Weisheit, als die einförmige ungehinderte Wirk- samkeit der Tugend wird vorstellen müssen; denn daran ist uns am meisten gelegen, die Geschichte der wirklichen Welt aus ihm, in ihren innern und feinern Theilen, zu lernen.
Aber dann sehen wir doch auch nicht, warum es dem wahrhaftig großen Geiste, der sich selbst der Vollkommenheit nähert, der das Auge gehabt hat, sie bey andern stückweise aufzusammeln, oder das Glück, sie im Gan- zen in einem größern Beyspiele vor sich zu se- hen; dem Manne, dessen Imagination weit genug ist, die Züge der moralischen Bildung zu vergrößern, ohne sie zu verstellen, und welcher Einsicht genug hat, die allgemeine Idee von Vollkommenheit mit den Eigenthümlichkeiten eines besondern Charakters zu vergesellschaften: wir sehen nicht ein, warum es ihm nicht er- laubt seyn sollte, dieses Ideal von Vollkommen- heit, für welches sein Herz am meisten erwärmt ist, zu schildern; oder warum diese Schilderung
Einige Gedanken
Weisheit, als die einfoͤrmige ungehinderte Wirk- ſamkeit der Tugend wird vorſtellen muͤſſen; denn daran iſt uns am meiſten gelegen, die Geſchichte der wirklichen Welt aus ihm, in ihren innern und feinern Theilen, zu lernen.
Aber dann ſehen wir doch auch nicht, warum es dem wahrhaftig großen Geiſte, der ſich ſelbſt der Vollkommenheit naͤhert, der das Auge gehabt hat, ſie bey andern ſtuͤckweiſe aufzuſammeln, oder das Gluͤck, ſie im Gan- zen in einem groͤßern Beyſpiele vor ſich zu ſe- hen; dem Manne, deſſen Imagination weit genug iſt, die Zuͤge der moraliſchen Bildung zu vergroͤßern, ohne ſie zu verſtellen, und welcher Einſicht genug hat, die allgemeine Idee von Vollkommenheit mit den Eigenthuͤmlichkeiten eines beſondern Charakters zu vergeſellſchaften: wir ſehen nicht ein, warum es ihm nicht er- laubt ſeyn ſollte, dieſes Ideal von Vollkommen- heit, fuͤr welches ſein Herz am meiſten erwaͤrmt iſt, zu ſchildern; oder warum dieſe Schilderung
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Einige Gedanken
Weisheit, als die einfoͤrmige ungehinderte Wirk-
ſamkeit der Tugend wird vorſtellen muͤſſen; denn
daran iſt uns am meiſten gelegen, die Geſchichte
der wirklichen Welt aus ihm, in ihren innern und
feinern Theilen, zu lernen.
Aber dann ſehen wir doch auch nicht,
warum es dem wahrhaftig großen Geiſte, der
ſich ſelbſt der Vollkommenheit naͤhert, der
das Auge gehabt hat, ſie bey andern ſtuͤckweiſe
aufzuſammeln, oder das Gluͤck, ſie im Gan-
zen in einem groͤßern Beyſpiele vor ſich zu ſe-
hen; dem Manne, deſſen Imagination weit
genug iſt, die Zuͤge der moraliſchen Bildung
zu vergroͤßern, ohne ſie zu verſtellen, und
welcher Einſicht genug hat, die allgemeine Idee
von Vollkommenheit mit den Eigenthuͤmlichkeiten
eines beſondern Charakters zu vergeſellſchaften:
wir ſehen nicht ein, warum es ihm nicht er-
laubt ſeyn ſollte, dieſes Ideal von Vollkommen-
heit, fuͤr welches ſein Herz am meiſten erwaͤrmt
iſt, zu ſchildern; oder warum dieſe Schilderung
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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