"Nie- "mand, sagt sie, kann diesen Mann besser be- "handeln als du, keines Menschen Worte ma- "chen bey ihm mehr Eindruck."
Man wünschte, daß eine Person, die beiden Verliebten so wichtig ist, hätte mehr auftreten, sich hätte thätiger heweisen können.
So lange Dido den Aeneas vor sich sah: so lange hatte der Unwille über die Liebe die Ober- hand. Sie wollte, daß er reisen sollte:
Neque te teneo, neque dicta refello. I, sequere Italiam ventis, pete regna per undas.
Jezt, nachdem sie wieder mit sich allein ist ihre Lebensgeister sich besänftiget haben, be- kömmt die Zärtlichkeit über den Zorn ihr altes Uebergewicht. Sie will ihn nicht mehr weglas- sen. Sie bittet ihre Anna, den Aeneas nur da- hin zu bringen, daß er ihr eine kurze Frist ver- willige, daß er den Winter bey ihr abwarte, um sich nicht selbst in Gefahr zu setzen.
Exspectet facilemque fugam, ventosque fe- rentes.
uͤber das Intereſſirende.
Dido wendet ſich an ihre Schweſter.
„Nie- „mand, ſagt ſie, kann dieſen Mann beſſer be- „handeln als du, keines Menſchen Worte ma- „chen bey ihm mehr Eindruck.“
Man wuͤnſchte, daß eine Perſon, die beiden Verliebten ſo wichtig iſt, haͤtte mehr auftreten, ſich haͤtte thaͤtiger heweiſen koͤnnen.
So lange Dido den Aeneas vor ſich ſah: ſo lange hatte der Unwille uͤber die Liebe die Ober- hand. Sie wollte, daß er reiſen ſollte:
Neque te teneo, neque dicta refello. I, ſequere Italiam ventis, pete regna per undas.
Jezt, nachdem ſie wieder mit ſich allein iſt ihre Lebensgeiſter ſich beſaͤnftiget haben, be- koͤmmt die Zaͤrtlichkeit uͤber den Zorn ihr altes Uebergewicht. Sie will ihn nicht mehr weglaſ- ſen. Sie bittet ihre Anna, den Aeneas nur da- hin zu bringen, daß er ihr eine kurze Friſt ver- willige, daß er den Winter bey ihr abwarte, um ſich nicht ſelbſt in Gefahr zu ſetzen.
Exſpectet facilemque fugam, ventosque fe- rentes.
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uͤber das Intereſſirende.
Dido wendet ſich an ihre Schweſter.
„Nie-
„mand, ſagt ſie, kann dieſen Mann beſſer be-
„handeln als du, keines Menſchen Worte ma-
„chen bey ihm mehr Eindruck.“
Man wuͤnſchte, daß eine Perſon, die beiden
Verliebten ſo wichtig iſt, haͤtte mehr auftreten,
ſich haͤtte thaͤtiger heweiſen koͤnnen.
So lange Dido den Aeneas vor ſich ſah: ſo
lange hatte der Unwille uͤber die Liebe die Ober-
hand. Sie wollte, daß er reiſen ſollte:
Neque te teneo, neque dicta refello.
I, ſequere Italiam ventis, pete regna per
undas.
Jezt, nachdem ſie wieder mit ſich allein iſt
ihre Lebensgeiſter ſich beſaͤnftiget haben, be-
koͤmmt die Zaͤrtlichkeit uͤber den Zorn ihr altes
Uebergewicht. Sie will ihn nicht mehr weglaſ-
ſen. Sie bittet ihre Anna, den Aeneas nur da-
hin zu bringen, daß er ihr eine kurze Friſt ver-
willige, daß er den Winter bey ihr abwarte,
um ſich nicht ſelbſt in Gefahr zu ſetzen.
Exſpectet facilemque fugam, ventosque fe-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/421>, abgerufen am 25.11.2024.
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