zeichnung und Idee fällt weg, das Naive wird tölpisch.
Wenn es aber auch noch leicht wäre, den wahren Witz zu erkennen, so ist es doch gewiß schwer, die übrigen Fähigkeiten des Kopfes nach demselben zu beurtheilen. Natürlicherweise äus- sert sich der Witz am ersten, weil auch unter einem kleinen Vorrathe von Ideen schon genug Zusam- mensetzungen möglich sind, und dieß eben das Werk und das Verdienst des Witzes ist, das Ver- borgne zu finden: aber er ist deswegen nicht im- mer die Ankündigung eines großen Geistes. Mit dem philosophischen Geiste verträgt er sich selten; eine sehr feurige Einbildungskraft verzehrt ihn so zu sagen, und er findet nur bey einer gewissen Mit- telmäßigkeit dieser beiden Hauptfähigkeiten statt. Alles, was er sucht, liegt nur auf der Oberfläche, und bedarf weder ein tiefes Nachdenken, noch eine sehr starke Empfindung.
Er ist sogar, wenn er zu frühzeitig ausgebil- det wird, der Uebung der andern Fähigkeiten schädlich. Da er die Seele gewöhnt, immer von
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der Faͤhigkeiten.
zeichnung und Idee faͤllt weg, das Naive wird toͤlpiſch.
Wenn es aber auch noch leicht waͤre, den wahren Witz zu erkennen, ſo iſt es doch gewiß ſchwer, die uͤbrigen Faͤhigkeiten des Kopfes nach demſelben zu beurtheilen. Natuͤrlicherweiſe aͤuſ- ſert ſich der Witz am erſten, weil auch unter einem kleinen Vorrathe von Ideen ſchon genug Zuſam- menſetzungen moͤglich ſind, und dieß eben das Werk und das Verdienſt des Witzes iſt, das Ver- borgne zu finden: aber er iſt deswegen nicht im- mer die Ankuͤndigung eines großen Geiſtes. Mit dem philoſophiſchen Geiſte vertraͤgt er ſich ſelten; eine ſehr feurige Einbildungskraft verzehrt ihn ſo zu ſagen, und er findet nur bey einer gewiſſen Mit- telmaͤßigkeit dieſer beiden Hauptfaͤhigkeiten ſtatt. Alles, was er ſucht, liegt nur auf der Oberflaͤche, und bedarf weder ein tiefes Nachdenken, noch eine ſehr ſtarke Empfindung.
Er iſt ſogar, wenn er zu fruͤhzeitig ausgebil- det wird, der Uebung der andern Faͤhigkeiten ſchaͤdlich. Da er die Seele gewoͤhnt, immer von
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der Faͤhigkeiten.
zeichnung und Idee faͤllt weg, das Naive wird
toͤlpiſch.
Wenn es aber auch noch leicht waͤre, den
wahren Witz zu erkennen, ſo iſt es doch gewiß
ſchwer, die uͤbrigen Faͤhigkeiten des Kopfes nach
demſelben zu beurtheilen. Natuͤrlicherweiſe aͤuſ-
ſert ſich der Witz am erſten, weil auch unter einem
kleinen Vorrathe von Ideen ſchon genug Zuſam-
menſetzungen moͤglich ſind, und dieß eben das
Werk und das Verdienſt des Witzes iſt, das Ver-
borgne zu finden: aber er iſt deswegen nicht im-
mer die Ankuͤndigung eines großen Geiſtes. Mit
dem philoſophiſchen Geiſte vertraͤgt er ſich ſelten;
eine ſehr feurige Einbildungskraft verzehrt ihn ſo zu
ſagen, und er findet nur bey einer gewiſſen Mit-
telmaͤßigkeit dieſer beiden Hauptfaͤhigkeiten ſtatt.
Alles, was er ſucht, liegt nur auf der Oberflaͤche,
und bedarf weder ein tiefes Nachdenken, noch eine
ſehr ſtarke Empfindung.
Er iſt ſogar, wenn er zu fruͤhzeitig ausgebil-
det wird, der Uebung der andern Faͤhigkeiten
ſchaͤdlich. Da er die Seele gewoͤhnt, immer von
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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