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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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wurden roth, wenn sie gleich einige Zoll hoch mit diesem Serum bedeckt waren. Und daß nicht etwa das Serum selbst diese Färbung bewirke, ward dadurch erwiesen, daß schwarzes Blut, einen halben Zoll hoch mit Serum bedeckt, unter der ausgeleerten Glocke der Luftpumpe schwarz blieb, ob es gleich eine ganze Nacht gestanden hatte, an freyer Luft aber unter übrigens ähnlichen Umständen, bald roth ward, woraus er schließt, daß die Blutkügelchen durch die Flüßigkeit, in welcher sie schwimmen, nicht verhindert werden, ihr Phlogiston an die Luft abzugeben.

Dieser Priestleyschen Theorie des Athmens ist inzwischen diejenige, welche Herr Scheele (Chemische Abhdl. von Luft und Feuer, von Hrn. Leonhardi. Leipz. 1782. 8.) vorgetragen hat, gerade entgegengesetzt. Nach der Meynung dieses großen Chymisten ist seine Feuerluft (eben dieselbe, welche Priestley dephlogistisirte nennt) eine mit Brennbarem gesättigte und versüßte Luftsäure, und die reine Luft soll das Blut nicht des Brennbaren berauben, sondern vielmehr mit mehrerem Brennbaren versehen, und es dadurch flüßiger, beweglicher und röther machen. Durch die Absetzung eines Theils vom Brennbaren soll sich die Feuerluft in verdorbene Luft verwandeln, dergleichen die ausgeathmete ist. Scheele läst es übrigens ganz unausgemacht, wohin das viele Phlogiston komme, welches auf diese Art dem Körper durch die Feuerluft unaufhörlich müste zugeführt werden. Er gründet seine Behauptung auf Ideen, welche mit seinem ganzen System über Feuer, Luft und Verbrennung so genau zusammenhängen, daß sie ohne Weitläuftigkeit hier nicht beygebracht werden können, die ich daher den Artikeln: Feuer, Gas, Phlogiston, vorbehalte. Uebrigens beruft sich Scheele auf einen von ihm angestellten Versuch, wobey es ihm gelungen, selbst brennbare Luft durch wiederholtes Ein- und Ausathmen derselben in verdorbne Luft zu verwandeln, und ihr ihre brennbare Eigenschaft zu benehmen. Dieses streitet aber völlig mit den sorgfältig angestellten Versuchen des Fontana (Phil. Trans. Vol. LXIX. P. II. no. 24.), welcher das Athmen der brennbaren Luft für die Thiere ohne Ausnahme


wurden roth, wenn ſie gleich einige Zoll hoch mit dieſem Serum bedeckt waren. Und daß nicht etwa das Serum ſelbſt dieſe Faͤrbung bewirke, ward dadurch erwieſen, daß ſchwarzes Blut, einen halben Zoll hoch mit Serum bedeckt, unter der ausgeleerten Glocke der Luftpumpe ſchwarz blieb, ob es gleich eine ganze Nacht geſtanden hatte, an freyer Luft aber unter uͤbrigens aͤhnlichen Umſtaͤnden, bald roth ward, woraus er ſchließt, daß die Blutkuͤgelchen durch die Fluͤßigkeit, in welcher ſie ſchwimmen, nicht verhindert werden, ihr Phlogiſton an die Luft abzugeben.

