Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Kästner Anfangsgr. der höhern Mechanik. Erst. Abschn. Cap. 6. §. 186. Karsten Lehrbegrif der gesammten Mathem. 4. Theil. Mechanik. XX. Abschn. §. 27. u. f.

Barometer, Barometrum, Baroscopium, tubus Torricellianus, Barometre.

Das Werkzeug zu Abmessung des Drucks der Luft und seiner Veränderungen. Man bedient sich dazu gemeiniglich einer mit Quecksilber gefüllten, oben luftleeren u. verschlossenen Glasröhre, in welcher das Quecksilber, bey stärkerm Drucke im Luftkreise, höher steigt, bey vermindertem Drucke herabsinkt.

Da die Erfindung des Barometers durch Torricelli im Jahre 1643 so viel zum Umsturz der alten scholastischen Physik beygetragen hat, so verdient ihre Geschichte hier umständlicher erzählt zu werden.

Die Wirkungen der Saugpumpen, einsaugenden Spritzen und Heber, der Gießkannen, welche gießen oder still stehen, je nachdem man die obere Oefnung frey läst oder mit dem Finger zuhält (clepsydrae, Aristot. Physic. L. IV. c. 6.) u. dgl. wurden vom Aristoteles und nach ihm von den scholastischen Physikern bis ins siebzehnte Jahrhundert durch einen der Natur angedichteten Abscheu vor dem leeren Raume (horror s. fuga vacui) erklärt. Galilei entdeckte zwar, daß das Wasser in den Saugpumpen nie höher als 32 Schuh gehoben werde; allein diese Entdeckung führte ihn nur so weit, daß er dem eingebildeten Abscheu vor der Leere gewisse Grenzen setzte. Er sieht zwar (Discorsi e dimostrazione matematiche intorno a due nuove scienze, Leid. 1638 Giornata 1.) einen luftleeren Raum als möglich an, und lehrt ihn durch einen oben verschlossenen Cylinder, in welchem ein genau anschließender Kolben durch Gewichte von oben herabgezogen wird, hervorbringen. Aber er giebt dies für eine Methode aus, die Kraft der Leere, d. i. die Größe oder Grenze des Abscheus vor der Leere, zu messen, und erklärt daraus die Cohäsion der Körper. Da dieser große Mann auch die Schwere der Luft kannte, und a. a. O. zwo Arten, sie zu beweisen, lehrt, so ist es kaum begreiflich, wie er den letzten Schritt verfehlen konnte, der ihm noch zur


Kaͤſtner Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik. Erſt. Abſchn. Cap. 6. §. 186. Karſten Lehrbegrif der geſammten Mathem. 4. Theil. Mechanik. XX. Abſchn. §. 27. u. f.

Barometer, Barometrum, Baroſcopium, tubus Torricellianus, Barometre.

Das Werkzeug zu Abmeſſung des Drucks der Luft und ſeiner Veraͤnderungen. Man bedient ſich dazu gemeiniglich einer mit Queckſilber gefuͤllten, oben luftleeren u. verſchloſſenen Glasroͤhre, in welcher das Queckſilber, bey ſtaͤrkerm Drucke im Luftkreiſe, hoͤher ſteigt, bey vermindertem Drucke herabſinkt.

Da die Erfindung des Barometers durch Torricelli im Jahre 1643 ſo viel zum Umſturz der alten ſcholaſtiſchen Phyſik beygetragen hat, ſo verdient ihre Geſchichte hier umſtaͤndlicher erzaͤhlt zu werden.

