ein neues Ganze. In einem höhern Grade nennt man sie die Gabe der Dichtung.
Ihre Vollkommenheit beruht, wie einer jeden Zusammensetzung ihre, erstlich auf der Richtigkeit der Theile und ihrer Aehnlichkeit mit den Dingen, von denen sie genommen sind. Zweytens, auf der Regelmäßigkeit und Richtigkeit der Verknüp- fung. So erfodern die Maler bey dem, was sie Ideal nennen, die genaueste Wahrheit und die getreueste Kopie der Natur in den Theilen, und in dem Ganzen Wahl und Anordnung.
Jeder Mensch baut sich zuweilen in seinen Gedanken eine kleine Welt, in der er wohnt, und in der er sich gefällt. Wenn diese gut geord- net ist, und eine Reihe von Möglichkeiten enthält, die zusammenhängen, so ist die Imagination richtig; wenn die Bilder den wirklichen Empfin- dungen an Stärke nahe kommen, so ist sie leb- haft; wenn sie zusammengesezt einen höhern Grad von Vollkommenheit haben, als die Na- tur, aus der sie gesammlet sind, so ist sie erha- ben. Auf diese Art also können unsre Spielwerke
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der Faͤhigkeiten.
ein neues Ganze. In einem hoͤhern Grade nennt man ſie die Gabe der Dichtung.
Ihre Vollkommenheit beruht, wie einer jeden Zuſammenſetzung ihre, erſtlich auf der Richtigkeit der Theile und ihrer Aehnlichkeit mit den Dingen, von denen ſie genommen ſind. Zweytens, auf der Regelmaͤßigkeit und Richtigkeit der Verknuͤp- fung. So erfodern die Maler bey dem, was ſie Ideal nennen, die genaueſte Wahrheit und die getreueſte Kopie der Natur in den Theilen, und in dem Ganzen Wahl und Anordnung.
Jeder Menſch baut ſich zuweilen in ſeinen Gedanken eine kleine Welt, in der er wohnt, und in der er ſich gefaͤllt. Wenn dieſe gut geord- net iſt, und eine Reihe von Moͤglichkeiten enthaͤlt, die zuſammenhaͤngen, ſo iſt die Imagination richtig; wenn die Bilder den wirklichen Empfin- dungen an Staͤrke nahe kommen, ſo iſt ſie leb- haft; wenn ſie zuſammengeſezt einen hoͤhern Grad von Vollkommenheit haben, als die Na- tur, aus der ſie geſammlet ſind, ſo iſt ſie erha- ben. Auf dieſe Art alſo koͤnnen unſre Spielwerke
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der Faͤhigkeiten.
ein neues Ganze. In einem hoͤhern Grade nennt
man ſie die Gabe der Dichtung.
Ihre Vollkommenheit beruht, wie einer jeden
Zuſammenſetzung ihre, erſtlich auf der Richtigkeit
der Theile und ihrer Aehnlichkeit mit den Dingen,
von denen ſie genommen ſind. Zweytens, auf
der Regelmaͤßigkeit und Richtigkeit der Verknuͤp-
fung. So erfodern die Maler bey dem, was ſie
Ideal nennen, die genaueſte Wahrheit und die
getreueſte Kopie der Natur in den Theilen, und in
dem Ganzen Wahl und Anordnung.
Jeder Menſch baut ſich zuweilen in ſeinen
Gedanken eine kleine Welt, in der er wohnt,
und in der er ſich gefaͤllt. Wenn dieſe gut geord-
net iſt, und eine Reihe von Moͤglichkeiten enthaͤlt,
die zuſammenhaͤngen, ſo iſt die Imagination
richtig; wenn die Bilder den wirklichen Empfin-
dungen an Staͤrke nahe kommen, ſo iſt ſie leb-
haft; wenn ſie zuſammengeſezt einen hoͤhern
Grad von Vollkommenheit haben, als die Na-
tur, aus der ſie geſammlet ſind, ſo iſt ſie erha-
ben. Auf dieſe Art alſo koͤnnen unſre Spielwerke
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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