Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.Torricelli hingegen kam nach einigem Nachdenken auf die Vermuthung, daß die Erhaltung der Quecksilbersäule von GH bis I wohl von dem Drucke der auf der Fläche GH ruhenden und bis an die Grenzen des Luftkreises sich erstreckenden Luftsäule herrühren möge. Dieser Gedanke ist den bekannten hydrostatischen Gesetzen so gemäß, daß man ihn nur hören darf, um darinn sogleich die wahre Erklärung des Phänomens zu erkennen. Der Urheber desselben war im Begriff, ihn weiter zu verfolgen, als ihn schon 1647 ein frühzeitiger Tod dahinriß. Von ihm heißt noch die eben beschriebene Vorrichtung, die nichts anders als das Barometer selbst ist, die torricellische Röhre, und der leere Raum AI, die torricellische Leere. Pascal machte sich nun die Vermuthung des Torricelli ganz eigen, und bestätigte sie durch verschiedene neue Versuche. Er ließ durch Perrier, einen seiner Schwäger zu Clermont in Auvergne, schon 1648 Versuche auf dem Berge Puy-de-Dome anstellen (s. Höhenmessungen, barometrische), wobey sich fand, daß das Quecksilber in der torricellischen Röhre auf dem Gipfel des 500 Toisen hohen Berges über 3 pariser Zoll niedriger stand, als es am Fuße des Berges gestanden hatte, so daß die Quecksilbersäule auf dem Gipfel nur bis K reichte, da sie, wenn der Versuch am Fuße des Berges angestellt ward, bis I gieng. Hierdurch ward unwidersprechlich erwiesen, daß die Aufrechterhaltung des Quecksiilbers bis I keinen Abscheu vor der Leere, sondern den Druck der über GH ruhenden Luftsäule zum Grunde habe: denn so wie man sich durch Besteigung des Berges den Grenzen des Luftkreises näherte, und also diese Luftsäule verkürzte, so ward auch die Höhe der aufrechterhaltnen Quecksilbersäule verkürzt -- ein Zeichen, daß zwischen beyden Säulen ein Gleichgewicht statt finde. Auch fand Pascal, daß, bey weggenommener Luft über GH, das Quecksilber von I bis ins Gefäß CDEF herabsank. Durch so überwiegende Gründe schlug er in einer vortreflichen Schrift (Traite de l' equilibre des liqueurs et de la pesanteur de la masse de l'air, Par. 1663. 12.) die ungegründete u. nichts sagende Torricelli hingegen kam nach einigem Nachdenken auf die Vermuthung, daß die Erhaltung der Queckſilberſaͤule von GH bis I wohl von dem Drucke der auf der Flaͤche GH ruhenden und bis an die Grenzen des Luftkreiſes ſich erſtreckenden Luftſaͤule herruͤhren moͤge. Dieſer Gedanke iſt den bekannten hydroſtatiſchen Geſetzen ſo gemaͤß, daß man ihn nur hoͤren darf, um darinn ſogleich die wahre Erklaͤrung des Phaͤnomens zu erkennen. Der Urheber deſſelben war im Begriff, ihn weiter zu verfolgen, als ihn ſchon 1647 ein fruͤhzeitiger Tod dahinriß. Von ihm heißt noch die eben beſchriebene Vorrichtung, die nichts anders als das Barometer ſelbſt iſt, die torricelliſche Roͤhre, und der leere Raum AI, die torricelliſche Leere. Paſcal machte ſich nun die Vermuthung des Torricelli ganz eigen, und beſtaͤtigte ſie durch verſchiedene neue Verſuche. Er ließ durch Perrier, einen ſeiner Schwaͤger zu Clermont in Auvergne, ſchon 1648 Verſuche