Die Wirkungen der Saugpumpen, einſaugenden Spritzen und Heber, der Gießkannen, welche gießen oder ſtill ſtehen, je nachdem man die obere Oefnung frey laͤſt oder mit dem Finger zuhaͤlt (clepſydrae, Ariſtot. Phyſic. L. IV. c. 6.) u. dgl. wurden vom Ariſtoteles und nach ihm von den ſcholaſtiſchen Phyſikern bis ins ſiebzehnte Jahrhundert durch einen der Natur angedichteten Abſcheu vor dem leeren Raume (horror ſ. fuga vacui) erklaͤrt. Galilei entdeckte zwar, daß das Waſſer in den Saugpumpen nie hoͤher als 32 Schuh gehoben werde; allein dieſe Entdeckung fuͤhrte ihn nur ſo weit, daß er dem eingebildeten Abſcheu vor der Leere gewiſſe Grenzen ſetzte. Er ſieht zwar (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze, Leid. 1638 Giornata 1.) einen luftleeren Raum als moͤglich an, und lehrt ihn durch einen oben verſchloſſenen Cylinder, in welchem ein genau anſchließender Kolben durch Gewichte von oben herabgezogen wird, hervorbringen. Aber er giebt dies fuͤr eine Methode aus, die Kraft der Leere, d. i. die Groͤße oder Grenze des Abſcheus vor der Leere, zu meſſen, und erklaͤrt daraus die Cohaͤſion der Koͤrper. Da dieſer große Mann auch die Schwere der Luft kannte, und a. a. O. zwo Arten, ſie zu beweiſen, lehrt, ſo iſt es kaum begreiflich, wie er den letzten Schritt verfehlen konnte, der ihm noch zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0251" xml:id="P.1.237" n="237"/><lb/>
          </p>
          <p><hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner</hi> Anfangsgr. der ho&#x0364;hern Mechanik. Er&#x017F;t. Ab&#x017F;chn. Cap. 6. §. 186. <hi rendition="#b">Kar&#x017F;ten</hi> Lehrbegrif der ge&#x017F;ammten Mathem. 4. Theil. Mechanik. <hi rendition="#aq">XX.</hi> Ab&#x017F;chn. §. 27. u. f.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Barometer, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Barometrum, Baro&#x017F;copium, tubus Torricellianus</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Barometre</hi></foreign></name>.</head><lb/>
          <p>Das Werkzeug zu Abme&#x017F;&#x017F;ung des Drucks der Luft und &#x017F;einer Vera&#x0364;nderungen. Man bedient &#x017F;ich dazu gemeiniglich einer mit Queck&#x017F;ilber gefu&#x0364;llten, oben luftleeren u. ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Glasro&#x0364;hre, in welcher das Queck&#x017F;ilber, bey &#x017F;ta&#x0364;rkerm Drucke im Luftkrei&#x017F;e, ho&#x0364;her &#x017F;teigt, bey vermindertem Drucke herab&#x017F;inkt.</p>
          <p>Da die Erfindung des Barometers durch <hi rendition="#b">Torricelli</hi> im Jahre 1643 &#x017F;o viel zum Um&#x017F;turz der alten &#x017F;chola&#x017F;ti&#x017F;chen Phy&#x017F;ik beygetragen hat, &#x017F;o verdient ihre Ge&#x017F;chichte hier um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher erza&#x0364;hlt zu werden.</p>
          <p>Die Wirkungen der Saugpumpen, ein&#x017F;augenden Spritzen und Heber, der Gießkannen, welche gießen oder &#x017F;till &#x017F;tehen, je nachdem man die obere Oefnung frey la&#x0364;&#x017F;t oder mit dem Finger zuha&#x0364;lt <hi rendition="#aq">(clep&#x017F;ydrae, Ari&#x017F;tot. Phy&#x017F;ic. L. IV. c. 6.)