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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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deren verschiedner Zusammenordnung die Verschiedenheit der Körper herrühre. Diese kleinsten Theilchen können sich durch eine sehr starke Anziehung mit einander verbinden, und größere Theile ausmachen, welche einander weniger anziehen; diese können wiederum durch ihren Zusammenhang noch größere Theile bilden, deren Anziehung gegen einander noch schwächer ist, bis endlich die gröbern in unsere Sinne fallenden Theile entstehen, von welchen die Farben der Körper und die chymischen Operationen abängen, und welche durch ihren Zusammenhang die Körper von merklicher Größe ausmachen. Dieses System, welches die Eigenschaften der Körper aus der Zusammenordnung der ersten Theilchen zu erklären sucht, wird mit dem Namen Philosophia s. Physica corpuscularis bezeichnet.

Wer die Existenz der Materie einräumt, kan ihr auch erste ungetheilte Elemente nicht füglich absprechen. Ob diese ungetheilten Körperchen zugleich untheilbar sind, das kömmt auf den Begrif an, den man mit den Worten untheilbar und Materie verbindet. Versteht man unter Theilbarkeit die Möglichkeit, sich in jedem Theile der Materie, den man als ausgedehnt betrachtet, eine rechte und linke, eine obere und untere Seite zu gedenken, welche der Verstand als abgesondert betrachten kan, so ist jedes Theilchen, so klein es auch sey, noch theilbar. Versteht man aber wirkliche Theilung, so ist Theilbarkeit ins unendliche ein Ausdruck ohne Bedeutung, und es giebt eine letzte Grenze, auf welcher alle menschliche Möglichkeit der Theilung aufhört, und bey aller etwa künftig noch zu hoffender Vervollkommnung der mechanischen und chymischen Theilungs- und Zersetzungsmittel stets aufhören wird. Will man nun das, was an dieser letzten möglichen Grenze der Theilug übrig bleibt, untheilbar nennen, so muß man in diesem Sinne Atomen einräumen, das ist, erste untheilbare Körperchen, welche immer noch ausgedehnt sind, und, da sie sich durch physische Kräfte nicht weiter trennen lassen, Härte, folglich auch alle übrige Eigenschaften der Materie besitzen.


deren verſchiedner Zuſammenordnung die Verſchiedenheit der Koͤrper herruͤhre. Dieſe kleinſten Theilchen koͤnnen ſich durch eine ſehr ſtarke Anziehung mit einander verbinden, und groͤßere Theile ausmachen, welche einander weniger anziehen; dieſe koͤnnen wiederum durch ihren Zuſammenhang noch groͤßere Theile bilden, deren Anziehung gegen einander noch ſchwaͤcher iſt, bis endlich die groͤbern in unſere Sinne fallenden Theile entſtehen, von welchen die Farben der Koͤrper und die chymiſchen Operationen abaͤngen, und welche durch ihren Zuſammenhang die Koͤrper von merklicher Groͤße ausmachen. Dieſes Syſtem, welches die Eigenſchaften der Koͤrper aus der Zuſammenordnung der erſten Theilchen zu erklaͤren ſucht, wird mit dem Namen Philoſophia ſ. Phyſica corpuſcularis bezeichnet.

Wer die Exiſtenz der Materie einraͤumt, kan ihr auch erſte ungetheilte Elemente nicht fuͤglich abſprechen. Ob dieſe ungetheilten Koͤrperchen zugleich untheilbar ſind, das koͤmmt auf den Begrif an, den man mit den Worten untheilbar und Materie verbindet. Verſteht man unter Theilbarkeit die Moͤglichkeit, ſich in jedem Theile der Materie, den man als ausgedehnt betrachtet, eine rechte und linke, eine obere und untere Seite zu gedenken, welche der Verſtand als abgeſondert betrachten kan, ſo iſt jedes Theilchen, ſo klein es auch ſey, noch theilbar. Verſteht man aber wirkliche Theilung, ſo iſt Theilbarkeit ins unendliche ein Ausdruck ohne Bedeutung, und es giebt eine letzte Grenze, auf welcher alle menſchliche Moͤglichkeit der Theilung aufhoͤrt, und bey aller etwa kuͤnftig noch zu hoffender Vervollkommnung der mechaniſchen und chymiſchen Theilungs- und Zerſetzungsmittel ſtets aufhoͤren wird. Will man nun das, was an dieſer letzten moͤglichen Grenze der Theilug uͤbrig bleibt, untheilbar nennen, ſo muß man in dieſem Sinne Atomen einraͤumen, das iſt, erſte untheilbare Koͤrperchen, welche immer noch ausgedehnt ſind, und, da ſie ſich durch phyſiſche Kraͤfte nicht weiter trennen laſſen, Haͤrte, folglich auch alle uͤbrige Eigenſchaften der Materie beſitzen.

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[164/0178] deren verſchiedner Zuſammenordnung die Verſchiedenheit der Koͤrper herruͤhre. Dieſe kleinſten Theilchen koͤnnen ſich durch eine ſehr ſtarke Anziehung mit einander verbinden, und groͤßere Theile ausmachen, welche einander weniger anziehen; dieſe koͤnnen wiederum durch ihren Zuſammenhang noch groͤßere Theile bilden, deren Anziehung gegen einander noch ſchwaͤcher iſt, bis endlich die groͤbern in unſere Sinne fallenden Theile entſtehen, von welchen die Farben der Koͤrper und die chymiſchen Operationen abaͤngen, und welche durch ihren Zuſammenhang die Koͤrper von merklicher Groͤße ausmachen. Dieſes Syſtem, welches die Eigenſchaften der Koͤrper aus der Zuſammenordnung der erſten Theilchen zu erklaͤren ſucht, wird mit dem Namen Philoſophia ſ. Phyſica corpuſcularis bezeichnet. Wer die Exiſtenz der Materie einraͤumt, kan ihr auch erſte ungetheilte Elemente nicht fuͤglich abſprechen. Ob dieſe ungetheilten Koͤrperchen zugleich untheilbar ſind, das koͤmmt auf den Begrif an, den man mit den Worten untheilbar und Materie verbindet. Verſteht man unter Theilbarkeit die Moͤglichkeit, ſich in jedem Theile der Materie, den man als ausgedehnt betrachtet, eine rechte und linke, eine obere und untere Seite zu gedenken, welche der Verſtand als abgeſondert betrachten kan, ſo iſt jedes Theilchen, ſo klein es auch ſey, noch theilbar. Verſteht man aber wirkliche Theilung, ſo iſt Theilbarkeit ins unendliche ein Ausdruck ohne Bedeutung, und es giebt eine letzte Grenze, auf welcher alle menſchliche Moͤglichkeit der Theilung aufhoͤrt, und bey aller etwa kuͤnftig noch zu hoffender Vervollkommnung der mechaniſchen und chymiſchen Theilungs- und Zerſetzungsmittel ſtets aufhoͤren wird. Will man nun das, was an dieſer letzten moͤglichen Grenze der Theilug uͤbrig bleibt, untheilbar nennen, ſo muß man in dieſem Sinne Atomen einraͤumen, das iſt, erſte untheilbare Koͤrperchen, welche immer noch ausgedehnt ſind, und, da ſie ſich durch phyſiſche Kraͤfte nicht weiter trennen laſſen, Haͤrte, folglich auch alle uͤbrige Eigenſchaften der Materie beſitzen.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/178>, abgerufen am 25.11.2024.