llig gleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden weniger, als die orangefarbnen, gelben, gru&#x0364;nen rc. gebrochen, und die violetten haben unter allen die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Brechbarkeit.</p>
          <p>Die&#x017F;e <hi rendition="#b">ver&#x017F;chiedene Brechbarkeit</hi> der Licht&#x017F;tralen von ver&#x017F;chiedenen Farben entdeckte <hi rendition="#b">Newton</hi> zuer&#x017F;t im Jahre 1666, und baute auf die&#x017F;elbe einen großen Theil feiner Theorie des Lichts und der Farben. Er erza&#x0364;hlte &#x017F;eine Ver&#x017F;uche hieru&#x0364;ber in den Philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Transactionen der Jahre 1672&#x2014;1688 (&#x017F;. Abhandlungen aus den Philo&#x017F;. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. <hi rendition="#aq">I.</hi> Band. S. 192. f.) und in &#x017F;einer Optik. Die vornehm&#x017F;ten der&#x017F;elben &#x017F;ind folgende.</p>
          <p>1. Er fieng in einem verfin&#x017F;terten Zimmer (Taf. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Fig. 68.) das durch die Oefnung <hi rendition="#aq">F</hi> einfallende Sonnenlicht mit dem gla&#x0364;&#x017F;ernen Prisma <hi rendition="#aq">ABC</hi> auf, &#x017F;o daß das gebrochne Licht bey <hi rendition="#aq">PT</hi> die Wand traf. Hier fand er das &#x017F;chon vor ihm bekannte <hi rendition="#b">Farbenbild</hi> <hi rendition="#aq">(Spectrum, <hi rendition="#i">image colorée</hi>) PT,</hi> fu&#x0364;nfmal &#x017F;o lang, als breit, da es doch nach den allgemeinen Ge&#x017F;etzen der Brechung kreisrund ha&#x0364;tte &#x017F;eyn &#x017F;ollen, indem die parallelen Sonnen&#x017F;tralen bey beyden Brechungen in den Ebnen <hi rendition="#aq">BC</hi> und <hi rendition="#aq">AC</hi> parallel bleiben muften. Die Ausbreitung des Farbenbildes aber zeigte, daß &#x017F;ie von <hi rendition="#aq">CA</hi> nach <hi rendition="#aq">PT</hi> divergirten. Eben die&#x017F;e Ausbreitung des Bildes hatte &#x017F;chon <hi rendition="#b">Grimaldi</hi> <hi rendition="#aq">(De lumine, Bononiae 1665. 4. p. 272.)</hi> wahrgenommen. <hi rendition="#b">Newton</hi> ver&#x017F;iel auf ver&#x017F;chiedene Muthmaßungen u&#x0364;ber die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er &#x017F;onderbaren Er&#x017F;cheinung; allein die Ver&#x017F;uche &#x017F;timmten mit keiner der&#x017F;elben u&#x0364;berein, &#x017F;o lang er alle Theile des Lichts gleich brechbar &#x017F;etzte. Es blieb ihm daher nichts u&#x0364;brig, als anzunehmen, daß jeder Sonnen&#x017F;tral aus Theilen von ver&#x017F;chiedener Brechbarkeit be&#x017F;tehe, und da das Bild viele &#x017F;ich in einander verlaufende Farben zeigte, deren kenntlich&#x017F;te Ab&#x017F;tufungen, von <hi rendition="#aq">T</hi> bis <hi rendition="#aq">P</hi> gerechnet, <hi rendition="#b">Roth, Orange, Gelb, Gru&#x0364;n, Blau, Indigo, Violet</hi> waren, &#x017F;o &#x017F;chloß er, daß die&#x017F;e Farben&#x017F;tralen in ver&#x017F;chiedenem Grade, und zwar die rothen auf <hi rendition="#aq">T</hi> fallenden am<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0422] Die Verſuche lehren, daß nicht alles Licht, oder nicht alle Theile eines Lichtſtrals gleich brechbar ſind; die rothen Lichtſtralen z. B. werden unter voͤllig gleichen Umſtaͤnden weniger, als die orangefarbnen, gelben, gruͤnen rc. gebrochen, und die violetten haben unter allen die ſtaͤrkſte Brechbarkeit. Dieſe verſchiedene Brechbarkeit der Lichtſtralen von verſchiedenen Farben entdeckte Newton zuerſt im Jahre 1666, und baute auf dieſelbe einen großen Theil feiner Theorie des Lichts und der Farben. Er erzaͤhlte ſeine Verſuche hieruͤber in den Philoſophiſchen Transactionen der Jahre 1672—1688 (ſ. Abhandlungen aus den Philoſ. Transact. Leipz. 1779. gr. 4. I. Band. S. 192. f.) und in ſeiner Optik. Die vornehmſten derſelben ſind folgende. 1. Er fieng in einem verfinſterten Zimmer (Taf. IV. Fig. 68.) das durch die Oefnung F einfallende Sonnenlicht mit dem glaͤſernen Prisma ABC auf, ſo daß das gebrochne Licht bey PT die Wand traf. Hier fand er das ſchon vor ihm bekannte Farbenbild (Spectrum, image colorée) PT, fuͤnfmal ſo lang, als breit, da es doch nach den allgemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund haͤtte ſeyn ſollen, indem die parallelen Sonnenſtralen bey beyden Brechungen in den Ebnen BC und AC parallel bleiben muften. Die Ausbreitung des Farbenbildes aber zeigte, daß ſie von CA nach PT divergirten. Eben dieſe Ausbreitung des Bildes hatte ſchon Grimaldi (De lumine, Bononiae 1665. 4. p. 272.) wahrgenommen. Newton verſiel auf verſchiedene Muthmaßungen uͤber die Urſache dieſer ſonderbaren Erſcheinung; allein die Verſuche ſtimmten mit keiner derſelben uͤberein, ſo lang er alle Theile des Lichts gleich brechbar ſetzte. Es blieb ihm daher nichts uͤbrig, als anzunehmen, daß jeder Sonnenſtral aus Theilen von verſchiedener Brechbarkeit beſtehe, und da das Bild viele ſich in einander verlaufende Farben zeigte, deren kenntlichſte Abſtufungen, von T bis P gerechnet, Roth, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Indigo, Violet waren, ſo ſchloß er, daß dieſe Farbenſtralen in verſchiedenem Grade, und zwar die rothen auf T fallenden am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/422
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/422>, abgerufen am 25.11.2024.