auf dem Berge Puy-de-Dome anſtellen (ſ. Hoͤhenmeſſungen, barometriſche), wobey ſich fand, daß das Queckſilber in der torricelliſchen Roͤhre auf dem Gipfel des 500 Toiſen hohen Berges uͤber 3 pariſer Zoll niedriger ſtand, als es am Fuße des Berges geſtanden hatte, ſo daß die Queckſilberſaͤule auf dem Gipfel nur bis K reichte, da ſie, wenn der Verſuch am Fuße des Berges angeſtellt ward, bis I gieng. Hierdurch ward unwiderſprechlich erwieſen, daß die Aufrechterhaltung des Queckſiilbers bis I keinen Abſcheu vor der Leere, ſondern den Druck der uͤber GH ruhenden Luftſaͤule zum Grunde habe: denn ſo wie man ſich durch Beſteigung des Berges den Grenzen des Luftkreiſes naͤherte, und alſo dieſe Luftſaͤule verkuͤrzte, ſo ward auch die Hoͤhe der aufrechterhaltnen Queckſilberſaͤule verkuͤrzt — ein Zeichen, daß zwiſchen beyden Saͤulen ein Gleichgewicht ſtatt finde. Auch fand Paſcal, daß, bey weggenommener Luft uͤber GH, das Queckſilber von I bis ins Gefaͤß CDEF herabſank. Durch ſo uͤberwiegende Gruͤnde ſchlug er in einer vortreflichen Schrift (Traité de l' équilibre des liqueurs et de la peſanteur de la maſſe de l'air, Par. 1663. 12.) die ungegruͤndete u. nichts ſagende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0253" xml:id="P.1.239" n="239"/><lb/> </p> <p><hi rendition="#b">Torricelli</hi> hingegen kam nach einigem Nachdenken auf die Vermuthung, daß die Erhaltung der Queckſilberſaͤule von <hi rendition="#aq">GH</hi> bis <hi rendition="#aq">I</hi> wohl von dem Drucke der auf der Flaͤche <hi rendition="#aq">GH</hi> ruhenden und bis an die Grenzen des Luftkreiſes ſich erſtreckenden Luftſaͤule herruͤhren moͤge. Dieſer Gedanke iſt den bekannten hydroſtatiſchen Geſetzen ſo gemaͤß, daß man ihn nur hoͤren darf, um darinn ſogleich die wahre Erklaͤrung des Phaͤnomens zu erkennen. Der Urheber deſſelben war im Begriff, ihn weiter zu verfolgen, als ihn ſchon 1647 ein fruͤhzeitiger Tod dahinriß. Von ihm heißt noch die eben beſchriebene Vorrichtung, die nichts anders als das Barometer ſelbſt iſt, die <hi rendition="#b">torricelliſche Roͤhre,</hi> und der leere Raum <hi rendition="#aq">AI,</hi> die <hi rendition="#b">torricelliſche Leere.</hi></p> <p><hi rendition="#b">Paſcal</hi> machte ſich nun die Vermuthung des <hi rendition="#b">Torricelli</hi> ganz eigen, und beſtaͤtigte ſie durch verſchiedene neue Verſuche. Er ließ durch <hi rendition="#b">Perrier,</hi> einen ſeiner Schwaͤger zu Clermont in Auvergne, ſchon 1648 Verſuche auf dem Berge <hi rendition="#b">Puy-de-Dome</hi> anſtellen (<hi rendition="#b">ſ. Hoͤhenmeſſungen, barometriſche</hi>), wobey ſich fand, daß das Queckſilber in der torricelliſchen Roͤhre auf dem Gipfel des 500 Toiſen hohen Berges uͤber 3 pariſer Zoll niedriger ſtand, als es am Fuße des Berges geſtanden hatte, ſo daß die Queckſilberſaͤule auf dem Gipfel nur bis <hi rendition="#aq">K</hi> reichte, da ſie, wenn der Verſuch am Fuße des Berges angeſtellt ward, bis <hi rendition="#aq">I</hi> gieng. Hierdurch ward unwiderſprechlich erwieſen, daß die Aufrechterhaltung des Queckſiilbers bis <hi