die Ausbreitung der newtonischen Entdeckungen auf dem festen Lande fast um ein halbes Jahrhundert zurückgehalten. Roger Cotes(Praefatio ad Newtoni Princ. ed. Cantabr. 1713. 4.) zählet die Gravitation unter die wesentlichen Eigenschaften der Materie, ohne welche Materie gar nicht gedacht werden könne oder solle, dergleichen Ausdehnung, Beweglichkeit, Undurchdringlichkeit rc. sind. Quemadmodum, sagt er, nulla concipi debent corpora, quae non sint extensa, mobilia et impenetrabilia; ita dicendum est, nulla concipi debere, quae non sint gravia.Newton hingegen verwahrt sich ausdrücklich, er behaupte keinesweges, daß die Schwere den Körpern wesentlich sey. Man sieht hieraus, wie Joh. Bernoulli(Nouvelles pensees sur le systeme de Descartes. Op. To. lll. p. 138.) sagt, daß der Schüler weit kühner, als sein Lehrer, gewesen sey. Diese der Materie wesentliche und von ihr untrennbare innere Kraft sollte nun die Ursache der Schwere, des Zusammenhangs, der Anhängung, der chemischen Verwandtschaften, Auflösungen und Niederschläge, der Beugung, Brechung und Zurückwerfung des Lichts, der im Laufe der Himmelskörper sichtbaren Centripetalkräfte und überhaupt fast aller Erscheinungen der Körperwelt seyn. Welchen starken Einwürfen man sich durch diese Behauptung einer vermeinten physischen Ursache aussetzt, will ich bey dem Worte: Gravitation, umständlicher zeigen.
Dieser Begrif der Attraction, als einer wesentlichen Eigenschaft oder eines innern Vermögens der Materie, scheint mir nicht viel besser, als die Sympathien, Antipathien und verborgnen Qualitäten der Peripatetiker, und sollte aus einer gesunden Physik gänzlich entfernt bleiben; da hingegen die Attraction als Phänomen betrachtet, wenn man sich nicht anmaaßet, die Ursache davon anzugeben, durch klare und unläugbare Erfahrungen bestätiget ist.
Diese Erfahrungen durch den Stoß einer Materie zu erklären, hat sehr große Schwierigkeiten. Cartesens, Huygens, Joh. Bernoullis, Bilsingers u. a. Erklärungen haben im Allgemeinen das wider sich, daß die
die Ausbreitung der newtoniſchen Entdeckungen auf dem feſten Lande faſt um ein halbes Jahrhundert zuruͤckgehalten. Roger Cotes(Praefatio ad Newtoni Princ. ed. Cantabr. 1713. 4.) zaͤhlet die Gravitation unter die weſentlichen Eigenſchaften der Materie, ohne welche Materie gar nicht gedacht werden koͤnne oder ſolle, dergleichen Ausdehnung, Beweglichkeit, Undurchdringlichkeit rc. ſind. Quemadmodum, ſagt er, nulla concipi debent corpora, quae non ſint extenſa, mobilia et impenetrabilia; ita dicendum eſt, nulla concipi debere, quae non ſint gravia.Newton hingegen verwahrt ſich ausdruͤcklich, er behaupte keinesweges, daß die Schwere den Koͤrpern weſentlich ſey. Man ſieht hieraus, wie Joh. Bernoulli(Nouvelles penſées ſur le ſyſteme de Descartes. Op. To. lll. p. 138.) ſagt, daß der Schuͤler weit kuͤhner, als ſein Lehrer, geweſen ſey. Dieſe der Materie weſentliche und von ihr untrennbare innere Kraft ſollte nun die Urſache der Schwere, des Zuſammenhangs, der Anhaͤngung, der chemiſchen Verwandtſchaften, Aufloͤſungen und Niederſchlaͤge, der Beugung, Brechung und Zuruͤckwerfung des Lichts, der im Laufe der Himmelskoͤrper ſichtbaren Centripetalkraͤfte und uͤberhaupt faſt aller Erſcheinungen der Koͤrperwelt ſeyn. Welchen ſtarken Einwuͤrfen man ſich durch dieſe Behauptung einer vermeinten phyſiſchen Urſache ausſetzt, will ich bey dem Worte: Gravitation, umſtaͤndlicher zeigen.
