anders nicht als klar denken kann, die mehr ge- fühlt als gesagt werden können, kommen bey ihm spät und sind selten richtig genug. Hinge- gen alles, wo sich die Merkmale von dem Dinge absondern, wo sie sich unter einen Begriff und in ein Wort fassen lassen, kurz, was sich erklären und lehren läßt, begreift er schnell, und ist in kur- zem im Stande, es wieder mitzutheilen.
Der Geschmack ist ein dunkles Gefühl des Schönen. Einige Theile davon lassen sich in Be- griffe auflösen, und sind deswegen der Erklärung und einer Theorie fähig; andre aber sind zu sehr im Ganzen verstreut, zu vielfach und zusammen- gesezt, als daß sie gedacht werden könnten, wenn man sie nicht mehr empfindet. Die Art von Gei- stern, von der wir reden, werden also mit der er- sten Gattung von Schönheiten weit leichter be- kannt werden, als mit der lezten; wo ihr Gefühl durch kein Räsonnement geleitet oder unterstützet werden kann, wird es mangelhaft oder unsicher seyn; sie werden als Kunstrichter die Erfindung und die Anordnung eines Gedichts, die Richtig-
Ueber die Pruͤfung
anders nicht als klar denken kann, die mehr ge- fuͤhlt als geſagt werden koͤnnen, kommen bey ihm ſpaͤt und ſind ſelten richtig genug. Hinge- gen alles, wo ſich die Merkmale von dem Dinge abſondern, wo ſie ſich unter einen Begriff und in ein Wort faſſen laſſen, kurz, was ſich erklaͤren und lehren laͤßt, begreift er ſchnell, und iſt in kur- zem im Stande, es wieder mitzutheilen.
Der Geſchmack iſt ein dunkles Gefuͤhl des Schoͤnen. Einige Theile davon laſſen ſich in Be- griffe aufloͤſen, und ſind deswegen der Erklaͤrung und einer Theorie faͤhig; andre aber ſind zu ſehr im Ganzen verſtreut, zu vielfach und zuſammen- geſezt, als daß ſie gedacht werden koͤnnten, wenn man ſie nicht mehr empfindet. Die Art von Gei- ſtern, von der wir reden, werden alſo mit der er- ſten Gattung von Schoͤnheiten weit leichter be- kannt werden, als mit der lezten; wo ihr Gefuͤhl durch kein Raͤſonnement geleitet oder unterſtuͤtzet werden kann, wird es mangelhaft oder unſicher ſeyn; ſie werden als Kunſtrichter die Erfindung und die Anordnung eines Gedichts, die Richtig-
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Ueber die Pruͤfung
anders nicht als klar denken kann, die mehr ge-
fuͤhlt als geſagt werden koͤnnen, kommen bey
ihm ſpaͤt und ſind ſelten richtig genug. Hinge-
gen alles, wo ſich die Merkmale von dem Dinge
abſondern, wo ſie ſich unter einen Begriff und in
ein Wort faſſen laſſen, kurz, was ſich erklaͤren
und lehren laͤßt, begreift er ſchnell, und iſt in kur-
zem im Stande, es wieder mitzutheilen.
Der Geſchmack iſt ein dunkles Gefuͤhl des
Schoͤnen. Einige Theile davon laſſen ſich in Be-
griffe aufloͤſen, und ſind deswegen der Erklaͤrung
und einer Theorie faͤhig; andre aber ſind zu ſehr
im Ganzen verſtreut, zu vielfach und zuſammen-
geſezt, als daß ſie gedacht werden koͤnnten, wenn
man ſie nicht mehr empfindet. Die Art von Gei-
ſtern, von der wir reden, werden alſo mit der er-
ſten Gattung von Schoͤnheiten weit leichter be-
kannt werden, als mit der lezten; wo ihr Gefuͤhl
durch kein Raͤſonnement geleitet oder unterſtuͤtzet
werden kann, wird es mangelhaft oder unſicher
ſeyn; ſie werden als Kunſtrichter die Erfindung
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/68>, abgerufen am 23.11.2024.
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