rendition="#aq">I</hi> keinen Abſcheu vor der Leere, ſondern den Druck der uͤber <hi rendition="#aq">GH</hi> ruhenden Luftſaͤule zum Grunde habe: denn ſo wie man ſich durch Beſteigung des Berges den Grenzen des Luftkreiſes naͤherte, und alſo dieſe Luftſaͤule verkuͤrzte, ſo ward auch die Hoͤhe der aufrechterhaltnen Queckſilberſaͤule verkuͤrzt — ein Zeichen, daß zwiſchen beyden Saͤulen ein Gleichgewicht ſtatt finde. Auch fand <hi rendition="#b">Paſcal,</hi> daß, bey weggenommener Luft uͤber <hi rendition="#aq">GH,</hi> das Queckſilber von <hi rendition="#aq">I</hi> bis ins Gefaͤß <hi rendition="#aq">CDEF</hi> herabſank. Durch ſo uͤberwiegende Gruͤnde ſchlug er in einer vortreflichen Schrift <hi rendition="#aq">(Traité de l' équilibre des liqueurs et de la peſanteur de la maſſe de l'air, Par. 1663. 12.)</hi> die ungegruͤndete u. nichts ſagende<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0253]
Torricelli hingegen kam nach einigem Nachdenken auf die Vermuthung, daß die Erhaltung der Queckſilberſaͤule von GH bis I wohl von dem Drucke der auf der Flaͤche GH ruhenden und bis an die Grenzen des Luftkreiſes ſich erſtreckenden Luftſaͤule herruͤhren moͤge. Dieſer Gedanke iſt den bekannten hydroſtatiſchen Geſetzen ſo gemaͤß, daß man ihn nur hoͤren darf, um darinn ſogleich die wahre Erklaͤrung des Phaͤnomens zu erkennen. Der Urheber deſſelben war im Begriff, ihn weiter zu verfolgen, als ihn ſchon 1647 ein fruͤhzeitiger Tod dahinriß. Von ihm heißt noch die eben beſchriebene Vorrichtung, die nichts anders als das Barometer ſelbſt iſt, die torricelliſche Roͤhre, und der leere Raum AI, die torricelliſche Leere.
Paſcal machte ſich nun die Vermuthung des Torricelli ganz eigen, und beſtaͤtigte ſie durch verſchiedene neue Verſuche. Er ließ durch Perrier, einen ſeiner Schwaͤger zu Clermont in Auvergne, ſchon 1648 Verſuche auf dem Berge Puy-de-Dome anſtellen (ſ. Hoͤhenmeſſungen, barometriſche), wobey ſich fand, daß das Queckſilber in der torricelliſchen Roͤhre auf dem Gipfel des 500 Toiſen hohen Berges uͤber 3 pariſer Zoll niedriger ſtand, als es am Fuße des Berges geſtanden hatte, ſo daß die Queckſilberſaͤule auf dem Gipfel nur bis K reichte, da ſie, wenn der Verſuch am Fuße des Berges angeſtellt ward, bis I gieng. Hierdurch ward unwiderſprechlich erwieſen, daß die Aufrechterhaltung des Queckſiilbers bis I keinen Abſcheu vor der Leere, ſondern den Druck der uͤber GH ruhenden Luftſaͤule zum Grunde habe: denn ſo wie man ſich durch Beſteigung des Berges den Grenzen des Luftkreiſes naͤherte, und alſo dieſe Luftſaͤule verkuͤrzte, ſo ward auch die Hoͤhe der aufrechterhaltnen Queckſilberſaͤule verkuͤrzt — ein Zeichen, daß zwiſchen beyden Saͤulen ein Gleichgewicht ſtatt finde. Auch fand Paſcal, daß, bey weggenommener Luft uͤber GH, das Queckſilber von I bis ins Gefaͤß CDEF herabſank. Durch ſo uͤberwiegende Gruͤnde ſchlug er in einer vortreflichen Schrift (Traité de l' équilibre des liqueurs et de la peſanteur de la maſſe de l'air, Par. 1663. 12.) die ungegruͤndete u. nichts ſagende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |