Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Inzwischen muß man sich hüten, die Aehnlichkeit des Auges mit dem verfinsterten Zimmer allzuweit zu treiben, sich etwa die Seele als den Zuschauer vorzustellen, der das Bild betrachtet, und zu glauben, das, was ste empfindet, sey das auf der Netzhaut entworfene Bild selbst. Dieses Bild zu sehen, müste sie noch ein zweytes Auge haben, womit sie das Bild im ersten anblicken könnte. Deutliches Bild und deutliches Sehen sind zwar unzertrennlich mit einander verknüpst; allein nur als zwo Wirkungen einer und ebenderselben Ursache. Die genaue Wiedervereinigung der Stralen, welche aus einerley Punkte des sichtbaren Körpers ausgiengen, ist die Ursache der Deutlichkeit des Bildes und der Deutlichkeit des Sehens zugleich, s. Sehen. Die Deutlichkeit des Bildes auf der Netzhaut wird gestört, wenn die Vereinigungspunkte nicht genau auf dieselbe treffen, sondern entweder vor ihr, oder hinter ihr liegen. Beyspiele beyder Fälle geben Fig. 30. und 31. Taf. III. In Fig. 30. haben sich die Stralen des Kegels BKK schon vor der Netzhaut bey b vereiniget, und durchkreuzt; in Fig. 31. erreichen sie einander bey b erst hinter der Retzhaut. In beyden Fällen bilden sie statt des Punkts B einen Kreis ab, der die Linie ac zum Durchmesser hat. Man sieht aber leicht, daß ein Bild undeutlich werden muß, wenn sich jeder Punkt desselben in einen Kreis ausbreitet. Mit diesem undeutlichen Bilde nun entsteht auch zugleich undeutliches Sehen. Entfernte Gegenstände senden von jedem ihrer Punkte einen Stralenkegel ins Auge, dessen Stralen nahe am Auge keine merkliche Divergenz zeigen, eben darum, weil sie, rückwärts betrachtet, erst in einem entfernten Punkte zusammenlaufen. Ein solcher Kegel läst sich also als ein Stralencylinder ansehen, dessen Stralen parallel laufen. So ist BKK, Fig. 30. vorgestellt. Rückte der gesehene
Inzwiſchen muß man ſich huͤten, die Aehnlichkeit des Auges mit dem verfinſterten Zimmer allzuweit zu treiben, ſich etwa die Seele als den Zuſchauer vorzuſtellen, der das Bild betrachtet, und zu glauben, das, was ſte empfindet, ſey das auf der Netzhaut entworfene Bild ſelbſt. Dieſes Bild zu ſehen, muͤſte ſie noch ein zweytes Auge haben, womit ſie das Bild im erſten anblicken koͤnnte. Deutliches Bild und deutliches Sehen ſind zwar unzertrennlich mit einander verknuͤpſt; allein nur als zwo Wirkungen einer und ebenderſelben Urſache. Die genaue Wiedervereinigung der Stralen, welche aus einerley Punkte des ſichtbaren Koͤrpers ausgiengen, iſt die Urſache der Deutlichkeit des Bildes und der Deutlichkeit des Sehens zugleich, ſ. Sehen. Die Deutlichkeit des Bildes auf der Netzhaut wird geſtoͤrt, wenn die Vereinigungspunkte nicht genau auf dieſelbe treffen, ſondern entweder vor ihr, oder hinter ihr liegen. Beyſpiele beyder Faͤlle geben Fig. 30. und 31. Taf. III. In Fig. 30. haben ſich die Stralen des Kegels BKK ſchon vor der Netzhaut bey b vereiniget, und durchkreuzt; in Fig. 31. erreichen ſie einander bey b erſt hinter der Retzhaut. In beyden Faͤllen bilden ſie ſtatt des Punkts B einen Kreis ab, der die Linie ac zum Durchmeſſer hat. Man ſieht aber leicht, daß ein Bild undeutlich werden muß, wenn ſich jeder Punkt deſſelben in einen Kreis ausbreitet. Mit dieſem undeutlichen Bilde nun entſteht auch zugleich undeutliches Sehen. Entfernte Gegenſtaͤnde ſenden von jedem ihrer Punkte einen Stralenkegel ins Auge, deſſen Stralen nahe am Auge keine merkliche Divergenz zeigen, eben darum, weil ſie, ruͤckwaͤrts betrachtet, erſt in einem entfernten Punkte zuſammenlaufen. Ein ſolcher Kegel laͤſt ſich alſo als ein Stralencylinder anſehen, deſſen Stralen parallel laufen. So iſt BKK, Fig. 30. vorgeſtellt. Ruͤckte der geſehene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" xml:id="P.1.194" n="194"/><lb/> deutlich abgemahlt. Eben dies nahm er auch an einem menſchlichen Auge wahr.