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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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gewöhnlich an den Augen alter Personen findet. Man zählt schon diejenigen zu den Presbyten, die eine Sache, um sie deutlich zu sehen, einen Schuh weit vom Auge entfernen müssen. Manche müssen sie 2--3 Schuh weit abhalten. Die Presbyten haben insgemein eine flache Hornhaut, eine flache Krystallinse und ein kurzes Auge, in welchem die Netzhaut der Linse zu nahe steht. Bey alten Leuten ist auch die Pupille enger, und die Linse platter und trockner. Erhabne Gläser machen, daß die Stralen aus nahen Punkten nach dem Durchgange so gehen, als ob sie aus entferntern Punkten herkämen, s. Linsengläser, Brillen. Daher bedienen sich Weitsichtige und Alte der Brillen, um auch nahe Dinge deutlich zu sehen.

Diese Fehler der Augen, und die schon längst bekannten Mittel, ihnen durch Gläser abzuhelfen, hat vor Keplern (Paralip. in Vitell. p. 200.) niemand richtig erklären können. Da man aus jedem Punkte nur Einen Stral ins Auge kommen ließ, so konnte man auf die richtige Idee von Vereinigungspunkten nicht kommen. Kepler versichert, daß er dieser Sache drey Jahre lang nachgedacht habe.

Für jedes Auge muß es eine gewisse Weite geben, in welcher es in seinem natürlichen Zustande und ohne alle Anstrengung deutlich siehet. Diese Weite (distantia visionis distinctae) ist fast für jedes Auge eine andere; die Optiker pflegen sie zwar für ein gutgebautes Auge im Durchschnitte auf 8 Zoll zu setzen, Iurin aber nimmt 15 bis 16 engl. Zoll an, und sie kan, zumal für weitsichtige Augen, vielleicht noch größer seyn. Das Auge besitzt ein Vermögen, seine Einrichtung zu ändern, und dadurch auch noch auf größere und kleinere Weiten vollkommen deutlich zu sehen. Weil es aber auch noch einige Undeutlichkeit vertragen kan, so lassen sich diese Weiten noch mehr aus einander rücken, daß sich also die Grenzen, in welchen ein gutgebautes und seine Einrichtung stark zu ändern fähiges Auge mit ziemlicher Deutlichkeit sehen kan, ungemein weit erstrecken.


gewoͤhnlich an den Augen alter Perſonen findet. Man zaͤhlt ſchon diejenigen zu den Presbyten, die eine Sache, um ſie deutlich zu ſehen, einen Schuh weit vom Auge entfernen muͤſſen. Manche muͤſſen ſie 2—3 Schuh weit abhalten. Die Presbyten haben insgemein eine flache Hornhaut, eine flache Kryſtallinſe und ein kurzes Auge, in welchem die Netzhaut der Linſe zu nahe ſteht. Bey alten Leuten iſt auch die Pupille enger, und die Linſe platter und trockner. Erhabne Glaͤſer machen, daß die Stralen aus nahen Punkten nach dem Durchgange ſo gehen, als ob ſie aus entferntern Punkten herkaͤmen, ſ. Linſenglaͤſer, Brillen. Daher bedienen ſich Weitſichtige und Alte der Brillen, um auch nahe Dinge deutlich zu ſehen.

Dieſe Fehler der Augen, und die ſchon laͤngſt bekannten Mittel, ihnen durch Glaͤſer abzuhelfen, hat vor Keplern (Paralip. in Vitell. p. 200.) niemand richtig erklaͤren koͤnnen. Da man aus jedem Punkte nur Einen Stral ins Auge kommen ließ, ſo konnte man auf die richtige Idee von Vereinigungspunkten nicht kommen. Kepler verſichert, daß er dieſer Sache drey Jahre lang nachgedacht habe.

