wieder vereinigen. Liegt die Spitze des Stralenkegels hinter dem Auge, so sind die Stralen convergent, und vereinigen sich schon vor der Netzhaut; aber die daraus entstehende Undeutlichkeit ist eben so groß, als wenn sie sich erst in einem gewissen Punkte hinter ihr vereiniget hätten, oder aus einer vor dem Auge liegenden Stelle ausgefahren wären. Smith wendet dagegen wieder ein, nach dieser Theorie müßten die durch Gläser betrachteten und undeutlich gesehenen Gegenstände jederzeit dem Auge näher als 1--2 Schuhe zu liegen scheinen (die Weite, in der das bloße Auge gewöhnlich deutlich sieht), welches der Erfahrung entgegen sey. Smith leitet daher das Urtheil über die scheinbare Stelle des Bildes aus der scheinbaren Größe her. Die Seele, sagter, setzt das Bild dahin, wohin sie es ohne Glas oder Spiegel setzen würde, wenn es unter eben der Größe, wie durchs Glas oder im Spiegel, erschiene. Dies streitet aber wieder mit den Erfahrungen in den krummen Spiegeln, da in den erhabnen die Gegenstände kleiner und näher zugleich, in den hohlen größer und entfernter zugleich gesehen werden. Erhabne Gläser zeigen nach Montucla den Rand des Tisches, von oben herab betrachtet, entfernter, so daß die, die ihn berühren wollen, mit dem Finger unter den Tisch fahren. Der ins Wasser gesenkte Theil eines lothrechten Fadens scheint dem Auge näher gerückt, daer nach Smiths Erklärung weiter gerückt scheinen müßte, weil er verkleinert wird.
Kraft(Comm Petrop. Vol. XII. p. 252. 256.) hat Barrows Grundsatz vertheidigt. Beym schwersten Falle, wo nemlich im Hohlspiegel ein Bild gesehen wird, wenn gleich die Spitzen der zurückgeworfenen Stralenkegel hinter dem Auge liegen, meynter, man könne in diesem Falle den Spiegel als eine Menge ebner Flächen betrachten.
Da sich beym Urtheile über scheinbare Entfernung der Gegenstände von uns, unstreitig vielerley Begriffe vereinigen, die wir selbst nicht allezeit aus einander setzen können, s. Entfernung, scheinbare, so geht es wohl mit den
wieder vereinigen. Liegt die Spitze des Stralenkegels hinter dem Auge, ſo ſind die Stralen convergent, und vereinigen ſich ſchon vor der Netzhaut; aber die daraus entſtehende Undeutlichkeit iſt eben ſo groß, als wenn ſie ſich erſt in einem gewiſſen Punkte hinter ihr vereiniget haͤtten, oder aus einer vor dem Auge liegenden Stelle ausgefahren waͤren. Smith wendet dagegen wieder ein, nach dieſer Theorie muͤßten die durch Glaͤſer betrachteten und undeutlich geſehenen Gegenſtaͤnde jederzeit dem Auge naͤher als 1—2 Schuhe zu liegen ſcheinen (die Weite, in der das bloße Auge gewoͤhnlich deutlich ſieht), welches der Erfahrung entgegen ſey. Smith leitet daher das Urtheil uͤber die ſcheinbare Stelle des Bildes aus der ſcheinbaren Groͤße her. Die Seele, ſagter, ſetzt das Bild dahin, wohin ſie es ohne Glas oder Spiegel ſetzen wuͤrde, wenn es unter eben der Groͤße, wie durchs Glas oder im Spiegel, erſchiene. Dies ſtreitet aber wieder mit den Erfahrungen in den krummen Spiegeln, da in den erhabnen die Gegenſtaͤnde kleiner und naͤher zugleich, in den hohlen groͤßer und entfernter zugleich geſehen werden. Erhabne Glaͤſer zeigen nach Montucla den Rand des Tiſches, von oben herab betrachtet, entfernter, ſo daß die, die ihn beruͤhren wollen, mit dem Finger unter den Tiſch fahren. Der ins Waſſer geſenkte Theil eines lothrechten Fadens ſcheint dem Auge naͤher geruͤckt, daer nach Smiths Erklaͤrung weiter geruͤckt ſcheinen muͤßte, weil er verkleinert wird.