Dieſer Prieſtleyſchen Theorie des Athmens iſt inzwiſchen diejenige, welche Herr Scheele (Chemiſche Abhdl. von Luft und Feuer, von Hrn. Leonhardi. Leipz. 1782. 8.) vorgetragen hat, gerade entgegengeſetzt. Nach der Meynung dieſes großen Chymiſten iſt ſeine Feuerluft (eben dieſelbe, welche Prieſtley dephlogiſtiſirte nennt) eine mit Brennbarem geſaͤttigte und verſuͤßte Luftſaͤure, und die reine Luft ſoll das Blut nicht des Brennbaren berauben, ſondern vielmehr mit mehrerem Brennbaren verſehen, und es dadurch fluͤßiger, beweglicher und roͤther machen. Durch die Abſetzung eines Theils vom Brennbaren ſoll ſich die Feuerluft in verdorbene Luft verwandeln, dergleichen die ausgeathmete iſt. Scheele laͤſt es uͤbrigens ganz unausgemacht, wohin das viele Phlogiſton komme, welches auf dieſe Art dem Koͤrper durch die Feuerluft unaufhoͤrlich muͤſte zugefuͤhrt werden. Er gruͤndet ſeine Behauptung auf Ideen, welche mit ſeinem ganzen Syſtem uͤber Feuer, Luft und Verbrennung ſo genau zuſammenhaͤngen, daß ſie ohne Weitlaͤuftigkeit hier nicht beygebracht werden koͤnnen, die ich daher den Artikeln: Feuer, Gas, Phlogiſton, vorbehalte. Uebrigens beruft ſich Scheele auf einen von ihm angeſtellten Verſuch, wobey es ihm gelungen, ſelbſt brennbare Luft durch wiederholtes Ein- und Ausathmen derſelben in verdorbne Luft zu verwandeln, und ihr ihre brennbare Eigenſchaft zu benehmen. Dieſes ſtreitet aber voͤllig mit den ſorgfaͤltig angeſtellten Verſuchen des Fontana (Phil. Trans. Vol. LXIX. P. II. no. 24.), welcher das Athmen der brennbaren Luft fuͤr die Thiere ohne Ausnahme

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[150/0164] wurden roth, wenn ſie gleich einige Zoll hoch mit dieſem Serum bedeckt waren. Und daß nicht etwa das Serum ſelbſt dieſe Faͤrbung bewirke, ward dadurch erwieſen, daß ſchwarzes Blut, einen halben Zoll hoch mit Serum bedeckt, unter der ausgeleerten Glocke der Luftpumpe ſchwarz blieb, ob es gleich eine ganze Nacht geſtanden hatte, an freyer Luft aber unter uͤbrigens aͤhnlichen Umſtaͤnden, bald roth ward, woraus er ſchließt, daß die Blutkuͤgelchen durch die Fluͤßigkeit, in welcher ſie ſchwimmen, nicht verhindert werden, ihr Phlogiſton an die Luft abzugeben. Dieſer Prieſtleyſchen Theorie des Athmens iſt inzwiſchen diejenige, welche Herr Scheele (Chemiſche Abhdl. von Luft und Feuer, von Hrn. Leonhardi. Leipz. 1782. 8.) vorgetragen hat, gerade entgegengeſetzt. Nach der Meynung dieſes großen Chymiſten iſt ſeine Feuerluft (eben dieſelbe, welche Prieſtley dephlogiſtiſirte nennt) eine mit Brennbarem geſaͤttigte und verſuͤßte Luftſaͤure, und die reine Luft ſoll das Blut nicht des Brennbaren berauben, ſondern vielmehr mit mehrerem Brennbaren verſehen, und es dadurch fluͤßiger, beweglicher und roͤther machen. Durch die Abſetzung eines Theils vom Brennbaren ſoll ſich die Feuerluft in verdorbene Luft verwandeln, dergleichen die ausgeathmete iſt. Scheele laͤſt es uͤbrigens ganz unausgemacht, wohin das viele Phlogiſton komme, welches auf dieſe Art dem Koͤrper durch die Feuerluft unaufhoͤrlich muͤſte zugefuͤhrt werden. Er gruͤndet ſeine Behauptung auf Ideen, welche mit ſeinem ganzen Syſtem uͤber Feuer, Luft und Verbrennung ſo genau zuſammenhaͤngen, daß ſie ohne Weitlaͤuftigkeit hier nicht beygebracht werden koͤnnen, die ich daher den Artikeln: Feuer, Gas, Phlogiſton, vorbehalte. Uebrigens beruft ſich Scheele auf einen von ihm angeſtellten Verſuch, wobey es ihm gelungen, ſelbſt brennbare Luft durch wiederholtes Ein- und Ausathmen derſelben in verdorbne Luft zu verwandeln, und ihr ihre brennbare Eigenſchaft zu benehmen. Dieſes ſtreitet aber voͤllig mit den ſorgfaͤltig angeſtellten Verſuchen des Fontana (Phil. Trans. Vol. LXIX. P. II. no. 24.), welcher das Athmen der brennbaren Luft fuͤr die Thiere ohne Ausnahme

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/164>, abgerufen am 26.11.2024.