Dieſer Begrif der Attraction, als einer weſentlichen Eigenſchaft oder eines innern Vermoͤgens der Materie, ſcheint mir nicht viel beſſer, als die Sympathien, Antipathien und verborgnen Qualitaͤten der Peripatetiker, und ſollte aus einer geſunden Phyſik gaͤnzlich entfernt bleiben; da hingegen die Attraction als Phaͤnomen betrachtet, wenn man ſich nicht anmaaßet, die Urſache davon anzugeben, durch klare und unlaͤugbare Erfahrungen beſtaͤtiget iſt.
Dieſe Erfahrungen durch den Stoß einer Materie zu erklaͤren, hat ſehr große Schwierigkeiten. Carteſens, Huygens, Joh. Bernoullis, Bilſingers u. a. Erklaͤrungen haben im Allgemeinen das wider ſich, daß die
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die Ausbreitung der newtoniſchen Entdeckungen auf dem feſten Lande faſt um ein halbes Jahrhundert zuruͤckgehalten. Roger Cotes (Praefatio ad Newtoni Princ. ed. Cantabr. 1713. 4.) zaͤhlet die Gravitation unter die weſentlichen Eigenſchaften der Materie, ohne welche Materie gar nicht gedacht werden koͤnne oder ſolle, dergleichen Ausdehnung, Beweglichkeit, Undurchdringlichkeit rc. ſind. Quemadmodum, ſagt er, nulla concipi debent corpora, quae non ſint extenſa, mobilia et impenetrabilia; ita dicendum eſt, nulla concipi debere, quae non ſint gravia. Newton hingegen verwahrt ſich ausdruͤcklich, er behaupte keinesweges, daß die Schwere den Koͤrpern weſentlich ſey. Man ſieht hieraus, wie Joh. Bernoulli (Nouvelles penſées ſur le ſyſteme de Descartes. Op. To. lll. p. 138.) ſagt, daß der Schuͤler weit kuͤhner, als ſein Lehrer, geweſen ſey. Dieſe der Materie weſentliche und von ihr untrennbare innere Kraft ſollte nun die Urſache der Schwere, des Zuſammenhangs, der Anhaͤngung, der chemiſchen Verwandtſchaften, Aufloͤſungen und Niederſchlaͤge, der Beugung, Brechung und Zuruͤckwerfung des Lichts, der im Laufe der Himmelskoͤrper ſichtbaren Centripetalkraͤfte und uͤberhaupt faſt aller Erſcheinungen der Koͤrperwelt ſeyn. Welchen ſtarken Einwuͤrfen man ſich durch dieſe Behauptung einer vermeinten phyſiſchen Urſache ausſetzt, will ich bey dem Worte: Gravitation, umſtaͤndlicher zeigen.
Dieſer Begrif der Attraction, als einer weſentlichen Eigenſchaft oder eines innern Vermoͤgens der Materie, ſcheint mir nicht viel beſſer, als die Sympathien, Antipathien und verborgnen Qualitaͤten der Peripatetiker, und ſollte aus einer geſunden Phyſik gaͤnzlich entfernt bleiben; da hingegen die Attraction als Phaͤnomen betrachtet, wenn man ſich nicht anmaaßet, die Urſache davon anzugeben, durch klare und unlaͤugbare Erfahrungen beſtaͤtiget iſt.
Dieſe Erfahrungen durch den Stoß einer Materie zu erklaͤren, hat ſehr große Schwierigkeiten. Carteſens, Huygens, Joh. Bernoullis, Bilſingers u. a. Erklaͤrungen haben im Allgemeinen das wider ſich, daß die
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/183>, abgerufen am 24.11.2024.
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