Kraft(Comm Petrop. Vol. XII. p. 252. 256.) hat Barrows Grundſatz vertheidigt. Beym ſchwerſten Falle, wo nemlich im Hohlſpiegel ein Bild geſehen wird, wenn gleich die Spitzen der zuruͤckgeworfenen Stralenkegel hinter dem Auge liegen, meynter, man koͤnne in dieſem Falle den Spiegel als eine Menge ebner Flaͤchen betrachten.
Da ſich beym Urtheile uͤber ſcheinbare Entfernung der Gegenſtaͤnde von uns, unſtreitig vielerley Begriffe vereinigen, die wir ſelbſt nicht allezeit aus einander ſetzen koͤnnen, ſ. Entfernung, ſcheinbare, ſo geht es wohl mit den
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wieder vereinigen. Liegt die Spitze des Stralenkegels hinter dem Auge, ſo ſind die Stralen convergent, und vereinigen ſich ſchon vor der Netzhaut; aber die daraus entſtehende Undeutlichkeit iſt eben ſo groß, als wenn ſie ſich erſt in einem gewiſſen Punkte hinter ihr vereiniget haͤtten, oder aus einer vor dem Auge liegenden Stelle ausgefahren waͤren. Smith wendet dagegen wieder ein, nach dieſer Theorie muͤßten die durch Glaͤſer betrachteten und undeutlich geſehenen Gegenſtaͤnde jederzeit dem Auge naͤher als 1—2 Schuhe zu liegen ſcheinen (die Weite, in der das bloße Auge gewoͤhnlich deutlich ſieht), welches der Erfahrung entgegen ſey. Smith leitet daher das Urtheil uͤber die ſcheinbare Stelle des Bildes aus der ſcheinbaren Groͤße her. Die Seele, ſagter, ſetzt das Bild dahin, wohin ſie es ohne Glas oder Spiegel ſetzen wuͤrde, wenn es unter eben der Groͤße, wie durchs Glas oder im Spiegel, erſchiene. Dies ſtreitet aber wieder mit den Erfahrungen in den krummen Spiegeln, da in den erhabnen die Gegenſtaͤnde kleiner und naͤher zugleich, in den hohlen groͤßer und entfernter zugleich geſehen werden. Erhabne Glaͤſer zeigen nach Montucla den Rand des Tiſches, von oben herab betrachtet, entfernter, ſo daß die, die ihn beruͤhren wollen, mit dem Finger unter den Tiſch fahren. Der ins Waſſer geſenkte Theil eines lothrechten Fadens ſcheint dem Auge naͤher geruͤckt, daer nach Smiths Erklaͤrung weiter geruͤckt ſcheinen muͤßte, weil er verkleinert wird.
Kraft (Comm Petrop. Vol. XII. p. 252. 256.) hat Barrows Grundſatz vertheidigt. Beym ſchwerſten Falle, wo nemlich im Hohlſpiegel ein Bild geſehen wird, wenn gleich die Spitzen der zuruͤckgeworfenen Stralenkegel hinter dem Auge liegen, meynter, man koͤnne in dieſem Falle den Spiegel als eine Menge ebner Flaͤchen betrachten.
Da ſich beym Urtheile uͤber ſcheinbare Entfernung der Gegenſtaͤnde von uns, unſtreitig vielerley Begriffe vereinigen, die wir ſelbſt nicht allezeit aus einander ſetzen koͤnnen, ſ. Entfernung, ſcheinbare, ſo geht es wohl mit den
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/370>, abgerufen am 25.11.2024.
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