Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber die Prüfung
leicht giebt es einen vierten, der aus der Geschich-
te ungefähr eben so ein wesentliches Stück von ihr
zurückbringt, als der rechnende englische Bauer
aus der Oper, der die Violinstriche zählte; und
doch würde sie noch immer einen Einfluß über
seine Denkungsart und seinen Kopf behalten. --
Dieß also ist des weisen Lehrers Arbeit und sein
Verdienst, bey jeder Wissenschaft von ihrem ei-
genen und unmittelbaren Endzwecke, der Erler-
nung der Sachen, die sie enthält, noch den
mannichfaltigen Gebrauch, der sich davon ma-
chen läßt, zu unterscheiden, und seiner Schüler
Fähigkeiten aus diesem Gebrauche zu beur-
theilen.

Der philosophirende Verstand, um uns nicht
zu weit von ihm zu verlieren, zeigt sich am deut-
lichsten durch die Begriffe, die er selbst hervor-
bringt. In nichts unterscheiden sich die guten
Köpfe von den schlechten so sehr, als in ihren
Aufsätzen. Bey dem bloßen Lernen kann größre
Aemsigkeit und vielleicht mehr Gedächtniß die lez-
tern weiter gebracht haben: aber der Gebrauch,

Ueber die Pruͤfung
leicht giebt es einen vierten, der aus der Geſchich-
te ungefaͤhr eben ſo ein weſentliches Stuͤck von ihr
zuruͤckbringt, als der rechnende engliſche Bauer
aus der Oper, der die Violinſtriche zaͤhlte; und
doch wuͤrde ſie noch immer einen Einfluß uͤber
ſeine Denkungsart und ſeinen Kopf behalten. —
Dieß alſo iſt des weiſen Lehrers Arbeit und ſein
Verdienſt, bey jeder Wiſſenſchaft von ihrem ei-
genen und unmittelbaren Endzwecke, der Erler-
nung der Sachen, die ſie enthaͤlt, noch den
mannichfaltigen Gebrauch, der ſich davon ma-
chen laͤßt, zu unterſcheiden, und ſeiner Schuͤler
Faͤhigkeiten aus dieſem Gebrauche zu beur-
theilen.

Der philoſophirende Verſtand, um uns nicht
zu weit von ihm zu verlieren, zeigt ſich am deut-
lichſten durch die Begriffe, die er ſelbſt hervor-
bringt. In nichts unterſcheiden ſich die guten
Koͤpfe von den ſchlechten ſo ſehr, als in ihren
Aufſaͤtzen. Bey dem bloßen Lernen kann groͤßre
Aemſigkeit und vielleicht mehr Gedaͤchtniß die lez-
tern weiter gebracht haben: aber der Gebrauch,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Pru&#x0364;fung</hi></fw><lb/>
leicht giebt es einen vierten, der aus der Ge&#x017F;chich-<lb/>
te ungefa&#x0364;hr eben &#x017F;o ein we&#x017F;entliches Stu&#x0364;ck von ihr<lb/>
zuru&#x0364;ckbringt, als der rechnende engli&#x017F;che Bauer<lb/>
aus der Oper, der die Violin&#x017F;triche za&#x0364;hlte; und<lb/>
doch wu&#x0364;rde &#x017F;ie noch immer einen Einfluß u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine Denkungsart und &#x017F;einen Kopf behalten. &#x2014;<lb/>
Dieß al&#x017F;o i&#x017F;t des wei&#x017F;en Lehrers Arbeit und &#x017F;ein<lb/>
Verdien&#x017F;t, bey jeder Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von ihrem ei-<lb/>
genen und unmittelbaren Endzwecke, der Erler-<lb/>
nung der Sachen, die &#x017F;ie entha&#x0364;lt, noch den<lb/>
mannichfaltigen Gebrauch, der &#x017F;ich davon ma-<lb/>
chen la&#x0364;ßt, zu unter&#x017F;cheiden, und &#x017F;einer Schu&#x0364;ler<lb/>
Fa&#x0364;higkeiten aus die&#x017F;em Gebrauche zu beur-<lb/>
theilen.</p><lb/>
        <p>Der philo&#x017F;ophirende Ver&#x017F;tand, um uns nicht<lb/>
zu weit von ihm zu verlieren, zeigt &#x017F;ich am deut-<lb/>
lich&#x017F;ten durch die Begriffe, die er &#x017F;elb&#x017F;t hervor-<lb/>
bringt. In nichts unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die guten<lb/>
Ko&#x0364;pfe von den &#x017F;chlechten &#x017F;o &#x017F;ehr, als in ihren<lb/>
Auf&#x017F;a&#x0364;tzen. Bey dem bloßen Lernen kann gro&#x0364;ßre<lb/>
Aem&#x017F;igkeit und vielleicht mehr Geda&#x0364;chtniß die lez-<lb/>
tern weiter gebracht haben: aber der Gebrauch,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0086] Ueber die Pruͤfung leicht giebt es einen vierten, der aus der Geſchich- te ungefaͤhr eben ſo ein weſentliches Stuͤck von ihr zuruͤckbringt, als der rechnende engliſche Bauer aus der Oper, der die Violinſtriche zaͤhlte; und doch wuͤrde ſie noch immer einen Einfluß uͤber ſeine Denkungsart und ſeinen Kopf behalten. — Dieß alſo iſt des weiſen Lehrers Arbeit und ſein Verdienſt, bey jeder Wiſſenſchaft von ihrem ei- genen und unmittelbaren Endzwecke, der Erler- nung der Sachen, die ſie enthaͤlt, noch den mannichfaltigen Gebrauch, der ſich davon ma- chen laͤßt, zu unterſcheiden, und ſeiner Schuͤler Faͤhigkeiten aus dieſem Gebrauche zu beur- theilen. Der philoſophirende Verſtand, um uns nicht zu weit von ihm zu verlieren, zeigt ſich am deut- lichſten durch die Begriffe, die er ſelbſt hervor- bringt. In nichts unterſcheiden ſich die guten Koͤpfe von den ſchlechten ſo ſehr, als in ihren Aufſaͤtzen. Bey dem bloßen Lernen kann groͤßre Aemſigkeit und vielleicht mehr Gedaͤchtniß die lez- tern weiter gebracht haben: aber der Gebrauch,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/86
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/86>, abgerufen am 23.11.2024.