Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Newton selbst scheint geneigt, die Gravitation von der Anziehung beym Berühren ganz zu unterscheiden. Nach diesen Grundsätzen, sagt er (Traite d' optique, Amsterd. 1720. p. 373.), wird man die Natur durchgängig mit sich übereinstimmend und sehr einfach in ihren Wirkungen finden; sie bewirkt alle große Bewegungen der Himmelskörper durch die Attraction der Schwere, welche auf die ganzen Körper wirkt, und fast alle kleine Bewegungen ihrer Theile durch eine andere anziehende Kraft, welche durch die Theile verbreitet ist. In der That muß schon der Umstand, daß die Gravitation sich blos nach der Quantität der Masse, die Verwandtschaft aber nach der Qualität ihrer Theile richtet, auf den Gedanken einer Verschiedenheit beyder Phänomene leiten, die aber vielleicht auch ihren Grund blos in der Form und Dichtigkeit der kleinsten Theile haben kan. Keill, ein Schüler Newtons (Indroductio ad veram physicam, Oxon. 1700. 8.). hat für die Anziehung beym Berühren und in geringen Entfernungen einige Regeln anzugeben, und daraus Cohäsion, Flüßigkeit, Elasticität, Aufbrausen, Niederschlag u dgl. zu erklären versucht. Freind (Praelectiones chymicae, Oxon. 1704. 4.) hat eben diese Grundsätze noch umständlicher auf die chemischen Erscheinungen und Operationen angewendet. Den meisten dieser Erklärungen aber fehlt allerdings die Deutlichkeit und befriedigende Vollständigkeit, welche Kenner der Chemie, zumal bey dem jetzigen sehr verbesserten Zustande dieser Wissenschaft, fordern würden. Geometrische Untersuchungen über das ursprüngliche oder allgemeine Gesetz der Attraction hat Maupertuis (Sur l' attraction Neutonienne, Mem de l' ac. roy. des Sc. de Paris 1732.) angestellt. Hollmann (Succincta attractionis historia, in Comm. soc. reg. Gotting. To. IV.) erzählt die Geschichte der Anziehung. Musschenbroek (Introd. ad Philos. nat. Cap. 20. de corporum
Newton ſelbſt ſcheint geneigt, die Gravitation von der Anziehung beym Beruͤhren ganz zu unterſcheiden. Nach dieſen Grundſaͤtzen, ſagt er (Traité d' optique, Amſterd. 1720. p. 373.), wird man die Natur durchgaͤngig mit ſich uͤbereinſtimmend und ſehr einfach in ihren Wirkungen finden; ſie bewirkt alle große Bewegungen der Himmelskoͤrper durch die Attraction der Schwere, welche auf die ganzen Koͤrper wirkt, und faſt alle kleine Bewegungen ihrer Theile durch eine andere anziehende Kraft, welche durch die Theile verbreitet iſt. In der That muß ſchon der Umſtand, daß die Gravitation ſich blos nach der Quantitaͤt der Maſſe, die Verwandtſchaft aber nach der Qualitaͤt ihrer Theile richtet, auf den Gedanken einer Verſchiedenheit beyder Phaͤnomene leiten, die aber vielleicht auch ihren Grund blos in der Form und Dichtigkeit der kleinſten Theile haben kan. Keill, ein Schuͤler Newtons (Indroductio ad veram phyſicam, Oxon. 1700. 8.). hat fuͤr die Anziehung beym Beruͤhren und in geringen Entfernungen einige Regeln anzugeben, und daraus Cohaͤſion, Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt, Aufbrauſen, Niederſchlag u dgl. zu erklaͤren verſucht. Freind (Praelectiones chymicae, Oxon. 1704. 4.) hat eben dieſe Grundſaͤtze noch umſtaͤndlicher auf die chemiſchen Erſcheinungen und Operationen angewendet. Den meiſten dieſer Erklaͤrungen aber fehlt allerdings die Deutlichkeit und befriedigende Vollſtaͤndigkeit, welche Kenner der Chemie, zumal bey dem jetzigen ſehr verbeſſerten Zuſtande dieſer Wiſſenſchaft, fordern wuͤrden. Geometriſche Unterſuchungen uͤber das urſpruͤngliche oder allgemeine Geſetz der Attraction hat Maupertuis (Sur l' attraction Neutonienne, Mém de l' ac. roy. des Sc. de Paris 1732.) angeſtellt. Hollmann (Succincta attractionis hiſtoria, in Comm. ſoc. reg. Gotting. To. IV.) erzaͤhlt die Geſchichte der Anziehung. Muſſchenbroek (Introd. ad Philoſ. nat. Cap. 20. de corporum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0187" xml:id="P.1.173" n="173"/><lb/> der Chymiker auf allgemeine Regeln und ein einfaches Geſetz bringen koͤnnte, der wuͤrde weit mehr, als Kepler und Newton, geleiſtet haben.</p> <p><hi rendition="#b">Newton</hi> ſelbſt ſcheint geneigt, die Gravitation von der Anziehung beym Beruͤhren ganz zu unterſcheiden. Nach dieſen Grundſaͤtzen, ſagt er <hi rendition="#aq">(Traité d' optique, Amſterd. 