Fuͤr jedes Auge muß es eine gewiſſe Weite geben, in welcher es in ſeinem natuͤrlichen Zuſtande und ohne alle Anſtrengung deutlich ſiehet. Dieſe Weite (diſtantia viſionis diſtinctae) iſt faſt fuͤr jedes Auge eine andere; die Optiker pflegen ſie zwar fuͤr ein gutgebautes Auge im Durchſchnitte auf 8 Zoll zu ſetzen, Iurin aber nimmt 15 bis 16 engl. Zoll an, und ſie kan, zumal fuͤr weitſichtige Augen, vielleicht noch groͤßer ſeyn. Das Auge beſitzt ein Vermoͤgen, ſeine Einrichtung zu aͤndern, und dadurch auch noch auf groͤßere und kleinere Weiten vollkommen deutlich zu ſehen. Weil es aber auch noch einige Undeutlichkeit vertragen kan, ſo laſſen ſich dieſe Weiten noch mehr aus einander ruͤcken, daß ſich alſo die Grenzen, in welchen ein gutgebautes und ſeine Einrichtung ſtark zu aͤndern faͤhiges Auge mit ziemlicher Deutlichkeit ſehen kan, ungemein weit erſtrecken.

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[196/0210] gewoͤhnlich an den Augen alter Perſonen findet. Man zaͤhlt ſchon diejenigen zu den Presbyten, die eine Sache, um ſie deutlich zu ſehen, einen Schuh weit vom Auge entfernen muͤſſen. Manche muͤſſen ſie 2—3 Schuh weit abhalten. Die Presbyten haben insgemein eine flache Hornhaut, eine flache Kryſtallinſe und ein kurzes Auge, in welchem die Netzhaut der Linſe zu nahe ſteht. Bey alten Leuten iſt auch die Pupille enger, und die Linſe platter und trockner. Erhabne Glaͤſer machen, daß die Stralen aus nahen Punkten nach dem Durchgange ſo gehen, als ob ſie aus entferntern Punkten herkaͤmen, ſ. Linſenglaͤſer, Brillen. Daher bedienen ſich Weitſichtige und Alte der Brillen, um auch nahe Dinge deutlich zu ſehen. Dieſe Fehler der Augen, und die ſchon laͤngſt bekannten Mittel, ihnen durch Glaͤſer abzuhelfen, hat vor Keplern (Paralip. in Vitell. p. 200.) niemand richtig erklaͤren koͤnnen. Da man aus jedem Punkte nur Einen Stral ins Auge kommen ließ, ſo konnte man auf die richtige Idee von Vereinigungspunkten nicht kommen. Kepler verſichert, daß er dieſer Sache drey Jahre lang nachgedacht habe. Fuͤr jedes Auge muß es eine gewiſſe Weite geben, in welcher es in ſeinem natuͤrlichen Zuſtande und ohne alle Anſtrengung deutlich ſiehet. Dieſe Weite (diſtantia viſionis diſtinctae) iſt faſt fuͤr jedes Auge eine andere; die Optiker pflegen ſie zwar fuͤr ein gutgebautes Auge im Durchſchnitte auf 8 Zoll zu ſetzen, Iurin aber nimmt 15 bis 16 engl. Zoll an, und ſie kan, zumal fuͤr weitſichtige Augen, vielleicht noch groͤßer ſeyn. Das Auge beſitzt ein Vermoͤgen, ſeine Einrichtung zu aͤndern, und dadurch auch noch auf groͤßere und kleinere Weiten vollkommen deutlich zu ſehen. Weil es aber auch noch einige Undeutlichkeit vertragen kan, ſo laſſen ſich dieſe Weiten noch mehr aus einander ruͤcken, daß ſich alſo die Grenzen, in welchen ein gutgebautes und ſeine Einrichtung ſtark zu aͤndern faͤhiges Auge mit ziemlicher Deutlichkeit ſehen kan, ungemein weit erſtrecken.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/210>, abgerufen am 24.11.2024.