</hi> u. dgl. wurden vom Ari&#x017F;toteles und nach ihm von den &#x017F;chola&#x017F;ti&#x017F;chen Phy&#x017F;ikern bis ins &#x017F;iebzehnte Jahrhundert durch einen der Natur angedichteten <hi rendition="#b">Ab&#x017F;cheu vor dem leeren Raume</hi> <hi rendition="#aq">(horror &#x017F;. fuga vacui)</hi> erkla&#x0364;rt. <hi rendition="#b">Galilei</hi> entdeckte zwar, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er in den Saugpumpen nie ho&#x0364;her als 32 Schuh gehoben werde; allein die&#x017F;e Entdeckung fu&#x0364;hrte ihn nur &#x017F;o weit, daß er dem eingebildeten Ab&#x017F;cheu vor der Leere gewi&#x017F;&#x017F;e Grenzen &#x017F;etzte. Er &#x017F;ieht zwar <hi rendition="#aq">(Di&#x017F;cor&#x017F;i e dimo&#x017F;trazione matematiche intorno a due nuove &#x017F;cienze, Leid. 1638 Giornata 1.)</hi> einen luftleeren Raum als mo&#x0364;glich an, und lehrt ihn durch einen oben ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Cylinder, in welchem ein genau an&#x017F;chließender Kolben durch Gewichte von oben herabgezogen wird, hervorbringen. Aber er giebt dies fu&#x0364;r eine Methode aus, die <hi rendition="#b">Kraft der Leere,</hi> d. i. die Gro&#x0364;ße oder Grenze des Ab&#x017F;cheus vor der Leere, zu me&#x017F;&#x017F;en, und erkla&#x0364;rt daraus die Coha&#x0364;&#x017F;ion der Ko&#x0364;rper. Da die&#x017F;er große Mann auch die Schwere der Luft kannte, und a. a. O. zwo Arten, &#x017F;ie zu bewei&#x017F;en, lehrt, &#x017F;o i&#x017F;t es kaum begreiflich, wie er den letzten Schritt verfehlen konnte, der ihm noch zur<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0251] Kaͤſtner Anfangsgr. der hoͤhern Mechanik. Erſt. Abſchn. Cap. 6. §. 186. Karſten Lehrbegrif der geſammten Mathem. 4. Theil. Mechanik. XX. Abſchn. §. 27. u. f. Barometer, Barometrum, Baroſcopium, tubus Torricellianus, Barometre. Das Werkzeug zu Abmeſſung des Drucks der Luft und ſeiner Veraͤnderungen. Man bedient ſich dazu gemeiniglich einer mit Queckſilber gefuͤllten, oben luftleeren u. verſchloſſenen Glasroͤhre, in welcher das Queckſilber, bey ſtaͤrkerm Drucke im Luftkreiſe, hoͤher ſteigt, bey vermindertem Drucke herabſinkt. Da die Erfindung des Barometers durch Torricelli im Jahre 1643 ſo viel zum Umſturz der alten ſcholaſtiſchen Phyſik beygetragen hat, ſo verdient ihre Geſchichte hier umſtaͤndlicher erzaͤhlt zu werden. Die Wirkungen der Saugpumpen, einſaugenden Spritzen und Heber, der Gießkannen, welche gießen oder ſtill ſtehen, je nachdem man die obere Oefnung frey laͤſt oder mit dem Finger zuhaͤlt (clepſydrae, Ariſtot. Phyſic. L. IV. c. 6.) u. dgl. wurden vom Ariſtoteles und nach ihm von den ſcholaſtiſchen Phyſikern bis ins ſiebzehnte Jahrhundert durch einen der Natur angedichteten Abſcheu vor dem leeren Raume (horror ſ. fuga vacui) erklaͤrt. Galilei entdeckte zwar, daß das Waſſer in den Saugpumpen nie hoͤher als 32 Schuh gehoben werde; allein dieſe Entdeckung fuͤhrte ihn nur ſo weit, daß er dem eingebildeten Abſcheu vor der Leere gewiſſe Grenzen ſetzte. Er ſieht zwar (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze, Leid. 1638 Giornata 1.) einen luftleeren Raum als moͤglich an, und lehrt ihn durch einen oben verſchloſſenen Cylinder, in welchem ein genau anſchließender Kolben durch Gewichte von oben herabgezogen wird, hervorbringen. Aber er giebt dies fuͤr eine Methode aus, die Kraft der Leere, d. i. die Groͤße oder Grenze des Abſcheus vor der Leere, zu meſſen, und erklaͤrt daraus die Cohaͤſion der Koͤrper. Da dieſer große Mann auch die Schwere der Luft kannte, und a. a. O. zwo Arten, ſie zu beweiſen, lehrt, ſo iſt es kaum begreiflich, wie er den letzten Schritt verfehlen konnte, der ihm noch zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/251
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/251>, abgerufen am 22.11.2024.