</p> <p>Inzwiſchen muß man ſich huͤten, die Aehnlichkeit des Auges mit dem verfinſterten Zimmer allzuweit zu treiben, ſich etwa die Seele als den Zuſchauer vorzuſtellen, der das Bild betrachtet, und zu glauben, das, was ſte empfindet, ſey das auf der Netzhaut entworfene Bild ſelbſt. Dieſes Bild zu ſehen, muͤſte ſie noch ein zweytes Auge haben, womit ſie das Bild im erſten anblicken koͤnnte. Deutliches Bild und deutliches Sehen ſind zwar unzertrennlich mit einander verknuͤpſt; allein nur als zwo Wirkungen einer und ebenderſelben Urſache. Die genaue Wiedervereinigung der Stralen, welche aus einerley Punkte des ſichtbaren Koͤrpers ausgiengen, iſt die Urſache der Deutlichkeit des Bildes und der Deutlichkeit des Sehens zugleich, <hi rendition="#b">ſ. Sehen.</hi></p> <p>Die Deutlichkeit des Bildes auf der Netzhaut wird geſtoͤrt, wenn die Vereinigungspunkte nicht genau auf dieſelbe treffen, ſondern entweder vor ihr, oder hinter ihr liegen. Beyſpiele beyder Faͤlle geben Fig. 30. und 31. Taf. <hi rendition="#aq">III.</hi> In Fig. 30. haben ſich die Stralen des Kegels <hi rendition="#aq">BKK</hi> ſchon vor der Netzhaut bey <hi rendition="#aq">b</hi> vereiniget, und durchkreuzt; in Fig. 31. erreichen ſie einander bey <hi rendition="#aq">b</hi> erſt hinter der Retzhaut. In beyden Faͤllen bilden ſie ſtatt des Punkts <hi rendition="#aq">B</hi> einen Kreis ab, der die Linie <hi rendition="#aq">ac</hi> zum Durchmeſſer hat. Man ſieht aber leicht, daß ein Bild undeutlich werden muß, wenn ſich jeder Punkt deſſelben in einen Kreis ausbreitet. Mit dieſem undeutlichen Bilde nun entſteht auch zugleich undeutliches Sehen.</p> <p>Entfernte Gegenſtaͤnde ſenden von jedem ihrer Punkte einen Stralenkegel ins Auge, deſſen Stralen nahe am Auge keine merkliche Divergenz zeigen, eben darum, weil ſie, ruͤckwaͤrts betrachtet, erſt in einem entfernten Punkte zuſammenlaufen. Ein ſolcher Kegel laͤſt ſich alſo als ein Stralencylinder anſehen, deſſen Stralen parallel laufen. So iſt <hi rendition="#aq">BKK,</hi> Fig. 30. vorgeſtellt. Ruͤckte der geſehene<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0208]
deutlich abgemahlt. Eben dies nahm er auch an einem menſchlichen Auge wahr.
Inzwiſchen muß man ſich huͤten, die Aehnlichkeit des Auges mit dem verfinſterten Zimmer allzuweit zu treiben, ſich etwa die Seele als den Zuſchauer vorzuſtellen, der das Bild betrachtet, und zu glauben, das, was ſte empfindet, ſey das auf der Netzhaut entworfene Bild ſelbſt. Dieſes Bild zu ſehen, muͤſte ſie noch ein zweytes Auge haben, womit ſie das Bild im erſten anblicken koͤnnte. Deutliches Bild und deutliches Sehen ſind zwar unzertrennlich mit einander verknuͤpſt; allein nur als zwo Wirkungen einer und ebenderſelben Urſache. Die genaue Wiedervereinigung der Stralen, welche aus einerley Punkte des ſichtbaren Koͤrpers ausgiengen, iſt die Urſache der Deutlichkeit des Bildes und der Deutlichkeit des Sehens zugleich, ſ. Sehen.
Die Deutlichkeit des Bildes auf der Netzhaut wird geſtoͤrt, wenn die Vereinigungspunkte nicht genau auf dieſelbe treffen, ſondern entweder vor ihr, oder hinter ihr liegen. Beyſpiele beyder Faͤlle geben Fig. 30. und 31. Taf. III. In Fig. 30. haben ſich die Stralen des Kegels BKK ſchon vor der Netzhaut bey b vereiniget, und durchkreuzt; in Fig. 31. erreichen ſie einander bey b erſt hinter der Retzhaut. In beyden Faͤllen bilden ſie ſtatt des Punkts B einen Kreis ab, der die Linie ac zum Durchmeſſer hat. Man ſieht aber leicht, daß ein Bild undeutlich werden muß, wenn ſich jeder Punkt deſſelben in einen Kreis ausbreitet. Mit dieſem undeutlichen Bilde nun entſteht auch zugleich undeutliches Sehen.
Entfernte Gegenſtaͤnde ſenden von jedem ihrer Punkte einen Stralenkegel ins Auge, deſſen Stralen nahe am Auge keine merkliche Divergenz zeigen, eben darum, weil ſie, ruͤckwaͤrts betrachtet, erſt in einem entfernten Punkte zuſammenlaufen. Ein ſolcher Kegel laͤſt ſich alſo als ein Stralencylinder anſehen, deſſen Stralen parallel laufen. So iſt BKK, Fig. 30. vorgeſtellt. Ruͤckte der geſehene
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