1720. p. 373.),</hi> wird man die Natur durchgaͤngig mit ſich uͤbereinſtimmend und ſehr einfach in ihren Wirkungen finden; ſie bewirkt alle große Bewegungen der Himmelskoͤrper durch die Attraction der Schwere, welche auf die ganzen Koͤrper wirkt, und faſt alle kleine Bewegungen ihrer Theile durch eine <hi rendition="#b">andere</hi> anziehende Kraft, welche durch die Theile verbreitet iſt. In der That muß ſchon der Umſtand, daß die Gravitation ſich blos nach der Quantitaͤt der Maſſe, die Verwandtſchaft aber nach der Qualitaͤt ihrer Theile richtet, auf den Gedanken einer Verſchiedenheit beyder Phaͤnomene leiten, die aber vielleicht auch ihren Grund blos in der Form und Dichtigkeit der kleinſten Theile haben kan.</p> <p><hi rendition="#b">Keill,</hi> ein Schuͤler Newtons <hi rendition="#aq">(Indroductio ad veram phyſicam, Oxon. 1700. 8.).</hi> hat fuͤr die Anziehung beym Beruͤhren und in geringen Entfernungen einige Regeln anzugeben, und daraus Cohaͤſion, Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt, Aufbrauſen, Niederſchlag u dgl. zu erklaͤren verſucht. <hi rendition="#b">Freind</hi> <hi rendition="#aq">(Praelectiones chymicae, Oxon. 1704. 4.)</hi> hat eben dieſe Grundſaͤtze noch umſtaͤndlicher auf die chemiſchen Erſcheinungen und Operationen angewendet. Den meiſten dieſer Erklaͤrungen aber fehlt allerdings die Deutlichkeit und befriedigende Vollſtaͤndigkeit, welche Kenner der Chemie, zumal bey dem jetzigen ſehr verbeſſerten Zuſtande dieſer Wiſſenſchaft, fordern wuͤrden.</p> <p>Geometriſche Unterſuchungen uͤber das urſpruͤngliche oder allgemeine Geſetz der Attraction hat <hi rendition="#b">Maupertuis</hi> <hi rendition="#aq">(Sur l' attraction Neutonienne, Mém de l' ac. roy. des Sc. de Paris 1732.)</hi> angeſtellt. <hi rendition="#b">Hollmann</hi> <hi rendition="#aq">(Succincta attractionis hiſtoria, in Comm. ſoc. reg. Gotting. To. IV.)</hi> erzaͤhlt die Geſchichte der Anziehung. <hi rendition="#b">Muſſchenbroek</hi> <hi rendition="#aq">(Introd. ad Philoſ. nat. Cap. 20. de corporum<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0187]
der Chymiker auf allgemeine Regeln und ein einfaches Geſetz bringen koͤnnte, der wuͤrde weit mehr, als Kepler und Newton, geleiſtet haben.
Newton ſelbſt ſcheint geneigt, die Gravitation von der Anziehung beym Beruͤhren ganz zu unterſcheiden. Nach dieſen Grundſaͤtzen, ſagt er (Traité d' optique, Amſterd. 1720. p. 373.), wird man die Natur durchgaͤngig mit ſich uͤbereinſtimmend und ſehr einfach in ihren Wirkungen finden; ſie bewirkt alle große Bewegungen der Himmelskoͤrper durch die Attraction der Schwere, welche auf die ganzen Koͤrper wirkt, und faſt alle kleine Bewegungen ihrer Theile durch eine andere anziehende Kraft, welche durch die Theile verbreitet iſt. In der That muß ſchon der Umſtand, daß die Gravitation ſich blos nach der Quantitaͤt der Maſſe, die Verwandtſchaft aber nach der Qualitaͤt ihrer Theile richtet, auf den Gedanken einer Verſchiedenheit beyder Phaͤnomene leiten, die aber vielleicht auch ihren Grund blos in der Form und Dichtigkeit der kleinſten Theile haben kan.
Keill, ein Schuͤler Newtons (Indroductio ad veram phyſicam, Oxon. 1700. 8.). hat fuͤr die Anziehung beym Beruͤhren und in geringen Entfernungen einige Regeln anzugeben, und daraus Cohaͤſion, Fluͤßigkeit, Elaſticitaͤt, Aufbrauſen, Niederſchlag u dgl. zu erklaͤren verſucht. Freind (Praelectiones chymicae, Oxon. 1704. 4.) hat eben dieſe Grundſaͤtze noch umſtaͤndlicher auf die chemiſchen Erſcheinungen und Operationen angewendet. Den meiſten dieſer Erklaͤrungen aber fehlt allerdings die Deutlichkeit und befriedigende Vollſtaͤndigkeit, welche Kenner der Chemie, zumal bey dem jetzigen ſehr verbeſſerten Zuſtande dieſer Wiſſenſchaft, fordern wuͤrden.
Geometriſche Unterſuchungen uͤber das urſpruͤngliche oder allgemeine Geſetz der Attraction hat Maupertuis (Sur l' attraction Neutonienne, Mém de l' ac. roy. des Sc. de Paris 1732.) angeſtellt. Hollmann (Succincta attractionis hiſtoria, in Comm. ſoc. reg. Gotting. To. IV.) erzaͤhlt die Geſchichte der Anziehung. Muſſchenbroek (Introd. ad Philoſ. nat. Cap. 20. de corporum
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